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Ein grauer Riffhai unter Wasser vor einem großen Schwarm
In allen getesteten Haien wurden hohe Mengen Kokain nachgewiesen.
In allen getesteten Haien wurden hohe Mengen Kokain nachgewiesen.
Yann-HUBERT/iStock

Brandgefährlich: Haie vor Rio sind auf Koks

24.07.2024 um 09:24, Stefanie Hermann
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Forscher haben in Haien vor der Küste Rio de Janeiros hohe Kokain-Konzentrationen nachgewiesen. Das ist nicht nur für die Raubfische brandgefährlich.

Es klingt wie der Beginn eines zweifelhaften B-Movieplots, ist aber schockierende Realität: Die Haie vor der Küste Rio de Janeiros sind auf Koks. Das seltsame Verhalten der Meeresbewohner hat Forscher bereits 2023 erstmals stutzig gemacht. Bislang konnte bei den Raubfischen aber keine Rauschgiftbelastung nachgewiesen werden.

Erster Drogentest bei Haien

Wissenschaftlern des Oswaldo-Cruz-Instituts in Brasilien ist es nun erstmals gelungen, einen "Drogentest" durchzuführen. Vor der Küste von Rio de Janeiro haben Untersuchungen ihre Vermutungen bestätigt: In den Lebern und Muskeln von allen 13 getesteten Scharfnasenhaien wurden Spuren von Kokain nachgewiesen. In einer brandaktuellen Studie in der Fachzeitschrift "Science of The Total Environment" warnen die Forscher vor den Implikationen des alarmierenden Fundes. 

"In Brasilien haben Studien bereits die Kontamination von Wasser und einigen Wasserlebewesen, wie zum Beispiel Muscheln, durch Kokain nachgewiesen. Unsere Analyse ist die erste, bei der die Substanz in Haien gefunden wurde", erklärt der brasilianische Umwelttoxikologe Enrico Mendes Saggioro. Die Belastung mit der Droge ist dabei bis zu 100 Mal höher als bei anderen Meeresbewohnern.

So kommt das Koks zu den Haien

Wie aber konnten die Haie das Kokain konsumieren? Eine B-Movie Dokumentation aus dem Jahr 2023 zu dem Verhalten der Haie vor Florida und Mexiko hatte nahegelegt, dass Drogenkartelle die Raubfische als Unterwasserkuriere nützen könnten. Dabei sollen die Meeresbewohner das Kokain teilweise versehentlich gefressen haben. Die Forscher vermuten, dass die Kontamination tatsächlich durch verloren gegangene Drogenschmuggelpakete entstanden sein könnte. Geraten diese ins Meer, könnten sie von größeren Fischen, einschließlich Haien, verschluckt werden.

Die wahrscheinlichste Erklärung ist deutlich banaler. Nach dem jüngsten Weltdrogenbericht, der 2024 vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) veröffentlicht wurde, gehört Brasilien zu den größten Kokainkonsumenten weltweit. Vor allem in Rio de Janeiro werden täglich enorme Mengen Kokain konsumiert. Die Droge landet nicht nur in den Körpern der Konsumenten, sondern auch in den Abwässern der Stadt. Durch unzureichende Abwasserbehandlungsanlagen, die es nicht vollständig herausfiltern können, landet es letztlich im Meer.

Gefahr für Hai, Meer und Mensch

Haie spielen als Raubtiere eine zentrale Rolle in der Nahrungskette des marinen Ökosystems, erklärt Biologin und Co-Autorin Rachel Ann Hauser-Davis. Sie sind wichtige Indikatoren für Umweltschäden, einschließlich verschiedener Formen der Verschmutzung. Werden sie krank, können ganze Ökosysteme kippen.

Nicht nur für ihren Lebensraum, auch für die Haie selbst stellt das High auf Dauer eine nicht einschätzbare Gefahr dar. Weibliche Haie haben deutlich höhere Kokainkonzentrationen in ihren Muskeln aufgewiesen als männliche Haie. "Es wird vermutet, dass sie sich auf das Wachstum, die Reifung und möglicherweise die Fruchtbarkeit der Haie auswirkt, da die Leber an der Entwicklung der Embryonen beteiligt ist", so Hauser-Davis. Die Kokain-Belastung könnte zu Fehlentwicklungen oder gar zum Tod der ungeborenen Haie führen.

Die Raubfische stehen in Brasilien zudem auf dem Speiseplan. Steigt die Kokainkonzentration in ihrem Fleisch, könnte das letztlich auch wieder Auswirkungen auf den Menschen haben.

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