Reinhard Prügl: Die Familie macht den Unterschied
CHEFINFO: Seit wann gibt es ein Institut für Familienunternehmen an der Wirtschaftsuniversität Wien?
Reinhard Prügl: Die Geschichte reicht 15 Jahre in die Vergangenheit zurück. Bereits 2009 etablierte man an der WU Wien ein Forschungsinstitut für Familienunternehmen. Dieses beschränkte sich aber, wie der Name bereits sagt, auf Forschungsaktivitäten. Im Oktober 2023 starteten wir als reguläres Universitätsinstitut, und ich freue mich, dass ich der erste Institutsvorstand sein darf.
Warum entschied man sich, ein eigenes Institut zu gründen?
Prügl: Ganz salopp, weil es eines braucht. Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen ist in Österreich sehr groß. Im engeren Sinn ist jeder zweite Betrieb in Österreich ein Familienunternehmen. Und dabei sind Ein-Personen-Unternehmen nicht inkludiert. Dann wäre der Anteil nämlich über 80 Prozent. Diese Familienunternehmen im engeren Sinne beschäftigen darüber hinaus fast zwei Drittel aller Mitarbeiter und erwirtschaften über die Hälfte der Wirtschaftsleistung. Für die österreichische Wirtschaftsstruktur sind sie also unerlässlich und ihre Bedeutung in der Region ist sehr groß. Bis dato wurde dem Thema auf den Universitäten aber sowohl in Lehre als auch Forschung viel zu wenig Bedeutung eingeräumt. Als ich studiert habe, wurden familienunternehmerische Strukturen und Besonderheiten noch kaum vermittelt, daher bin ich besonders froh, dass die WU sich dem Thema widmet.
Kommen die Studierenden selbst aus Familienunternehmen?
Prügl: Die Studierenden sind bunt gemischt. Das Angebot richtet sich nicht rein an Mitglieder von Unternehmerfamilien. Vielmehr geht es darum, junge Menschen für das Thema Familienbetriebe zu begeistern und auch dafür zu sensibilisieren, was es bedeutet, in einem zu arbeiten. Welche Möglichkeiten, Entwicklungschancen und Herausforderungen haben diese, sind Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen. Am Ende sollen gute Führungskräfte herauskommen, egal ob diese Teil einer Unternehmerfamilie sind oder externe.
Woran forscht das Institut für Familienunternehmen?
Prügl: Die Forschung an unserem Institut geht in viele Richtungen. Wir beschäftigen uns damit, wie sich das Zusammenspiel zwischen Unternehmen und Familie auswirkt. Zum Beispiel wie Entscheidungen dadurch beeinflusst werden. Ein weiteres Forschungsfeld ist das Image von Familienunternehmen. Wie werden sie von außen wahrgenommen und was bewirkt das? Nicht zuletzt beschäftigen wir uns mit dem Thema Unternehmensnachfolge. Wir sehen, dass immer mehr Familienbetriebe keine Nachfolger mehr finden. In Zukunft wird es uns beschäftigen, welche alternativen Nachfolgemodelle es gibt und wie sich diese auswirken werden.
Wie bewerten Sie den Umstand, dass Familienunternehmen Schwierigkeiten haben, Nachfolger zu finden?
Prügl: Jeder Generationswechsel ist eine Herausforderung. Und wenn aus der nächsten Generation niemand an dem Unternehmen und der Arbeit interessiert ist, ist es auch nicht gut, wenn die Kinder dieses übernehmen. Daher kann es für das Unternehmen positiv sein, wenn es veräußert wird und so weiter existieren darf. Was dann häufig in den bisherigen Besitzerfamilien bleibt, ist eine unternehmerische Unruhe. Wir beobachten oft, dass die Kinder aus dem Erlös wieder etwas Neues gründen und aufbauen.
Was unterscheidet Familienunternehmen von anderen Betrieben?
Prügl: Familienunternehmen stellt man sich oft recht klein vor, aber wir müssen uns bewusst machen, dass sie eine große
Vielfalt haben und in jeder Größe, Form und Farbe vorkommen. Das ist der Unterschied zu dem Begriff der KMU. Das Spannende daran ist jedoch, dass es trotzdem ein spezielles Verhalten gibt, das dadurch entsteht, dass eine Familie und ein Unternehmen zusammenwirken. Beispielsweise haben sie eine andere zeitliche Orientierung bei Entscheidungen. Sie planen viel langfristiger. Es gibt das geflügelte Wort: Familienunternehmen denken in Generationen und nicht in Quartalsberichten. Und das sehen wir auch in unseren Studien. Auf der anderen Seite sind sie aber auch in der Lage, schnell Entscheidungen zu treffen, da die Entscheidungsmacht auf weniger Personen gebündelt ist als beispielsweise bei einer Aktiengesellschaft. Und nicht zuletzt gibt es eine besondere Verbindung zur Region, selbst wenn die Unternehmen weltweit agieren. In dieser Treue zum Standort und wie diese Treue kommuniziert wird, unterscheidet man sich zum Beispiel von Startups.
Traditionelle Familienbetriebe gelten als behäbig und wenig modern. Stimmt dieses Bild?
Prügl: Oft haftet Familienunternehmen ein Image an, das als verstaubt und sehr traditionell wahrgenommen wird.
Dass es aber sehr innovative Familienunternehmen gibt, wird da oft übersehen. In vielen Fällen macht auch die Verbindung zwischen Tradition und Innovation Familienunternehmen aus. Um viele Generationen lang am Markt zu bestehen, müssen sich Unternehmen ja weiterentwickeln. Bei den Transformationsprozessen braucht es in Familienbetrieben jedoch häufig etwas Fingerspitzengefühl, um die eigene Identität zu wahren. Immerhin sind die Mitarbeiter relativ lang im Unternehmen. Teilweise haben sie Angestellte, deren Vorfahren schon im Betrieb tätig waren. Diese sind in den Unternehmenskontext eingebunden und Teil der DNA des Betriebs.
Wie laufen Innovation und Transformationsprozesse in Familienunternehmen ab?
Prügl: Sie springen nicht im ersten Moment auf jeden Zug auf. Stattdessen schauen sie sich Entwicklungen genau an, und wenn sie erkennen, dass etwas Sinn macht, sind sie in der Umsetzung besonders dahinter. Daraus resultiert, dass Familienunternehmen häufig früher mit sichtbaren Ergebnissen auftrumpfen. In anderen Unternehmensformen widmet man sich rascher einem Thema, aber nach ein paar Jahren ist dann oft wenig umgesetzt geworden. Vielleicht, weil der Vorstandschef gewechselt hat oder weil bereits das nächste Thema in der Branche diskutiert wird.
Welche positiven Reaktionen rufen Familienunternehmen hervor und können diese einen wirtschaftlichen Vorteil schaffen?
Prügl: In der internationalen Forschung gibt es den Begriff „Family firm branding“. Dabei beschäftigt man sich damit, was passiert, wenn Firmen ihren Status als Familienbetrieb kommunizieren. Beim Kunden schafft dies einen großen Vertrauensvorschuss. Sie haben das Gefühl, dass die dahinterstehende Familie stärker auf die eigene Reputation achtet und auch längerfristiger agiert. Das schlägt sich nieder in einer höheren Zahlungsbereitschaft. Im Schnitt ist sie 10 Prozent höher, variierend je nach Produktkategorie. Auch weil sich Kunden denken, wenn etwas schiefgeht, habe ich jemanden, der dafür verantwortlich ist. Sie gehen davon aus, dass hier Mitglieder der Familie darauf achten, dass die Qualität stimmt oder sie mir schnell helfen. Familienunternehmen werden grundsätzlich als authentisch wahrgenommen. Außerdem stellen sich Menschen, wenn sie den Begriff Familienunternehmen hören, konkrete Personen vor. Oder sie vermenschlichen die gesamte Organisation. Diese Humanisierung bringt mehr Vertrauen.