Melanie Hofinger: Totgesagte lesen länger
CHEFINFO: Wenn Sie das Jahr Revue passieren lassen: Können Sie der Corona-Krise etwas Positives abgewinnen?
Melanie Hofinger: Selbstverständlich, ich konnte im September zwei neue Buchhandlungen eröffnen. Damit verfolgen wir unsere Vision eines Buch-Nahversorgers. Bücher sind Bildung und Bildung ist unsere Zukunft. Positiv ist auch: Wir haben seit September einen zweiten Lehrling im Betrieb und wir konnten alle unsere Mitarbeiter durch die Krise hindurch beschäftigen und sogar noch welche anstellen.
CHEFINFO: Sie sind 27 Jahre alt und haben zwei traditionelle Buchhandlungen in Linz gekauft. Wie ist es Ihnen in den vergangenen Monaten ergangen?
Hofinger: Traditionelle Buchhandlungen leben von ihren langjährigen Mitarbeitern sowie von ihren Stammkunden. Beides ist eine totale Bereicherung. Mit mehreren eigentümergeführten Buchhandlungen ist es aber gar nicht mehr so einfach für mich, für Kunden und Mitarbeiter immer da zu sein. Nunmehr fünf Standorte zu managen, war eine der ganz großen Herausforderungen.
CHEFINFO: Wie erleben Sie das Krisenmanagement der Regierung?
Hofinger: Es ist für uns alle eine anstrengende Zeit, die viele neue Ideen braucht, um gut über die Runden zu kommen. Für mich gibt es drei Bereiche: das Krisenmanagement des Bundes, das der Länder und jenes der Stadt. Ersteres wirkt für mich sehr chaotisch, hingegen finde ich das Krisenmanagement der Länder als auch der Stadt Linz sehr gut. Die Informationen, die man hier bekommt, funktionieren schnell und sind hilfreich.
Jammern liegt uns nicht. Immerhin befinden wir uns in der größten Gesundheitskrise seit mehr als 100 Jahren.
CHEFINFO: Kontaktloses Abholen war verboten – ist das frustrierend oder macht so etwas kreativ?
Hofinger: Kreativ. Ich finde, es war auch klar, dass dies nicht erlaubt werden konnte. Denn wo wäre denn der Unterschied zu einer normalen Öffnung gewesen? Nur dass der Kunde selbst die Ware nicht angreifen darf, sondern wir ihm diese geben. Ich denke nicht, dass dies mit der Gastronomie vergleichbar ist.
CHEFINFO: Wie hielten Sie im zweiten Lockdown dann Ihre Mitarbeiter und Kunden bei Laune?
Hofinger: Mit vielen kreativen Ideen. Eine ist zum Beispiel unser Buchautomat. Trotz geschlossener Filialen haben meine Mitarbeiter und ich so die Buchbestellungen entgegennehmen und die Wünsche unserer Kunden erfüllen können – natürlich unter Einhaltung aller Vorschriften. So etwas setzt jede Menge positive Energie frei für neue kreative Ideen.
CHEFINFO: Wie wird das Weihnachtsgeschäft?
Hofinger: Anders. Aber „anders“ ist nicht immer gleichbedeutend mit „negativ“. Veränderung ist der Treibstoff für Innovation – und diesen Treibstoff nutzen wir für das Weihnachtsgeschäft. Wir bieten unseren Kunden eine Online-Shopping- Tour auf virtuellen Rundgängen und durch interaktive Buchausstellungen. Jetzt, wo wir nach dem Lockdown wieder persönlich da sein dürfen, bringen wir viel positive Stimmung mit. Jammern liegt uns nicht. Immerhin befinden wir uns in der größten Gesundheitskrise seit mehr als 100 Jahren. Da hilft eben kein Lamentieren, sondern das Beste aus der Situation zu machen. Und zu hoffen, so gesund wie möglich zu bleiben.
Wer glaubt, das haptische Buch werde vom E-Book ersetzt, irrt gewaltig. Klassische Bücher werden nach wie vor gekauft.
CHEFINFO: Die einst kirchliche Buchhandlung Veritas heißt nun Veritas by Melanie Hofinger. Welche Wahrheiten bieten Sie?
Hofinger: Die Wahrheit über den Buchhandel. Es ist eine totgeglaubte Branche, die aber nicht tot ist. Die Branche kommt zurück und ist ein wichtiger Bestandteil des Einzelhandels. Wer glaubt, das haptische Buch werde vom E-Book ersetzt, irrt gewaltig. Klassische Bücher werden nach wie vor gekauft. Und das auch in einem stationären Handel, der Kunden mit Innovationen überrascht.
CHEFINFO: Wird im Lockdown mehr gelesen?
Hofinger: Ja, das Lesen kommt im Lockdown nicht zu kurz. Menschen haben mehr Zeit – Zeit, auch sich selbst wiederzufinden. Auf der Sinnsuche unterstützen oft Reisen in die Fantasie. Abenteuer, die im Kopf beginnen und durch ein gutes Buch ausgelöst werden.
CHEFINFO: Wie legen Sie das nächste Jahr an?
Hofinger: Positiv. Wir reagieren einfach situationsbedingt und spontan. Denn alle Pläne, die nun geschmiedet werden, laufen Gefahr, wieder auf Eis gelegt zu werden, solange es keine Impfung gibt.