Unternehmenslenker im Rennradsattel
Es gab stets Sportarten, die mit den Einfluss- und Erfolgreichen assoziiert wurden. So kreuzten Manager in der Vergangenheit ihre Golfschläger oder segelten über das Mittelmeer. Neu in diesem Pantheon der „Elite-Sportarten“ ist das Rennradfahren. Einflussreiche Wirtschaftstreibende schwingen sich in den Sattel ihres pedalbetriebenen Fitnessgeräts und laufen auch außerhalb ihrer beruflichen Umgebung zu Höchstformen auf. Doch was fasziniert Geschäftsführer und Unternehmer an dem rasanten Sport?
Der Reiz am Rad
Alois Badegruber ist europäischer General Manager des amerikanischen Unternehmens BOA, welches Sportschuhe mit innovativen Verschlusssystemen vertreibt. Ursprünglich kommt er jedoch aus dem Profisport und war lange Berg- und Skiführer. Nach der Bergsportkarriere avancierte Radrennsport zu seiner Hauptsportart. „Ich kann von der Haustür wegradeln und muss nicht erst lange wohin fahren, um dann eine Stunde klettern zu gehen“, erklärt er den Reiz. Heute ist Badegruber Vizepräsident des oberösterreichischen Radsportverbands und kümmert sich dort intensiv um die Jugend. Fast alle Nachwuchsrennen in Oberösterreich werden von BOA gesponsert. Beispielsweise das BOA Kids-Race, das im Rahmen des Welser Innenstadtkriteriums stattfand. Dass dieser Einsatz Früchte trägt, zeigen seine eigenen Kinder. Die Tochter fuhr einige Jahre bei der Damen World Tour und auch der Sohn radelt in der U17 um die Wette. Begeistert ist auch Rudolf Parzl, Inhaber und Geschäftsführer des eigenen Malerbetriebs in Altenmarkt an der Triesting. Mit dem Rennradsport hat er den perfekten Ausgleich gefunden: „Jeder, der ein Hobby hat, hat diese 5 Prozent in seinem Leben, die eine Belohnung nach dem Alltag sind.“ 2018 und 2022 radelte der 54-Jährige bei der Tour Transalp mit. Seine Devise beim Sport bleibt aber das Miteinander und nicht das Gegeneinander.
Vom Hamsterrad aufs Rennrad
Viele Führungskräfte leben für ihren Betrieb. Sie machen Überstunden und sind auch abseits der Geschäftszeiten erreichbar. Die Zeit für das eigene Hobby kann da schon mal kurz sein. „Mein Leben findet im Kalender statt“, scherzt Parzl, „während der Woche gehöre ich meinem Betrieb.“ Dennoch hat er einen Trainingsplan, an den er sich strikt hält. Im Regelfall ist er bereits ab 4:20 Uhr im Büro und in der Werkstatt. Nach dem Frühstück nimmt er sich dann Zeit für den Sport. Unter der Woche trainiert der Unternehmer dreimal und auch am Wochenende fährt er zweimal mit dem Rad aus. Badegruber würde sich am liebsten sogar täglich Zeit für den Radsport nehmen. Meistens schafft er es, drei- bis viermal pro Woche seinem Hobby nachzugehen. Am Wochenende radelt er am liebsten mit seinen Kindern oder seiner Frau. Besonders glücklich macht ihn, dass auch in seiner Familie Interesse besteht: „Wenn das nicht der Fall wäre, wäre es schwieriger für mich, Familie, Beruf und Ausdauersport unter einen Hut zu bekommen.“
Rad neu erfinden
Technologisch dreht sich das Rad der Zeit. Nicht nur Tour-de-France-Wettkämpfern ist es wichtig, am neuesten Stand der Technik zu bleiben, sondern auch Hobbyisten setzen auf die neuesten Innovationen von Pinarello, Bianchi, Canyon und Co. Auch Parzl folgt gerne den aktuellen Trends. „Ich mache das nicht, um mich zu schmücken“, betont er, „sondern habe einfach eine Affinität zu schönen Rädern und schraube genauso gerne am Rad, wie ich fahre.“ Und auch für Badegruber darf das richtige Equipment für die Fahrfreude nicht fehlen: „Die Liebe zum Sportgerät ist schon da. Es muss nicht das Allerneueste sein, aber eine tolle Ausrüstung ist mir schon wichtig.“
Leistungsfähig
Tauschen heimische Manager den Golfschläger gegen den Drahtesel? „So weit würde ich vielleicht nicht gehen“, antwortet Badegruber, „aber das Rennrad ist bei Führungskräften schick geworden.“ Er verrät, dass auch Radreisen boomen, und dabei lassen Sportenthusiasten eine Menge Geld in Hotels und Lokalen. In der Szene ist der Rennradsport schon etabliert: „Ich kenne zig CEOs in Österreich, die sehr begeisterte und gute Rennradfahrer sind.“ Dass Führungskräfte gute Sportler abgeben, davon zeigt sich Badegruber überzeugt: „Erfolgreiche Menschen wollen Erfolg haben, wenn sie etwas angehen. Und auch umgekehrt sind Profisportler meistens keine schlechten Geschäftsleute.“ Ausdauer, Durchhaltevermögen und der Wille, Grenzen zu verschieben, zeichnen sowohl Spitzensportler als auch Manager aus. Laut Parzl kann man auch beruflich vom Sport profitieren: „Niemand nimmt sich drei Stunden Zeit, um über Dinge nachzudenken, aber am Rad gelingt das richtig gut.“ Dabei beschäftigen ihn zumeist berufliche Themen: „Nach einer ausgiebigen Fahrt sieht man oft Dinge klarer.“ Dass bei Vorstandssitzungen und Kundenmeetings die Bürosessel künftig durch Fahrradsattel ausgetauscht werden, bleibt unwahrscheinlich. Jedoch erkennen immer mehr Menschen der Führungsetage im Radsport den dringend notwendigen Ausgleich zum fordernden Berufsalltag.