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Das Medizin-STartup Surgebright hat ganz bewusst auf VCs verzichtet, wie Geschäftsführer Lukas Pastl berichtet.
Das Medizin-STartup Surgebright hat ganz bewusst auf VCs verzichtet, wie Geschäftsführer Lukas Pastl berichtet.
SURGEBRIGHT

Start Up statt Shut Down

13.02.2024 um 12:43, Jürgen Philipp
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Die aktuelle Wirtschaftslage trifft vor allem Startups hart. Investoren sind zurückhaltend und das zwingt immer mehr in die Knie.

Es sind klingende Namen der heimischen Startup-Welt: TMIA (vormals NodeVenture), ­fretello oder Blockhealth. Einstige Lieblinge und gefeierte Helden, die nun aufgeben mussten und in der Insolvenz landeten. Aktuell schwappt eine große Konkurswelle über die österreichische Startup-Szene. Meistens geht es um fehlendes frisches Kapital. Waren Investments in Startups in Zeiten der Niedrigzinspolitik zwar ein riskantes, aber potenziell profitables Geschäft, sind die Investoren aktuell extrem zurückhaltend. Dennoch können sich junge Unternehmen trotz Gegenwind behaupten. Lukas Pastl, Gründer und CEO von Surge­bright erklärt, wie es seinem Unternehmen gelang problemlos durch die Krise zu kommen. „Unser Produkt bietet einen großen Mehrwert. Die Medizinbranche ist auch nicht so schnell. Wir sind ­keine App, die monatliche Wachstumsraten liefern muss, daher ist uns egal, wo der Leitzins steht.“ Surgebright stellt hochpräzise Knochenschrauben her – Shark Screw genannt –, die im Gegensatz zum Einsatz von Metall bei OPs keine zweite Operation zur Entfernung benötigen.

Bewusst „VC-los“
Surgebright hat dabei nie auf Venture Capital gesetzt, weil „man damit keine nachhaltigen Strukturen aufbauen kann. Uns gibt es seit 2016 und wir haben stets mit den üblichen Finanzierungsinstrumenten gearbeitet.“ Im Fokus standen die Eigentümer und Förderungen. „Es braucht nicht immer einen VC. Wir betrieben auch kein Fundraising. Der Aufwand dafür wird oft unterschätzt, das kostet viele Ressourcen. Es ist sinnvoller, diese Ressourcen in die Verbesserung des Produkts zu stecken.“ Auch Surgebright hat sich mit VCs beschäftigt, sich aber klar dagegen entschieden: „Das ist einfach Zocken auf hohem Niveau und nicht unsere Art.“ Statt, wie viele andere, mit einem großen Knall auf den Markt zu gehen, übte sich Surge­bright in Geduld. „Ärzte sind zurückhaltender bei Innovationen. Am Anfang war es enorm schwer. Wir hatten ein Produkt, das keiner kennt. Unser Außendienst ist in den Spitälern unterwegs und sucht den direkten Kundenkontakt. Das dauert eben, bis man sich einen Namen und einen Markt aufbaut.“ Dadurch, dass das Startup keine ungeduldigen Geldgeber im Nacken hatte, gelang dieser Aufbau.

Kleckern statt klotzen
Seit Juli 2023 hat Surgebright auch ein Tochterunternehmen in den USA und auch dort gelingt der Markteintritt mit viel Geduld. „Es heißt immer: In den USA muss man klotzen und nicht kleckern. Wir gehen aber den Weg des Kleckerns. Dafür haben wir eine Kostenstruktur, die wir ewig durchhalten können. Will man mit einem Wow-Effekt in den USA starten, ist das enorm kostenintensiv.“ Markteintrittskosten, die von den meisten Startups massiv unterschätzt werden. „Wir sind leicht profitabel, dadurch haben wir keinen Stress. Wir brauchen keinen Exit und damit sind keine finanziellen Exzesse notwendig.“ Abgesichert ist das Unternehmen durch Markenschutz und Patente. „Es gibt immer die große Angst, dass eine geniale Idee kopiert wird. Aktuell sehe ich das Thema reflektierter, weil Patente extrem hohe Kosten verursachen. Ein Patent in den USA kostet etwa 20.000 Dollar. Heute würde ich mich fast schon freuen, wenn ein Großer kommen würde, der Ähnliches wie wir macht. Das ist wie bei der Elektromobilität. Es gibt eine ganz andere Marktdynamik, wenn es Mitstreiter gibt. Bei uns glaubt man oft, dass die Idee alleine schon reicht, um erfolgreich zu werden, doch die Idee ist im niedrigen Prozentbereich. Das Rundherum ist viel intensiver und nimmt deutlich mehr als 90 Prozent der Arbeit in Anspruch.“ Es gilt, so Pastl, einen Bedarf für das Produkt zu schaffen, Verkaufskompetenz zu erlangen und Stabilität zu garantieren. „Hat jemand eine geniale Software entwickelt, stellt sich für den Kunden die Frage, ob es das Unternehmen in einem halben Jahr noch gibt, sprich, ob es noch Support gibt.“

Lukas Pastl

Es heißt immer: IN den USA muss man klotzen und nicht kleckern. Wir gehen aber den Weg des Kleckerns. Dafür haben wir eine Kostenstruktur, die wir ewig durchhalten können.

Lukas Pastl, CEO Surgebright

Substanz und Geduld
Franziskos Kyriakopoulos, Gründer und CEO des KI-Startups 7LYTIX, gibt Pastl in einigen Dingen recht: „Man muss eine gewisse Substanz haben.“ Und auch 7LYTIX brauchte Geduld: „Ich bin seit 2012 mit meiner Frau am Thema KI dran. Wenn man damals jemandem etwas über Machine Learning erzählt hat, wurde man ausgelacht. Man verstand es noch nicht. Elf Jahre später sehen wir, wie präsent das Thema plötzlich ist. Wir haben viele gesehen, die aufgegeben haben. Sie hatten zu wenig Geduld.“ 7LYTIX betreibt angewandte KI für hochkomplexe Anforderungen ihrer Kunden und hebt schlummerndes Potenzial über die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens. „Probleme, die wir für unsere Kunden lösen können, verursachen Kosten von mehr als 800 Milliarden Euro weltweit.“ Erst kürzlich gewann das Linzer Start-up die ÖBB-Tochter Rail Cargo als Kunden. Die Problemstellung: Um Informationen über Waren und Routen zu erhalten, setzte man bisher auf Erfahrungswerte. Mit der 7LYTIX-Software „Action Intelligence“ erhält man dank KI viel exaktere Daten in Echtzeit. Prognosen und damit die Planung werden viel effizienter. Das Startup will solche Anlassfälle standardisieren. „Wenn es einmal funktioniert, funktioniert es bei anderen auch.“ Damit lässt sich der Anwendungsfall skalieren.

Nervöse Finanzinvestoren drängen zum Exit
Im Gegensatz zu Surgebright ­setzte 7LYTIX, das ebenfalls 2016 gegründet wurde, auf Investoren. „2017 bekamen wir unser erstes Investment von einer Million Euro. Das war ein sehr großer Vertrauensvorschuss eines Business Angels.“ Weitere Beteiligungen folgten: Die RLB über ihre Beteiligungs Holding Mediaprint, der OÖ High Tech Fonds und eine weitere Business-Angels-Familie. „Sie alle haben Verständnis dafür, dass es auch länger brauchen kann, und sie können einschätzen, ob ein Unternehmen Aussicht auf Erfolg hat. Es sind Investoren mit technischem Verständnis.“ Reine Finanzinvestoren sieht Kyriakopoulos kritisch: „Aktuell haben viele von ihnen Interesse, ihre Beteiligungen zu einem schnellen Exit zu führen. Wenn sie keine Rendite erzielen, dann wollen sie zumindest den Verlust abdecken.“

Franziskos und Martina Kyriakopoulos
Franziskos und seine Frau Martina Kyriakopoulos beschäftigen sich seit 2012 mit KI. 2016 gründeten sie 7LYTIX und lösen damit etwa Herausforderungen der Rail Cargo Austria

B2B nicht unbedingt krisenresistenter
Auch wenn KI derzeit in aller Munde ist, warnt Kyriakopoulos vor Glücksrittern. „Es gibt unterschiedliche Levels von KI. Der Worst Case ist Betrug. Es gab immer wieder Unternehmen, die behaupten eine KI-Firma zu sein, und dann sitzen dort Leute, die Daten eintippen. Wir betreiben angewandte KI. Was uns unterschiedet und ein Erfolgsfaktor ist, dass wir sehr detailliert in der Technologie drinnen sind. Wir können die Sicht der Kunden mit unserer echten KI abbilden.“ Dass reines B2B-Geschäft krisenresistenter macht, weil man vermeintlich weniger Marketingausgaben hat, lässt Kyriakopoulos nicht gelten. „Natürlich ist B2B-Marketing weniger kapitalinvestiv, aber auch da kann man viel Geld verbrennen. Wir jagen schließlich Elefanten und keine Hasen. Wer im B2B-Umfeld bestehen will, braucht extrem gute Mitarbeiter im Außendienst, und die kosten gutes Geld. Sucht man einen High Performer in Sales für die USA, ist das ein Investitionspunkt.“ Auch sei der Sales-Zyklus im B2B-Bereich deutlich länger. „Man braucht viel Geduld und muss das durchhalten können. Wir sind da sehr effizient.“

Bodenhaftung statt Träumeland
Einen weiteren wesentliche Erfolgsfaktor, um in der volatilen Startup-Welt zu bestehen, ist laut Kyriakopoulos, Resilienz. „Wir haben seit 2016 schon drei globale Krisen durchgemacht. Dadurch haben wir eine gewisse Resilienz entwickelt, vor allem, wie man Teams richtig zusammenstellt. Wir sind kein 2.000-Mann-Unternehmen, wo es starre Prozesse gibt, sondern wir müssen dynamisch sein und punktgenau liefern. Das war eine große Schule.“ Alleine diese Aussage zeigt einen weiteren Erfolgsfaktor auf, den auch Surgebright auszeichnet: Bodenhaftung. „Wir sind nicht im Träumeland und behaupten das nächste OpenAI zu werden. Aber wir erfüllen alle Kriterien der Skalierung und sind daher für Investoren interessant. Wir sind ein Case.“ Im Gegensatz zu anderen „Cases“ wird in KI enorm viel VC gepumpt. „Lidl investiert 500 Millionen Dollar in das Hamburger Startup Aleph Alpha. Das hat dann schon eine politische Dimension. Durch OpenAI ist das ein wenig außer Kontrolle geraten. Auch Mistral AI aus Frankreich bekam 116 Millionen Dollar Investment.“ Mistral AI hat dabei weder ein Produkt noch ein Geschäftsmodell. Es bleibt also nach wie vor verrückt in der großen weiten KI-Welt. Hochrisiko, das man bei Surgebright und 7LYTIX nicht eingeht, weshalb man vielleicht genau deshalb noch immer erfolgreich am Markt ist.