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Puls4/Gerry Frank

2 Minuten, keine Millionen

22.09.2020 um 09:17, Elisabeth Stolzer
min read
Der Hype um Start-up-Shows ist ungebrochen. Denn wer den Deal von den Investoren kassiert, hat es geschafft – Sollte man meinen. Die Wahrheit sieht allerdings anders aus.

April 2020: Während sich das Land im Lockdown befindet, präsentieren findige Unternehmer ihre Geschäftsideen im TV. 7,3 Millionen Euro wurden laut dem Privatsender Puls 4 in der diesjährigen Staffel von „2 Minuten, 2 Millionen“ in Start-ups investiert. Wie viel Geld tatsächlich geflossen ist, lässt sich aber nur schwer beantworten. Das Innovations-Portal „Trending Topics“, an dem Puls 4 sogar selbst beteiligt ist, analysierte: Von 39 Deals (bis inklusive der vorletzten Folge), die vor laufender Kamera geschlossen wurden, kamen bis Anfang Juni nur 10 wirklich zustande. Andere sind geplatzt oder liegen momentan auf Eis. Wo bleiben also die versprochenen Millionen?

Mantel des Schweigens. So wirklich darüber sprechen will niemand. Die Start-ups nicht, weil sie vertraglich dazu verpflichtet sind oder manchmal auch gar nicht wissen, woran es letztendlich gescheitert ist. Auf Nachfrage erfahren wir von zwei Unternehmen, dass sie formlos per E-Mail darüber informiert wurden, dass der Deal doch nicht zustande kommt. Fragen nach dem „Warum?“ bleiben unbeantwortet. Bei Puls 4 äußert man sich nicht, weil man nach Abschluss der Dreharbeiten auch garkeinen Einfluss mehr auf das Zustandekommen der Verträge habe. Bleiben also die Investoren. Und auch diese halten sich mit Informationen bedeckt. Eine Interviewanfrage von uns an Investor Leo Hillinger blieb unbeantwortet. Im Hintergrund munkelt man allerdings, dass sich so mancher während der Corona-Zeit lieber auf das eigene Kerngeschäft konzentriere, als in Start-ups zu investieren.

Startups in Österreich

In Österreich wurden seit 2008 mehr als 2.200 Startups gegründet. Die Anzahl der Startup-Gründungen stieg mit 15% pro Jahr deutlich stärker als jene der klassischen Unternehmensgründungen (3% pro Jahr).
52% der österreichischen Startups sind durch externes Kapital finanziert. 63% der Startups planen in den nächsten 12 Monaten externes Eigenkapital zu akquirieren.
14% der österreichischen Startups sind akademische Spin-offs und 20%wurden aus bestehenden Unternehmen heraus gegründet.

Top-Branchen, in denen gegründet wird:

  • IT- und Softwareentwicklung (31,2 %)
  • Industrielle Technologie/Produktion und Elektronik/Elektrotechnik (10,1%)
  • Konsumgüter (10,1%)
  • Life Sience (Biotechnologie, Gesundheitswesen, Medizintechnik und Pharma) (9,2%)

(Quelle: austrianstartupmonitor.at)

Showgeschäft. Wer jetzt denkt, es liege einfach an einem schlechten Jahr, der irrt. Denn mit dieser nüchternen Bilanz steht man bei Puls 4 nicht alleine da. Auch das deutsche Pendant „Die Höhle der Löwen“ ist dafür bekannt, dass viele in der Show geschlossene Deals in der Realität nicht zustande kommen. Und auch beim US-amerikanischen Pendant „Shark Tank“ kommt weniger als die Hälfte der TV-Vereinbarungen zustande. Doch woran liegt das? Bernhard Weber, Geschäftsführer des Zentrums für Wissens- und Innovationstransfer, klärt auf: „Man darf nicht so naiv sein und glauben, dass der Deal am Abend geschlossen wird und am nächsten Morgen haben die Gründer dann eine halbe Million mehr am Konto. So funktioniert das nicht.“ Ähnlich wie auch bei einem Pitch vor Business Angels werden alle Angaben genau durchleuchtet und auf ihre Richtigkeit überprüft. Wer ist tatsächlich am Unternehmen beteiligt? Wie sieht es mit dem Patentschutz aus? Welche Konkurrenzprodukte gibt es am Markt? Erst wenn all diese Fragen geklärt sind, kommt der Deal auch zustande.

Der wahre Wert. Für viele Start-ups geht es in den Shows aber auch gar nicht darum, ein passendes Investment zu finden. Oft reicht die gewonnene Medienpräsenz schon aus, um für einen ordentlichen Umsatz-Push zu sorgen. Daher werden für den Zeitpunkt der Ausstrahlung Server-Kapazitäten erweitert, Bestände aufgestockt und Webseiten optimiert. Denn spätestens einen Tag nach der Sendung müssen die Produkte am Markt sein. Das hat zur Folge, dass sie oft nicht ausreichend getestet werden. So geschehen in Deutschland bei einem flüssigen Handydisplayschutz, der sogar vor Hammerschlägen schützen sollte. Tat er aber nicht. Oder bei der Zehn-Sekunden-Zahnbürste „Amabrush“, die blitzblanken Zähne ohne Putzen versprach. Nach der Sendung wurde mittels Crowd-Invest Geld für die Fertigstellung gesammelt. Warnungen von Zahnärzten, Kundenbeschwerden und Verzögerungen in der Produktion sorgten schließlich für die Pleite des Herstellers.

Thema Nachhaltigkeit. Damit wären wir mit der Kritik aber auch noch nicht am Ende. Denn die tatsächlichen Innovationen, also jene, die unsere Welt nachhaltig verbessern würden, fehlen. Wissenschaftliche Start-ups lassen sich nun mal schwer in 2 Minuten erklären. Und soziale Projekte werfen in kurzer Zeit einfach zu wenig Gewinn für die Investoren ab. Daher beschränkt man sich auf Lifestyle-Produkte, die ein schnelles Wachstum versprechen und eine möglichst große Zielgruppe ansprechen. „Man darf nicht vergessen, dass es sich letzten Endes um eine Unterhaltungsshow handelt“, so Weber. Für alle, die sich im TV das große Geld erhoffen, ist das wahrscheinlich nur ein kleiner Trost.  
 

Interview mit Bernhard Weber

Auch wenn viele Deals nach der Ausstrahlung nicht zustande kommen, kann man als Gründer dennoch von den Fernsehshow profitieren, meint der steirische Start-up-Experte.

  Bernhard Weber, Geschäftsführer Zentrum für Wissens- und Innovationstransfer, Graz

Was bringen TV-Formate wie „2 Minuten, 2 Millionen“?
Bernhard Weber: Am meisten Nutzen haben Start-ups davon, die etwas für den B2C-Bereich, also für Konsumenten machen. Sie erhalten dadurch Reichweite und Aufmerksamkeit, die man so nur schwer bekommt. Auch die Kontakte, die man durch die Show erhält, sind nicht ganz unwesentlich. Und im Idealfall bringen sie auch ein passendes Investment. Für die Start-up-Szene an sich bringt es natürlich Aufmerksamkeit für die Thematik in einer breiteren Bevölkerungsschicht.

Wie realistisch sind die Pitches in der Sendung?     
Bernhard Weber: Man muss ganz klar sagen: es ist eine Unterhaltungsshow. Die Pitch-Situation an sich ist aber schon realistisch, also dass man sein Produkt vor Leuten in kurzer Zeit präsentiert. Die Frage ist halt immer, was der Sender dann daraus macht.

Für wen lohnt es sich überhaupt, bei einer solchen Show mitzumachen?     
Bernhard Weber: Lohnen tut es sich immer für jene, die ein Produkt haben, dass für den Konsumenten interessant ist. Ob es ein Getränk ist oder ein E-Commerce-Produkt… Die können solche Sendungen auch am Besten nutzen. Für ein Medizin-Technik-Produkt oder ein High-Tech-Start-up ist das nicht die richtige Sendung. Dann werde ich dort aber auch nicht die passenden Partner finden. Als Start-up muss ich wissen: Wo ist die passende Community und wie erreiche ich diese Leute?

Warum kommen so viele Deals im Nachhinein nicht zustande?    
Bernhard Weber: Aus meiner Sicht ist ein Auftritt in der Show der Beginn eines Verhandlungsprozesses. Und selbst, wenn es kein Investment gibt, kann man immer irgendwas herausholen. Als Gründer muss man das entspannter sehen. Im Idealfall habe ich Reichweite, Kontakt und Investment.

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