Daueronline: Wie viel Handyzeit ist normal?
Mittwochvormittag in einem Salzburger Gymnasium. Wir gehen der Frage nach, wieviel Zeit Jugendliche nach eigener Einschätzung täglich am Handy verbringen und starten hierfür in vier Klassen eine Umfrage. Das Ergebnis zeichnet ein deutliches Bild: Von 108 Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren geben 48 an, regelmäßig eine Bildschirmzeit von vier Stunden zu überschreiten. Zwar ist in Statistiken meist „nur“ von zweieinhalb Stunden die Rede, der Realitätscheck aber sieht anders aus. Fakt ist außerdem: Vergleicht man die Studien der vergangenen Jahre miteinander, ist ein deutlicher Anstieg erkennbar. Vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie stieg die Bildschirmzeit der Kinder und Jugendlichen nachweislich an, eine Studie aus Kanada spricht von bis zu 52 Prozent.
Wie viel Bildschirmzeit ist zu viel?
Zu behaupten, dass diese Problematik nur Kinder und Jugendliche betrifft, wäre Augenauswischerei. Auch Erwachsene verbringen regelmäßig mehrere Stunden am Handy. Im Durchschnitt nehmen wir unser Smartphone 58 (!) Mal am Tag in die Hand. Sucht man nun aber nach Studien und Richtlinien, wie viel Bildschirmzeit tatsächlich zu viel ist, findet man höchstens Empfehlungen. So gibt beispielsweise die WHO für Kinder zwischen zwei und sechs Jahren einen Richtwert von maximal einer Stunde Bildschirmzeit pro Tag an. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) rät bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren zu maximal 30 Minuten Medienzeit, im Alter von sechs bis zehn Jahren sollten es 45 bis höchstens 60 Minuten sein. Für ältere Kinder oder Erwachsene gibt es keinen Richtwert. Warum das so ist, erklärt Matthias Jax, Cybersecurity-Experte und Projektleiter von „saferinternet.at“: „Jedes Kind und jeder Erwachsene ist individuell und reagiert anders auf äußere Einflüsse. Somit lässt sich nicht pauschal herausfiltern, wie viel Zeit empfehlenswert ist. Die Experten sind in diesem Fall die Eltern.“ Regel gebe es nur eine: „Kinder unter drei Jahren sollten definitiv nicht mit dem Smartphone ruhiggestellt werden.“
So kontrollieren Sie die Bildschirmzeit
Experten raten dazu, sich selbst ein tägliches Limit zu setzen und ein solches auch mit Kindern und Jugendlichen zu vereinbaren. Die Bildschirmzeit kann sowohl bei Apple iOS als auch bei Android am Gerät überprüft werden. Microsoft bietet mit Family Safety auch eine Möglichkeit, die Zugänge zu Internet und Programmen zu beschränken. Bei Jugendlichen rät Matthias Jax von der Nutzung derartiger Tools aber ab: „Hier ist es deutlich zielführender, mit gutem Beispiel voranzugehen und von Anfang an gewisse Regeln zu vereinbaren.“ So macht es Sinn, das Handy nachts nicht im Zimmer liegen zu haben oder während dem Essen kein Smartphone zu nutzen. Richtlinien, die selbstverständlich auch für Eltern gelten sollten.
Vorbildrolle statt Kontrolle
Psychotherapeut Dominik Batthyány vom Institut für Verhaltenssüchte an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien bekräftigt diesen Ansatz. „Es ist wichtig, einen geregelten Rahmen vorzugeben und medienfreie Orte und Zeiten festzulegen.“ Diese Regeln sollen für Kinder und Jugendliche nachvollziehbar sein und nicht willkürlich – je nach Laune und Situation – von Eltern abgeändert werden. Der Wiener Experte erklärt außerdem, wie wichtig eine entsprechende Differenzierung ist, wofür die Zeit am Handy genutzt wird. „Nutze ich das Handy, um aus der Realität zu flüchten und um Langeweile entgegenzuwirken oder nutze ich es konstruktiv, beispielsweise für kreative Arbeiten – das macht einen Unterschied aus.“ Oft sei eine übermäßige Handynutzung eine reine Problemlösungsstrategie. „In der Beratung hören wir daher sehr genau hin. Wie geht es dem Jugendlichen? Gibt es beispielsweise Stressfaktoren, Streit oder fühlt sich das Kind einsam? Viele Menschen versuchen über die Sozialen Medien psychische Probleme zu kompensieren.“
Anzeichen für Handysucht
Wann aber sollten nun die Alarmglocken schrillen? Meist signalisiert der Körper sehr gut, wenn es Zeit ist, eine Bildschirmpause einzulegen. Schwindel, Müdigkeit, aber auch Gereiztheit und innerlicher Stress, sind Anzeichen dafür. Kindern und Jugendlichen fehlt laut Dominik Batthyány die sogenannte Impulskontrolle, um sich selbst Grenzen zu setzen. „Ähnlich wie bei kleinen Kindern, die so lange Süßigkeiten essen, bis ihnen schlecht wird.“
Professionelle Hilfestellung braucht es, wenn sich folgende Anzeichen häufen bzw. gemeinsam auftreten:
- Andere Aktivitäten und Hobbies sowie Freundschaften werden vernachlässigt.
- Man kann sich nicht mehr vom Handy lösen, es herrscht eine Art Kontrollverlust.
- Die Handyzeit wird immer weiter gesteigert.
- Entzugserscheinungen treten auf.
- Das Handy dient als einzige Problemlösungsstrategie
Die wichtigsten Anlaufstellen im Überblick gibt es hier. In Wien kann man sich außerdem an die Psychotherapeutische Universitätsambulanz (Therapie- und Beratungsstelle für Verhaltenssüchte / Mediensucht) wenden.