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Lukas Kaufmann Radsport-Profi
Lukas Kaufmann Radsport-Profi
Kurt Ganglbauer

„Es gibt keinen Mental-Schmäh“

13.12.2024 um 08:46, Klaus Schobesberger & Jürgen Philipp
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Lukas Kaufmann wurde 2024 Zweiter im härtesten Radrennen der Welt, dem "Race Across America". Was können wir von dieser Extremleistung lernen?

CHEFINFO: Sie sind in 8 Tagen, 23 Stunden und 10 Minuten 5.000 Kilometer durch die USA geradelt und als Zweiter von 23 (12 gaben auf) ins Ziel gekommen. Welche Rolle spielen da Begeisterung und Disziplin und was kann die Wirtschaftswelt aus diesem Abenteuer lernen?

Lukas Kaufmann: Ich bin in der traumhaften Situation, dass ich seit März 2019 mein Hobby zum Beruf gemacht habe und bin jeden Tag dafür dankbar. Das treibt mich an. Ich sehe bei vielen Menschen, dass sie Schwierigkeiten dabei haben, etwas zu machen, was sie begeistert. Das sind dann Jammerer, die dann sudern, im Stau zu stehen oder sich über ihren Chef beschweren. Ich habe irgendwann einmal aufgehört zu sudern. Warum sollte ich mich darüber aufregen, wenn es regnet? Viele bleiben aber in der Komfortzone. Dabei ist es wichtig, etwas zu machen, was nicht der Norm entspricht und es geht dabei viel um Eigenverantwortung. Je öfter man sich außerhalb der Norm bewegt, desto mehr Spaß macht das auch. Ich freue mich auf die Rennen, die mich richtig herausfordern, viel mehr. Natürlich muss ich da riskieren, dass es einmal nicht gut geht. 

Was geht einem durch den Kopf, wenn man in knapp neun Tagen nur zehn Stunden schläft? Denkt man da überhaupt noch und was passiert beim Zieleinlauf?

Kaufmann: Man denkt zwangsläufig an irgendwas. Wichtig ist, was und wie man denkt. Die ersten eineinhalb Tage ging es durch die Wüste mit Temperaturen von 43 Grad. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Ich sage mir, es läuft gut, es ist warm und ich bin gesund. Die zweite Möglichkeit ist, dass ich am Rad sitze und mich über die Hitze beschwere. Die eine Denkweise bringt mich weiter, die andere macht es schlimmer. Am Ende des Rennens bekommt man nicht mehr viel mit, man hat einen Tunnelblick. Im Ziel kommt dann die große Leere. Auf den letzten zwei bis drei Kilometern habe ich zu weinen begonnen. Im Ziel konnte ich aber nicht jubeln, ich bin gleich in die Unterkunft und habe samt Radgewand geschlafen. 

Welche Rolle spielt dabei der Kopf bzw. wie wichtig ist mentales Training?

Kaufmann: Mit 17 Jahren habe ich begonnen, zahlreiche Bücher über Mentaltraining zu lesen und in allen stand im Grunde dasselbe: Es gibt keinen Mental-Schmäh. Und man hört oft: Der Kopf ist das Limit. Das war beim RAAM auch bei mir so. Am fünften Tag wollte mein Hirn etwas anderes als mein Körper. Der Körper, die Muskeln, hätten problemlos weitergeradelt, aber mein Hirn wollte schlafen. Klar gibt es einige Dinge, die helfen. Man kann Ziele visualisieren und sich überlegen, warum man etwas macht. Man sollte sich auch mit eventuellen Problemen beschäftigen und sich der Herausforderung ehrlich stellen. Wenn ich den Linz Marathon laufen will und mir vorher nur denke, die 42 Kilometer werden lässig, dann wird es nicht funktionieren, dann erlebt man definitiv massive Enttäuschungen. Ich bereite mich eher auf richtig schlechte Dinge vor, erstaunlicherweise wird es dann meist besser. Wir sind durch -Gewitter gefahren, wo ich mir dachte, wenn mich jetzt der Blitz erwischt, war es das. Wir hatten schlechtes Wetter, Wind von überall, Hitze und in den Bergen, bis zu über 3.000 Höhenmeter, war es richtig kalt. Doch das habe ich mir alles vorher schon vorgestellt. Mentale Stärke ist vor allem, dass man etwas wirklich von innen will, für das man brennt. Das RAAM war immer schon mein Ziel.
Ich habe es als Geschenk gesehen, daran teilzunehmen.

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