Künstlicher Instruktor - KI und Wissensvermittlung
KI hat in kürzester Zeit viele Bereiche unseres Lebens durchdrungen. Wir haben KI-Assistenten in Suchmaschinen, am Smartphone oder im Auto. Sie unterstützt uns beim Abnehmen, Trompetespielen und natürlich auch beim Lernen. KI weiß, wie lernen geht, schließlich musste sie selbst einmal trainiert werden. Eine „starke KI“ oder auch „Superintelligenz“, die sich selbst trainiert, eigenständig Schlüsse zieht und universell einsetzbar ist, gibt es derzeit nur in der Theorie oder in der Science-Fiction. „Data“ aus der Serie Star Trek oder der „Terminator“ wären Beispiele dafür. Dennoch haben die aktuellen generativen KI-Modelle bereits das Potenzial, die bisherige Art der Wissensvermittlung zu „terminieren“.
Von der Gefahr zur Chance
Mit dem Launch von ChatGPT und der damit verbundenen Öffnung von KI für alle, waren es vor allem Schüler und Studierende, die als „early adopter“ sofort das Potenzial erkannten. Mit KI wurden Hausübungen erledigt, Referate verfasst, Bachelor- und Masterarbeiten geschrieben. Der erste Reflex seitens der Lehrkräfte war der Ruf nach einem strikten Verbot. In nur wenigen Monaten hat sich dieser Trend nun umgekehrt. Man erkannte die Chancen. Das Bildungsministerium startete sogar eine KI-Offensive. Rund 100 Schulen in Österreich werden zu KI-Pilotschulen, bekamen KI-Lernsoftware und ein Projektbudget. Diese Schulen sollen Chancen und Grenzen von KI im Bildungssystem aufzeigen. Begleitet werden die Pilotschulen von Universitäten und pädagogischen Hochschulen, die wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für einen künftigen kompletten Roll-out erstellen sollen.
Demokratisierung der Wissensvermittlung
KI ist gekommen, um zu bleiben, und zog rasch in die Wissensvermittlung ein. Der öbv (Österreichischer Bundesverlag Schulbuch) veröffentlichte kürzlich ein Whitepaper mit dem Titel: „KI im Klassenzimmer: Wie künstliche Intelligenz Bildung verändert“. Befragt wurden Schüler und Lehrpersonal. 74 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass KI in den nächsten zehn Jahren zu einem selbstverständlichen Teil des Unterrichts wird. 56 Prozent halten den Einsatz allerdings erst ab Sekundarstufe II für sinnvoll. Rund die Hälfte der befragten Lehrkräfte sieht KI im Umgang mit heterogenen Klassen hilfreich an, wenngleich 54 Prozent von ihnen die KI-Kompetenz der Schüler noch für unterdurchschnittlich einschätzen. Spannend auch, dass 57 Prozent der Lehrkräfte KI als Gefahr für die Bildungsgerechtigkeit sehen. Christina Hauer, Geschäftsführerin des öbv, betont: „Alle Beteiligten sind gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Schüler den bestmöglichen Umgang mit der neuen Technologie erlernen.“
Perfektion braucht „echte“ Lehrer
KI in der Wissensvermittlung bietet im Gegensatz zu „Frontalunterricht“ einen zentralen Vorteil: Wissen wird „demokratisiert“ und individualisiert. Das wird mit den unzähligen Lern-Apps deutlich. Die ersten Apps, die KI nutzten, setzten auf den Musikunterricht. Heimische Startups wie die Gitarrenlern-App fretello standen an vorderster Front. Mittlerweile liegt der Fokus auf dem Sprachunterricht. Zu den Etablierten wie babbel oder Duolingo, die ihre Dienstleistung mit KI-Tutoren bzw. Avataren ausstatteten, gesellen sich neue hinzu. Preply, Rosetta Stone und Produkte, die auf ChatGPT zurückgreifen wie TalkPal oder Praktika, setzen auf Konversation. In Dialogen mit dem Avatar können gezielt ausgewählte Themenkreise wie Wirtschaft, Politik oder Sport absolviert werden. Der Avatar gibt Tipps, wie man Phrasen oder Vokabel besser ausdrückt, und korrigiert Fehler. Der Vorteil: Die Avatare erkennen durch geschickte Fragen sehr rasch das Sprachniveau der Schüler. Unter- oder Überforderung scheinen damit ausgeschlossen. KI erkennt bzw. lernt das Niveau und holt Lernende dort ab, wo sie stehen, egal in welchen Fächern. Mittlerweile gibt es für so ziemlich jedes Fach KI-gestützte Lernhilfen. Wer es jedoch zur Perfektion bei Gitarrensoli oder auf Native-Speaker-Niveau bringen will, der wird nach wie vor auf „echte“ Lehrer zurückgreifen müssen. KI-gestützte Lernplattformen zielen auf die breite Masse ab.
Demokratisierung des Lernprozesses
Dazu kann KI den Lernprozess effizienter gestalten. Hunderte Seiten von Skripten und Lernunterlagen werden mit KI-Tools wie „Learnboost“ auf den Punkt gebracht. Das bei Studierenden beliebte KI-Tool bietet zudem einen Tutor, der offene Fragen ohne langwierige Recherche klärt. KI verkürzt auch die Vorbereitungszeit von Trainern in der Erwachsenenbildung oder Mitarbeiterschulungen. BSH (Bosch) mit seinen 60.000 Mitarbeitern weltweit setzt bei der Wissensvermittlung Videos und Clips ein. Das Problem: Die Produktion war aufwendig und es mussten mehrere Sprachversionen gedreht werden. Man setzte auf ein Text-to-Video-KI-Modell von synthesia. Schulungstexte wurden mit KI optimiert, KI erstellte die Grafiken und der Text wird über einen Avatar gesprochen – in allen Sprachen. Die Kosten sanken um 70 Prozent, das Engagement der Lernenden stieg um 30 Prozent.
Schulungsunterlagen in Minuten
Mittlerweile gibt es eine Fülle von KI-Tools zur Mitarbeiterschulung, die es selbst kleineren Unternehmen ermöglichen, rasch und kostengünstig Schulungsmaterial zu erstellen. Produkte wie Coursebox gehen einen Schritt weiter. Es bietet ein KI-Nachhilfetool und Quizze, um das Wissen der Teilnehmer abzufragen. Große Konzerne wie Coca-Cola oder Audi setzen auf EdApp. Das Tool verfügt bereits über eine Bibliothek von mehr als 1.000 Kursen, die an das jeweilige Unternehmen angepasst werden können. Anwendungen wie croq oder Courseau erstellen Schulungsunterlagen und -videos in kürzester Zeit. Mit nur wenigen Fragen zu den Inhalten, der Zielgruppe oder den Lernergebnissen entstehen innerhalb von Minuten professionelle Unterlagen, die dann nach Belieben angepasst werden können. KI stellt damit die klassische Form der Wissensvermittlung auf den Kopf, denn nun können die Lernenden selbst entscheiden, wann sie welche Inhalte wo lernen wollen, ob in der Schule, auf der Uni oder in Unternehmen.