Kaufhaus Österreich: Ein Bärendienst für den Digitalstandort
Die Ende November gestartete Suchplattform „Kaufhaus Österreich“ wird eingestellt, teilte Bundesministerin Margarete Schramböck am Dienstag dieser Woche mit. Das Scheitern ist damit offiziell und die Häme groß. Dabei war der Wunsch, dem schwer betroffenen stationären Einzelhandel in der größten Wirtschaftskrise der 2. Republik unter die Arme greifen zu wollen, legitim. Von Bekleidung, über Sportartikel und Elektronik bis hin zu Möbel - nahezu jedes Produkt lässt sich heute bequem von der Couch online bestellen. Dieser Trend hat sich im letzten Jahr dramatisch verstärkt: Der Händler ums Eck musste die Rollläden für Monate Lockdown-bedingt unten lassen, die Online-Riesen und Paketdienste hingegen kamen mit dem Liefern kaum nach. Manche sprechen daher von 2020 als dem Jahr des "Post"-Kapitalismus. Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit wurden so viele Pakete durch die Gegend geschickt wie im Vorjahr. Das sind Umsätze, die dem Einzelhandel fehlen. Was liegt also näher, eine österreichische Variante von Amazon und Google ins Leben zu rufen, auf der tausende heimische Händler ihr Angebot online stellen können? Motto: „Ich kauf regional. Das geht jetzt auch digital.“ Doch statt Kaufrausch im „Kaufhaus Österreich“ gab es Shoppingfrust: Wer beispielsweise nach Büchern für Weihnachten in Wien suchte, konnte bei einem Modellbaugeschäft oder einem Onlineshop für Legoteile in der steirischen Pampas landen. Die Website war gefällig, aber unbrauchbar. Am Ende erwies sich das geplante Langzeitprojekt, mit dem man gegen Amazon-Gründer Jeff Bezos antreten wollte, als wirtschaftliche Eintagsfliege.
Was lief schief?
Neben den handwerklichen Schnitzern liegen die Gründe für den Bauchfleck vor allem in elementaren Denkfehlern gepaart mit Selbstüberschätzung und einem gerüttelt Maß an Autosuggestion. Wer nicht nur Wirtschaftsministerin ist, sondern auch dem Digitalministerium vorsteht und den Präsidenten der Wirtschaftskammer an seiner Seite weiß, dürfte vielleicht weniger von Selbstzweifeln geplagt werden als ein Jungunternehmer, der sich gerade bei der Bank für einen Kredit anstellt. Was kann da also schon schiefgehen? Beide Organisationen haben üppig Mittel und Ressourcen zur Verfügung, Zugriff auf Experten und Thinktanks. Und „Digitalisierung“ war über Jahre das Zauberwort schlechthin. Wer als Politiker täglich dutzendmal von der Bedeutung der "Digitalisierung" spricht, glaubt am Ende vielleicht selbst daran, nicht mehr weit weg von der digitalen Elite aus dem Silicon Valley zu sein. Dabei haben die Digitalkonzerne mit ihren übertriebenen Heilsversprechen selbst ein Glaubwürdigkeitsproblem, wie Stephan Sigrist vom Schweizer Denkfabrik W.I.R.E. sagt: „Die Digitalisierung hat enttäuscht. Das war schon vor Corona absehbar, aber die Pandemie hat es noch deutlicher offenbart.“ Als Beispiel nennt er den Nutzen des digitalen Contact-Tracing durch die "Stopp Corona"-App, der nicht nur in Österreich mehr als bescheiden ist. Technologischer Fortschritt allein reicht eben nicht aus, um komplexe Herausforderungen zu bewältigen, schon gar nicht im Umgang mit der Pandemie.
Im Unterschied zum privaten Risikokapital, das beim Aufbau einer Firma verwendet wird, fließt bei staatlichen Projekten Steuergeld. Geht es schief, verschwindet das Unternehmen in der Versenkung, die politischen Akteure stehen aber in der Auslage.
Kundenservice und Digitalisierung
Der Onlinehandel als Geschäftsmodell ist ebenfalls eine komplexe Herausforderung, bei dem die Beherrschung mehrerer Disziplinen gefordert ist. Mit der Digitalisierung einzelner Prozesse, geschweige denn mit der Etablierung einer Plattform mit Links zu regionalen Shopping-Adressen ist es nicht getan. Wenn im Kampf gegen die Pandemie Verhaltensänderungen des Einzelnen entscheidend für den Erfolg sind, dann gilt das auch für den einzelnen Händler im Kampf gegen die Online-Riesen: Wer seine Hausaufgaben in den letzten Jahren nicht gemacht hat, den wird auch eine noch so gute staatlich geförderte Shoppingplattform nicht retten. Auf der anderen Seite besteht bezüglich Amazon ein weit verbreitetes Missverständnis: Der globale Erfolg des US-Giganten liegt nicht primär in den digitalen Prozessen, sondern im Kundenservice und im plattformübergreifenden, kostenpflichtigen Dienst Amazon Prime. Prime-Kunden profitieren von schnelleren Lieferzeiten, sowie von Musik- und Videostreaming. Man mag Amazon lieben oder hassen – unbestritten ist die unternehmerische Lebensleistung des Gründers Jeff Bezos, der vor mehr als 20 Jahren in einem kleinen Büro saß und online Bücher verkaufte.
Die Lehre aus dem Debakel
Wenn es eine Lehre aus dem „Kaufhaus Österreich“-Debakel gibt, dann diese: Der Staat soll optimale Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen, aber nicht wie ein Unternehmer agieren. Im Unterschied zum privaten Risikokapital, das beim Aufbau einer Firma verwendet wird, fließt bei staatlichen Projekten Steuergeld. Geht es schief, verschwindet das Unternehmen in der Versenkung, die politischen Akteure stehen aber in der Auslage. Schramböck und Mahrer haben also dem Digitalstandort Österreich einen Bärendienst erwiesen. Denn das Bild, das im Ausland und bei Investoren vermittelt wird, ist nicht gerade vorteilhaft. Dabei hat Österreich herausragende IT-Unternehmen, die Ausbildungsstätten für Informatik & Co spielen international ganz vorne mit und Finanz Online als digitales Vorzeigeprojekt in der Verwaltung ist europaweit beachtet. Wenn also Ministerin Schramböck aus Fehlern lernen will, dann sollte sie Steuergeld künftig besser investieren und die Finger von solchen Projekten lassen.