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Vier junge Menschen im Gespräch
Der Redebedarf bleibt hoch
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GadK

"Gesund aus der Krise": 10.000 zusätzliche Plätze

20.06.2023 um 12:30, Andrea Schröder
min read
Die Versorgung psychisch belasteter Kinder und Jugendlicher darf nicht an der Finanzierung scheitern. Der Gesundheitsminister sagte weitere 19 Mio. Euro zu.

Klimakrise, Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie: Die Psyche der jungen Bevölkerung gerät immer mehr in Bedrängnis.

Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) und der Bundesverband der Österreichischen PsychologInnen stehen der Jugend weiterhin zur Seite: Mit einer Förderung von 19 Millionen Euro schaffen sie erneut 10.000 Betreuungsplätze für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahre.

Rasche und wirkungsvolle Hilfe

Angststörungen, Depressionen, Ess- und Schlafstörungen stehen an der Tagesordnung. Das vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) geförderte Projekt „Gesund aus der Krise“ setzt genau da an – rasch, niederschwellig, wohnortnah sowie kostenlos und vor allem qualitätsgesichert.

Folgeprojekt gesichert

Seit April 2022 konnten bereits über 8.000 Plätze für klinisch-psychologische, gesundheitspsychologische und psychotherapeutische Beratung und Behandlung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahre ermöglicht werden. Für das Folgeprojekt wurde die Förderung auf 19 Millionen Euro erhöht: weitere 10.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahren erhalten dadurch Unterstützung.

Gruppenfoto
Barbara Haid, Bundesverband für Psychotherapie, Gesundheitsminister Rauch, Beate Wimmer-Puchinger, BÖP, Daniela Kern-Stoiber, Netzwerk Offene Jugendarbeit ,

Als Gesundheitsminister ist mir die psychische Gesundheit der Jüngsten in unserer Bevölkerung ein wichtiges Anliegen. Mit Gesund aus der Krise gibt es ein Angebot, das Kindern und Jugendlichen kostenlos, schnell und einfach psychologische und psychotherapeutische Beratung ermöglicht.

Johannes Rauch

Keine Hilfe für jede/n Zweite/n

Die von der WHO initiierte HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children Study), bei der zwischen November 2021 und Juli 2022 tausende SchülerInnen im Alter von zehn bis 17 Jahren befragt wurden, zeigte, dass jeder zweite junge Mensch in Europa in der Pandemie unter psychischen Problemen litt und dafür nicht die notwendige Hilfe erhielt.

Junge Menschen waren stärker betroffen als ältere, und so zeigten rund 41 Prozent der 18- bis 24-Jährigen Anzeichen einer Depression. Bei Erwachsenen waren es 24 Prozent.

Die Österreich-Daten zeichnen ein ähnliches, besorgniserregendes Bild. ExpertInnen aus dem Gesundheitswesen berichten von einer starken Zunahme von Depressionen, Angst- und Schlafstörungen. Auch Essstörungen und Suizidalität haben signifikant zugenommen. Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger, Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP) und Gesamtleitung „Gesund aus der Krise“:

Wir müssen nun leider nicht nur von einer Krise, sondern von einer „Permakrise“ sprechen, weil die Vulnerabilität und Unsicherheit vor allem bei Kindern und Jugendlichen ankommt. Daher ist es der ideale Zeitpunkt dieses Projekt auszuweiten, mehr Ressourcen in diesen Bereich zu investieren, weil auch Armut in Zukunft ein Thema in den Familien ist. Und wir wissen, dass Armut zu noch mehr psychischen Krisen in Familien führt.

Beate Wimmer-Puchinger
Porträt
Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger, Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP) und Gesamtleitung „Gesund aus der Krise“.

Monatelange Wartezeiten auf kassenfinanzierte Therapieplätze sind seit Jahren Realität und waren bereits vor der Pandemie traurige Normalität. Der Regelbetrieb kann derzeit keine ausreichende Versorgung unserer Kinder und Jugendlichen gewährleisten.

Mag. Barbara Haid, MSc, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie (ÖBVP):

Das österreichische Gesundheitswesen ist ein Fleckerlteppich (...) Die bürokratischen Hürden sind beachtlich und Kassenplätze rar, in jedem Bundesland ein bisschen anders. Bei psychischer Gesundheit zählt jeder Tag. Gesund aus der Krise hilft rasch, treffsicher und niederschwellig. Da könnte sich die Regelversorgung in Österreich ganz viel Inhaltliches abschauen.

Barbara Haid
Porträt
V. li. : Barbara Haid, Daniela Kern-Stoiber

Mag.a Daniela Kern-Stoiber MSc, Geschäftsführung bundesweites Netzwerk Offene Jugendarbeit (bOJA) kennt die Nöte der Kinder und Jugendlichen aus erster Hand und weiß, wie wichtig die Vernetzung von sozialer Arbeit mit jungen Menschen und psychologischer und psychotherapeutischer Versorgung ist.

Viele Gesundheitsthemen von Jugendlichen und Kindern haben untrennbar mit ihrer sozialen Lage zu tun. Offene Jugendarbeit schafft Räume, in denen Jugendliche einfach „sein“ dürfen und jenseits von Bewertungen und gesellschaftlichem Druck Rollen ausprobieren können.

Daniela Kern-Stoiber

Pionierarbeit

Das internationale Vorzeigeprojekt – gefördert vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) - wird vom Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) in enger Kooperation mit dem Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) umgesetzt.

Die Abwicklungsstelle, ein multiprofessionelles Team bestehend aus elf Personen mit Hintergrund in den Bereichen Psychologie, Psychotherapie, Sozialberatung, Kommunikation sowie Gesundheits- und Projektmanagement ermöglicht den raschen, niederschwelligen, wohnortnahen und kostenlosen Zugang zu dem Angebot.

Bis zu 15 Beratungen kostenlos

„Unser Projekt Gesund aus der Krise schafft neue Standards und bietet für Betroffene kostenlos bis zu 15 klinisch-psychologische, gesundheitspsychologische und psychotherapeutische Beratungen und Behandlungen an,“ ergänzt Wimmer-Puchinger. „Innerhalb kürzester Zeit wurde das Projekt aus der Konzeption in die Praxis umgesetzt, Webseite und Hotline dienen als Anlaufstelle für Betroffene, deren Angehörige, Obsorgeberechtigte und für zahlreiche Zuweiserstellen.

Das Netzwerk

875 Klinische PsychologInnen, GesundheitspsychologInnen und PsychotherapeutInnen, mit mehrjähriger Erfahrung im Kinder- und Jugendbereich, beraten und behandeln in 17 Behandlungssprachen, österreichweit und selbst in ländlichen Regionen die Zielgruppe. Durch die Allokation knapper Ressourcen kann durch unsere Servicestelle zügig und bedarfsgerecht Hilfe und Unterstützung geboten werden.

Porträt
Gudrun Kreutner, Kommunikation „Gesund aus der Krise“

Einblick in die Psyche von Kindern & Jugendlichen

Die Analyse der bisherigen Beratungen und Behandlungen von April 2022 bis Dezember 2022 zeichnet ein klares Bild über den psychischen Gesundheitszustand der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 21 Jahre. Folgende Probleme wurden durch die BehandlerInnen vorrangig dokumentiert:

  • Depressive Verstimmungen bis hin zu schweren Depressionen inkl. Suizidgedanken
  • • Angsterkrankungen durch reduzierten Selbstwert, Überforderungen im schulischen Kontext, reduzierte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit
  • • Probleme mit dem Essverhalten (Anorexie, Bulimie, Binge Eating Disorder, Adipositas)
  • • Schlafprobleme, fehlende Tagesstruktur und exzessiver und unkontrollierbarer Konsum digitaler Medien
  • • Soziale Probleme im Schulkontext und Schulverweigerung
  • • Innerfamiliäre Konflikte aufgrund von beengten Wohnverhältnissen, Trennung der Eltern, finanzielle Probleme, Krankheiten und Todesfälle von Angehörigen infolge von COVID-Erkrankungen, Suiziden, etc.

Das Fazit der "Gesund aus der Krise"-Kommunikationsexpertin Gudrun Kreutner:

Es müssen weiterhin und verstärkt Ressourcen in die Versorgung der psychischen Gesundheit investiert werden. Menschen mit psychischen Erkrankungen haben einen hohen Leidensdruck und werden im privaten Umfeld oft nicht gesehen. Umso wichtiger ist es, die Jugendarbeit und KinderärztInnen ins Boot zu holen, damit die Versorgungskette greift.

Gudrun Kreutner

 

Hier bekommst du Hilfe:

Anmeldung für Betroffene unter www.gesundausderkrise.at

 info@gesundausderkrise.at

kostenlose Servicenummer: 0800 800 122 von Montag bis Freitag 8:00 bis 18:00.

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