Tesla-Boss Elon Musk: Spinner und Gewinner
Alles beginnt mit einer Botschaft auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Vielen der rund 47 Millionen Followern von Elon Musk (49) ist es Anfang des Monats nicht entgangen, dass „Bitcoin“ dem Twitter-Profil hinzugefügt wurde. Am 8. Februar klärt sich der Grund für die rätselhafte Botschaft. An diesem Tag gibt Tesla ein milliardenschweres Investment in die größte aller Kryptowährungen bekannt. Wenig später verhilft Musk, der Twitter-König, dem Kurs von Bitcoin durch ein paar gewogene Tweets noch zusätzlich zu neuen Höchstwerten. Das ist offenbar zu viel des Guten: Seither hat der Boss der weltweit erfolgreichsten Elektroautomarke nicht nur die US-Börsenaufsicht SEC am Hals. Alle großen Kryptowährungen haben diese Woche erheblich an Wert verloren, zeitgleich stürzen auch die Aktien von Tesla ab. Seit das Unternehmen sein 1,5 Milliarden US-Dollar-Investment in Bitcoin bekannt gegeben hat, gab das Wertpapier an der New Yorker Börse bis Dienstag dieser Woche um 25 Prozent nach. Nicht nur der Marktwert Teslas ist von 844 Milliarden auf 620 Dollar geschrumpft, auch Elon Musk musste als größter Einzelaktionär 24 Milliarden Dollar Verlust wegstecken und ist jetzt nicht mehr der reichste Mensch der Welt.
Ein ungewöhnlicher Aufstieg
Freilich hat die Tesla-Aktie im Vorjahr mit einem Kursanstieg von 743 Prozent eine beispiellose Rallye hingelegt. Es klingt verrückt: Aber der US-Autohersteller ist trotz des aktuellen Eintauchens in den Bärenmarkt immer noch mehr wert an der Börse als die fünf größten Autokonzerne der Welt zusammen. Warum das so ist, können selbst alte Hasen der Finanzwelt nicht sagen. Eine oft gehörte Erklärung ist: Elon Musk ist eine Ausnahmeerscheinung in der Businesswelt. Der Macher von PayPal, Tesla und der Lowcost-Raketenfirma SpaceX ist wahrscheinlich der spannendste Unternehmer unserer Zeit. Seinen Masterplan für Tesla skizzierte er 2006: Der Elektroantrieb soll den Verbrennungsmotor komplett ersetzen und Tesla zum führenden Massenanbieter für E-Mobilität aufsteigen. Er schaffte entgegen dem damaligen Zeitgeist das Kunststück, maßgebliche Investoren zu überzeugen, in ein verlustbringendes Unternehmen zu investieren. Mit dem Verkaufsstart von Teslas Model-S-Limousine im Jahr 2013 schnellte der Aktienkurs in die Höhe. Fast 20 Milliarden Dollar ist Tesla damals wert – und das bei 22.000 verkauften Autos. Tesla ist plötzlich eine der angesagtesten Automarken der Welt. Getrieben vom Mindset des Silicon Valley, die Welt zum Guten zu verändern, wurden Kunden zu fanatischen Gläubigen, die Anzahlungen für ein Automodell leisteten, dessen Produktion noch gar nicht angelaufen ist.
Automobilwelt im Wandel
Als Elon Musk vor fast zwei Jahrzehnten Tesla als Automobil-Startup mitgegründet hat, war die Welt noch eine andere. Die Autoindustrie strotzte vor Selbstbewusstsein und General Motors hatte doppelt so viele Mitarbeiter wie heute. Elektroautos galten als Nischenprodukt für grüne Spinner und die deutschen Hersteller lachten sich über die Hybridmodelle von Toyota krumm. Heute gilt Tesla als Pionier, der die Transformation zur Elektromobilität eingeleitet hat und der deutschen Konkurrenz technologisch voraus ist. Nicht nur das: In der Nähe Berlins baut er in atemberaubender Geschwindigkeit und mit Vorabgenehmigungen der Behörden das größte Autowerk Deutschlands – der größten Batteriefabrik Europas inklusive. Mitte 2021 soll bereits das neue Modell Y vom Band laufen. Musk tut stets das Unerwartete, ist ein notorischer Regelbrecher und treibt mit seinem Mikromanagement seine Führungskräfte zur Verzweiflung. Trotz seiner Eskapaden hat er es mit seinen sportlichen Elektroflitzern weiter gebracht, als die etablierte Autobranche es ihm je zugetraut hatte. 2017 setzte Tesla von seinem Model S in den USA mehr ab als Daimler, BMW und Audi von S-Klasse, 7er und A8. 2020 hat der US-Autobauer erstmals einen Jahresgewinn ausgewiesen. Und in zehn Jahren sollen 20 Millionen Fahrzeuge in den Gigafactories produziert werden.
Spekulanten in Aktion
Dabei brachten Produktionsprobleme, Qualitätsmängel und die Eskapaden Elon Musks das Unternehmen mehrfach in ernste Schwierigkeiten. Elon Musk, der sich gerne als der echte Tony Stark aus dem Film von „Iron Man“ sieht, ist schon einmal mit der US-Börsenaufsicht SEC in Konflikt geraten. 2018 setzte er auf Twitter eine Nachricht ab, er wolle "Tesla von der Börse nehmen, die Finanzierung ist gesichert". Die Aktionäre waren geschockt und die Börsenaufseher verlangten seinen Rücktritt. Intern legt der Tesla-Chef ein hohes Tempo vor. Er arbeitet 100 Stunden die Woche und übernachtet schon mal im Produktionswerk mit dem Schlafsack. Dutzende Führungskräfte bei Tesla, darunter Schlüsselkräfte in der Produktion, haben das Unternehmen verlassen – oder wurden ohne Vorwarnung gefeuert. Musk nerven die Quartalsberichte, er beschimpft Wall-Street-Analysten wegen ihrer „langweiligen, blöden Fragen“ und liefert sich mit den Shortsellern einen veritablen Kleinkrieg. Diese Spekulanten wetten mit Leerverkäufen auf sinkende Kurse. Bisher haben sich die Hedgefonds mit ihren Wetten die Zähne an der Kultmarke ausgebissen. Im Vorjahr haben sie geschätzte 35 Milliarden Dollar verloren. Für bekannte Shortseller wie Michael Burry, der im Film "The Big Short" von Christian Bale gespielt wird, stehen dem aufgeblähten Börsenwert Teslas deutliche Verluste bevor.
Der Chef in der Kritik
Burry kritisierte auch das Milliarden-Investment des Auto-Pioniers in Bitcoin, das seiner Meinung nach von Qualitäts-Problemen bei der Produktion in China ablenken soll. Auch der bekannte US-Ökonom Nouriel Roubini wirft Musk beim Bitcoin-Investment "kriminelle" Marktmanipulation vor, weil der Unternehmer zuerst eine Position in der Kryptowährung aufgebaut, dann den Preis hochgepumpt habe und schließlich Teslas Investment bekannt machte. Auch intern wurde das Murren unüberhörbar. Selbst der Großaktionär BlackRock wollte den Tesla-CEO schon einmal entmachten, was scheiterte. Elon Musk ist Tesla und Tesla ist Elon Musk. Ohne den visionären Unternehmer gäbe es den Elektroauto-Konzern in dieser Form nicht. Musk gehört zur seltenen Gattung der Gründer, die selbst zur Marke geworden sind und er nutzt seine Popularität, um seine Firmen voranzubringen. Musk ist in dieser Beziehung ein Marketing-Genie. Und Musk selbst verteidigt sich, dass seine Handlungen und Entscheidungen als unberechenbares Verhalten missverstanden werden können: „Es ist besser, viele Entscheidungen pro Zeiteinheit mit einer etwas höheren Fehlerquote zu treffen, als wenige, mit einer etwas niedrigeren Fehlerquote.“
Es ist besser, viele Entscheidungen pro Zeiteinheit mit einer etwas höheren Fehlerquote zu treffen, als wenige, mit einer etwas niedrigeren Fehlerquote.
"Sie sind ein Idiot!"
Twitter ist eine eigene Welt. In ihr tummeln sich rechthaberische Egomanen und Narzissten, wie der deutsche Medienforscher Sascha Hölig einmal feststellte. Kein anderer Boss ist so manisch und wohl auch unbedacht am Kurznachrichtendienst unterwegs wie Elon Musk. Was seine Tweets auslösen können, zeigte sich schon 2012, wo er bekanntgab, dass er sich von seiner Frau Riley scheiden hat lassen. Teslas Aktie sank an diesem Tag um 2 Prozent und der Kommunikationschef von Tesla warnte ihn vor Tweets aus seinem Privatleben. Wirklich gefruchtet hat die Warnung nicht. Das Wall Street Journal veröffentlichte 2018 eine akribisch recherchierte Story über Musks Twitter-Verhalten. Was auffällt: Musk twittert zu jeder Stunde, Tag und Nacht, und ein großer Teil sind trollige Antworten, was ungewöhnlich ist. Er eckt an – ohne Ansehen der Person und seine Millionen Fans auf Twitter feiern ihn dafür. Facebook-Boss Mark Zuckerberg attestierte er eine beschränkte Auffassungsgabe. Dem Mobilitätsforscher Jarrett Walker antwortet er: „Sie sind ein Idiot.“ Er schockt Anhänger mit der Spaß-Nachricht, dass Tesla pleite ist, um kurz darauf eine Produktankündigung eines Flammenwerfers seiner Boring Company zu lancieren. Zuletzt fiel er mit seiner Unterstützung der GameStop -Kleinanleger auf, die einen Hedgefonds in die Knie zwangen. Und diese Woche setzte er ein zweideutiges Emoji unter einen Tweet des US-Börseanalysten Peter Schiff, der Musk darin "nicht unbedingt als Vorbild für andere CEOs" nannte. "Sie bezeichnen mich als Arschloch?", antwortete Schiff empört. Ziel erreicht.
Eine schrecklich erfolgreiche Familie
Elon Musks Verhalten und außergewöhnliche Leistungen werden durch seinen Hintergrund verständlicher. „Er hat Ziele, die sich andere niemals stecken würden, weil seine Kapazitäten, sie umzusetzen, viel größer sind als die aller anderen“, sagt der Onkel von Elon, Scott Haldeman, ein Neurologe aus Südkalifornien. Die Risikobereitschaft liegt in der Familie. Sein Großvater, Dr. Joshua Haldeman, verließ Kanada nach Südafrika, wo er mit seiner Familie zwei Jahre im Flugzeug unterwegs war und nach der versunkenen Stadt in der Wüste Kalahari suchte. Mit dabei seine Mutter Maye. Elon las als Kind viele Bücher und wurde in der Schule gemobbt. Mit 17 zog er nach Kanada, studierte in Pennsylvania Physik und Volkswirtschaft. Als Student veranstaltete er Partys mit 500 Personen und mehr und verlangte an der Tür fünf Dollar Eintritt. Sein erstes Startup zip2 verkaufte er mit 27 um 22 Millionen Dollar. Wirklich reich wurde er mit dem Verkauf seiner Anteile des Bezahldienstleisters PayPal. Heute will er uns zum Mars fliegen, unsere Verkehrsprobleme lösen und die E-Mobilität für alle realisieren. Der Visionär legt sich die Latte hoch und hat zu viel versprochen. Trotzdem braucht die Welt mehr Entrepreneure wie Elon Musk.