Ist das Erfolgsmodell Oberösterreich in Gefahr?
CHEFINFO: Herr Landeshauptmann, Kriege, Donald Trump und Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft. Können Sie noch optimistisch in die Zukunft blicken?
Thomas Stelzer: Unbedingt. Ich wäre an der falschen Stelle, wenn ich nicht auch immer wieder das Positive sehen würde. Gerade weil Sie zu Recht den Blick über die Grenzen hinaus richten: Wenn man erkennt, wie gut es uns hier trotz der Herausforderungen geht, welche Stärke und Kraft wir haben, dann können wir optimistisch sein, dass wir den Standort auch unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen erfolgreich gestalten können. Mit rund 700.000 Beschäftigten verzeichnen wir nach wie vor einen sehr hohen Beschäftigungsstand. Die Inflation ist deutlich zurückgegangen und im Vergleich zu anderen Regionen Österreichs weisen wir eine niedrige Arbeitslosenquote auf. Das sind für mich solide Grundlagen, um die Zukunft trotz der schwierigen Umstände meistern zu können. Allerdings müssen wir auch anerkennen, dass wir nun bereits das zweite Jahr in Folge eine Rezession erleben, von der der Standort Oberösterreich mit seiner starken Industrie besonders betroffen ist. Das sieht man aktuell ja an KTM – da machen wir alles in unserer Macht Stehende, um die Folgen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abfedern zu können. Und, um die Arbeitsplätze in Oberösterreich zu sichern.
Ist das Erfolgsmodell Oberösterreich in Gefahr?
Stelzer: Es muss sich immer wieder neu erfinden. Das war auch in den vergangenen Jahren der Fall. Dafür haben wir hervorragende Voraussetzungen. Für mich ist das Wichtigste, dass wir über ein leistungsfähiges, breit aufgestelltes Bildungssystem verfügen, das insbesondere die berufliche Ausbildung stärkt. Zudem betreiben wir intensive Forschungsaktivitäten und haben eine enge Verzahnung zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft sowie Industrie – ein enormer Standortvorteil. Mit der neuen Universität erhalten wir zusätzlichen Auftrieb, und viele unserer Unternehmen sind international ausgerichtet. All das sind zentrale Bausteine, um auch künftig erfolgreich zu sein.
Welche Hebel braucht es, um den Standort attraktiv zu machen?
Stelzer: Über allem steht, dass die EU wieder viel mehr Standort-Union werden muss. In den vergangenen Jahren wollte man zu viel auf einmal und hat dadurch den Wirtschaftsstandort in Bedrängnis gebracht. Das war ein Fehler. Die EU muss sich gegenüber den anderen Weltteilen stärker positionieren. In Österreich braucht es eine Regierung, die den Wirtschaftsmotor wieder ankurbelt, etwa durch Investitionsanreize. Auch der Umbau des Standorts in Richtung erneuerbare Energien und digitale Transformation wird Unterstützung benötigen. Leistungsanreize sind auch für Mitarbeiter notwendig, die mehr arbeiten wollen. Maßnahmen, die eine neue Regierung rasch umsetzen muss.
Das Budget ist in Nöten. Wo muss Oberösterreich 2025 den Sparstift ansetzen, wo wird investiert?
Stelzer: Es stimmt, die öffentlichen Einnahmen fallen geringer aus und sind in den letzten Tagen überraschend weiter gesunken als prognostiziert. Dennoch werden wir überall dort investieren, wo Konjunkturbelebung stattfinden kann – etwa in Krankenhäuser, Kinderbetreuungseinrichtungen, soziale Wohnbauprojekte oder in den privaten Hausbau. Alles, was unmittelbar vor Ort konjunkturelle Impulse setzt, verdient unsere Unterstützung. Und ja: Angesichts knapper werdender Ressourcen müssen die Verantwortlichen in ihren jeweiligen Ressorts sorgfältig abwägen und Schwerpunkte setzen. Es wird nicht möglich sein, alles gleichzeitig umzusetzen.
Muss der Finanzausgleich neu geregelt werden? Sie haben kürzlich anklingen lassen, dass Sie bei den Verhandlungen dabei sein möchten, weil der Verteilungsschlüssel nicht mehr stimmt.
Stelzer: Unser Steuer- und Finanzsystem ist so aufgebaut, dass der Bund Steuern erhebt und diese Mittel dann auf die verschiedenen Ebenen – Gemeinden, Länder und Bund – verteilt, damit diese ihre Aufgaben erfüllen können. Nun gibt es zwei Bereiche, die bei uns besonders dynamisch wachsen, bedingt durch die Entwicklung unserer Bevölkerung: Das sind der Gesundheitssektor mit den Krankenhäusern sowie der Pflegebereich. Leider wachsen die dafür zur Verfügung stehenden Mittel nicht in gleichem Maße mit. Das sind Bereiche, in denen wir nicht reformieren oder kürzen können, da sie aufgrund des Bevölkerungswachstums zwingend ausgebaut werden müssen. Daher fordern wir auf Landesebene eine Neuverteilung der gemeinsamen Steuereinnahmen, um diesen Herausforderungen gerecht werden zu können.
Sollten Länder nicht ihre eigene Steuern einheben dürfen?
Stelzer: Ich bin für diese Diskussion sehr offen. Ich weiß natürlich, dass eine solche Umstellung eine große Herausforderung wäre. Ein System, in dem die Bundesländer ähnlich wie die Kantone in der Schweiz eigene Steuerhoheit haben, hätte durchaus Vorteile für uns. Allerdings muss man dabei einige Aspekte berücksichtigen: Zum einen würde der Wettbewerb zwischen den Bundesländern durchaus Risiken beinhalten. Zum anderen müsste man das bestehende System entsprechend umbauen, was auch einen gewissen Verwaltungsaufwand zur Folge hätte, da Steuereinhebung und -verwaltung nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen wären. Insgesamt glaube ich daher, dass die praktischen Vorteile, die man sich theoretisch von einem solchen Modell erwarten könnte, in der Realität doch etwas geringer ausfallen würden.
Aber es wäre dann das eigene Steuergeld, das man einzuheben und zu verwalten hat.
Stelzer: Ja, das stimmt. Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass der Steuertopf des Bundes ebenfalls zu einem großen Teil aus Mitteln besteht, die in Oberösterreich erwirtschaftet werden. Schließlich ist unser Bundesland mit seiner starken Wirtschaft ein bedeutender Steuerzahler. Insofern ist in diesem Topf durchaus viel „Oberösterreich-Geld“ enthalten, auch wenn die einzelnen Euro-Beträge nicht entsprechend gekennzeichnet sind.
Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker hat eine Nulllohnrunde für öffentlich Bedienstete vorgeschlagen. Jetzt hat man sich auf 3,5 Prozent Erhöhung geeinigt. Wäre Ihr Vorschlag angesichts der prekären Haushaltslage nicht ein wichtiges Signal gewesen?
Stelzer: Ich halte von diesem Vorschlag nichts. Stattdessen plädiere ich dafür, in den Gehaltsverhandlungen vertretbare und maßvolle Abschlüsse zu erzielen. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst genau die gleichen Herausforderungen und Bedürfnisse haben wie Beschäftigte in anderen Bereichen. Auch für sie steigen die Lebenshaltungskosten jährlich. Zum Zweiten dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass wir im öffentlichen Dienst in einem enormen Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte stehen. Wenn wir den Beschäftigten signalisieren, dass die Vergütung nicht attraktiv ist, werden wir Schwierigkeiten haben, gutes Personal zu gewinnen. Dabei brauchen wir gerade im öffentlichen Sektor leistungsfähige Mitarbeiter, damit die Verwaltungsabläufe reibungslos funktionieren und die Systeme effizient bedient werden können.
Aber hat sie nicht einen Punkt, wenn sie sagt, dass die Jobs im öffentlichen Dienst dafür sicher sind?
Stelzer: Wir können den öffentlichen Dienst als sicheren Arbeitgeber in der Personalbeschaffung nicht mehr als großen Vorteil vermarkten. Bewerber haben heute andere Prioritäten. Der Arbeitsmarkt bietet den Menschen aktuell so viele Möglichkeiten, dass sie sich die Arbeitgeber genau aussuchen können.
Kommen wir zu den Regierungsverhandlungen. Sind Sie als Vorsitzender der Landeshauptmann-Konferenz eingebunden?
Stelzer: Also, wir haben gemeinsam mit den anderen Bundesländern eine Liste mit Forderungen erarbeitet, die wir gerne von einer neuen Bundesregierung umgesetzt sehen würden. Das sind Dinge, die wir in den Ländern benötigen. In meiner Partei bin ich eng in diesen Prozess eingebunden, da es hier immer wieder Entscheidungen zu treffen gilt.
Sind die drei Verhandlungspartner mit ihren zum Teil sehr unterschiedlichen politischen Positionen zum Erfolg verdammt?
Stelzer: Es besteht der Wille, zu einem Abschluss und zu einer erfolgreichen Regierungsbildung zu kommen, aber es gibt keine Garantie für den Erfolg. Wir sehen die Chance, mit Karl Nehammer wieder einen Bundeskanzler aus unseren Reihen zu stellen. Unser Ziel ist es natürlich, dass viele der Punkte, die der Standort Österreich jetzt braucht und die wir vorschlagen, auch tatsächlich in das Regierungsprogramm aufgenommen werden.
Warum funktioniert eine Zusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ in den Ländern und nicht im Bund?
Stelzer: Ich kann es nur immer wieder betonen, dass es natürlich sehr stark von den handelnden Personen und deren Aufgaben sowie Kompetenzen abhängt. Ein Programm muss passen und die Beteiligten müssen gut zusammenarbeiten können. In Oberösterreich funktioniert das nach wie vor gut, auch nach vielen Jahren. Auf Bundesebene kann sich die ÖVP unter Führung unseres Bundeskanzlers eine Zusammenarbeit mit bestimmten Personen jedoch nicht vorstellen. Wenn ich mir die Auftritte seit der Wahl anschaue, etwa das Thema „Orbán im Parlament“, scheint diese Einschätzung durchaus nachvollziehbar.