Nachlass - Vererben, aber wie?
Nach einem Leben mühsamer Arbeit möchten viele ihren Nachkommen etwas hinterlassen. Jedoch kann man sich dabei schnell im Paragrafen-Urwald verlaufen. Vieles ist zu bedenken und zahlreiche Fragen muss man sich vorher stellen: Wie viele Erben habe ich? Welche Gebühren fallen an? Gibt es auch andere Wege als das Testament, mein Hab und Gut zu übergeben? Und welche Rolle könnten die Wahlen im Herbst spielen?
Der letzte Wille
Eine Eigentumsübertragung kann bereits zu Lebzeiten vorgenommen werden oder erst mit dem Tod. Im Grunde hängt der beste Weg von den Wünschen und Vorstellungen der Betroffenen ab. Der „klassische“ Zugang mit einem Testament kann einige Vorteile haben. Einen Grund nennt Rechtsanwältin Michelle Nagl: „Sinnvoll ist eine Regelung durch Testament, wenn der Vermögenswert dem Eigentümer erhalten bleiben soll, so lange er lebt, damit er diesen falls nötig belasten oder gar veräußern kann.“ Friedrich Jank, Präsident der Notariatskammer für Oberösterreich, erkennt ebenfalls Vorteile im Testament, beispielsweise bei der Übertragung einer Immobilie. Denn der Eigentümer einer solchen kann eine Befreiung von der Immobilienertragssteuer in Anspruch nehmen, beispielsweise wenn der Hauptwohnsitz aufgegeben oder ein selbst hergestelltes Haus verkauft wird. „Hier wäre der Verkauf durch den Eigentümer und eine spätere Geldschenkung von Vorteil.“ Jank betont, eine testamentarische Regelung sollte immer der erste Schritt sein: „Ein Testament sollte keine Sache sein, die man überlegt, wenn es einem schon schlecht geht.“ Wenn man Ersparnisse hat, größere Investitionen tätigt oder die Verantwortung für andere Menschen übernimmt, etwa beim Eingehen einer Partnerschaft, sollte man das Testament aktualisieren. „Ein Testament regelt nicht nur den letzten Willen, es ist auch so etwas wie ein Ausdruck von Wertschätzung.“
Kunst des Schenkens
„Man irrt, wenn man glaubt, dass Schenken eine leichte Sache sei.“ Als der Römische Gelehrte Seneca diese Zeile in seiner „De vita beata“ schrieb, bezog er sich nicht auf die rechtlichen Aspekte. Doch zumindest heute sollten auch diese berücksichtigt werden. „Möchte man sein Vermögen bereits zu Lebzeiten ohne geldwerte Gegenleistung übertragen, empfiehlt sich die Schenkung“, erklärt Nagl. Sollen jedoch Gegenleistungen erbracht werden wie Pflegeleistungen oder die Übernahme von Verbindlichkeiten, so handelt es sich um eine Übergabe. „Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten für den Übergeber, sein Wohnrecht, die weitere Betreuung und dergleichen abzusichern.“ Wenn die Nachkommen planen, in ein Haus zu investieren, empfiehlt Jank eine Übertragung unter Lebenden: „Weil bei der Übertragung im engen Verwandtenkreis der Sanierungszustand des Gebäudes bei der Berechnung der Grunderwerbssteuer eine Rolle spielt.“ Außerdem trägt der investierende Angehörige das Risiko und erbringt Leistungen. Ein Grundbucheintrag gibt da Sicherheit.
Generation Patchwork
Bei Geld hört sich die Freundschaft auf. Gelegentlich sogar die Familie. Nagl weiß aus Erfahrung, dass eine geregelte Erbfolge zu Lebzeiten unter Einbindung der Betroffenen zur Vermeidung von Streitigkeiten sinnvoll ist. „Die Umsetzung des letzten Willens kann zusätzlich durch Erbverzichte oder -Pflichtteilsverzichte der Betroffenen zu Lebzeiten des Erblassers ergänzt und abgesichert werden.“ Zu beachten ist, dass diese Erbverzichte oder Pflichtteilsverzichte nur vor Notar oder Gericht rechtswirksam abgeschlossen werden können. Gerade bei Patchworkfamilien sollte man eine Regelung der Verhältnisse priorisieren, denn nicht adoptierte Kinder des Ehepartners haben kein gesetzliches Erbrecht. Unter Umständen ist es sinnvoll, das Vermögen des Erblassers zunächst dem Ehegatten zukommen zu lassen und in weiterer Folge sollen die Kinder nach dem überlebenden Ehegatten das Vermögen erlangen. „Welche Lösung man hier konkret wählt, hängt von den Vorstellungen im Einzelfall ab“, erklärt die Rechtsanwältin.
Die Übertragung des Unbeweglichen
Das Eigenheim ist nicht nur zumeist ein wesentlicher Teil des Vermögens des Erblassers, sondern hat häufig auch emotio-nalen Wert für viele Betroffene. Daher steht häufig der Wunsch im Raum, dass die Immobilie bestimmten Personen zu Wohnzwecken erhalten bleibt und nicht veräußert wird. „In einem Streit zwischen den Erben könnten diese mangels Regelung des Erblassers zu einer Veräußerung an Dritte gezwungen sein“, weiß Nagl, daher ist eine klare Regelung so wichtig. Finanziell ist die Übertragung von Immobilienvermögen an Personen aus dem engeren Verwandtschaftskreis relativ günstig. „Sowohl die Grunderwerbssteuer als auch die Eintragungsgebühr im Grundbuch werden nicht vom Verkehrswert, sondern auf Basis besonderer Wertansätze berechnet“, erklärt Jank. Außerdem wird die Grunderwerbssteuer im Rahmen des Stufentarifs mit einem ermäßigten Steuersatz berechnet.
Rache der Erbschaftssteuer?
Im Zuge des Wahlkampfs wird wieder eine Wiedereinführung der Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer diskutiert. „Gerade aufgrund steigender Staatsausgaben ist eine solche Wiedereinführung in naher Zukunft tatsächlich denkbar“, meint Nagl, „Berichte zeigen, dass anlässlich dieser potenziellen Änderung viele Betroffene bereits jetzt ihre Vermögenswerte übertragen.“ Laut Nagl könnte eine Erbschafts- und Schenkungssteuer zu einer vermehrten Übergabe zu Lebzeiten führen. Außerdem könnte das Modell der Privatstiftung dadurch an Popularität gewinnen, da so Vermögen in der Familie leichter erhalten werden kann. Im Vergleich mit anderen Ländern ist die Eigentumsübertragung in Österreich derzeit recht günstig. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Gebühren weiter sinken werden“, so Jank. Für ihn ist es aber grundsätzlich keine gute Idee, den Zeitpunkt der Übertragung von den Steuern abhängig zu machen. Wenn die Entscheidung, das Vermögen zu übertragen, und die Begünstigten feststehen, lautet seine Empfehlung, die Übertragung zeitnah durchzuführen.
Nagl steht einer Erbschafts- und Schenkungssteuer eher kritisch gegenüber: „Es wäre zu hinterfragen, ob der Inflation nicht mit anderen Mitteln entgegengewirkt werden kann, welche weniger in das Grundrecht des Einzelnen auf sein Eigentum eingreifen.“ Doch noch ist die National-ratswahl nicht geschlagen und die Vorhaben zukünftiger Bundesregierungen liegen im Dunkeln. Ob die Erbschaftssteuer, die 2008 zu Grabe getragen wurde, wieder von den Toten aufersteht, bleibt abzuwarten. Bis dahin kann es dennoch ratsam sein, sich Gedanken über die eigene Hinterlassenschaft zu machen und beizeiten Rat von Experten einzuholen.