Inklusion im Lockdown: Besonders betroffen
Die Werkstätten der Caritas haben eine wichtige Funktion: Sie schaffen nicht nur Tagesstruktur für Menschen mit Beeinträchtigungen, sie werden dort auch gefördert und gefordert, können Arbeitserfahrungen sammeln und vor allem auch Beziehungen aufbauen. Montage- und Verpackungsarbeiten im Auftrag von Fremdfirmen zählen ebenso zum Arbeitsalltag wie die Förderung der Kreativität bei der Erzeugung eigener Produkte. Das Team von Barbara Freydorfer betreut 272 Menschen an insgesamt drei Standorten in vier Bezirken. Normalerweise. Denn vor fast genau einem Jahr ist die alte Normalität zum Stillstand gekommen. Im März mussten fast über Nacht alle Werkstätten geschlossen werden, die Menschen mit Beeinträchtigungen mussten zu Hause oder in ihren betreuten Wohngemeinschaften bleiben. Bis Juni. Eine sehr lange Zeit, die sich in mehrerer Hinsicht nachteilig ausgewirkt hat.
Verlorene Kunden
„Die Schließung hat vor allem auch die Kooperationsfirmen betroffen, denen wir mitteilen mussten, dass wir die externen Aufträge nicht mehr weiter bearbeiten können“, berichtet Freydorfer. Das wurde von einigen Firmen als großer Vertrauensbruch erlebt. „Die Firmen selbst hatten ja weiter offen, gerade im Industriebereich. Ein Teil dieser Aufträge wurde dann ins Ausland abgegeben. Die sind für uns verloren. In der Werkstätte Andorf stehen jetzt 30 Menschen mit Beeinträchtigung ohne Arbeit da.“
Verlorene Zeit
Noch schlimmer als die verlorenen Aufträge ist aber die verlorene Zeit für die betroffenen Menschen mit Beeinträchtigungen. „Menschen mit Beeinträchtigungen brauchen eine Struktur und Rituale. Sie lieben es, bei uns ritualisiert ihre Tätigkeiten durchzuführen“, erzählt Freydorfer. Und sie brauchen die Herausforderung: „Wir haben bemerkt, wie rapide einige der Menschen mit Beeinträchtigungen abgebaut haben in ihren Fähigkeiten, in ihrer Ausdauer und ihrem Arbeitsverhalten. Wir haben im Jahr 2020 noch nie so viele Menschen mit Beeinträchtigungen in Pension geschickt wie nach dem Lockdown, weil es nicht mehr möglich war, dass sie ins Arbeitsleben zurückkommen.“
Verlorene Struktur
Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten aber nicht nur in Werkstätten, sondern zum Teil auch in externen Unternehmen. Dabei werden sie von Mitarbeitern der Caritas begleitet. Auch in diesem Bereich mussten viele der von der Caritas betreuten Menschen zu Hause bleiben und hatten mit der Isolation zu kämpfen, wie Ottilie Maier, Teamleiterin Integrative Einzelarbeitsplätze, berichtet: „Sie haben zum Teil große soziale Netze in den Firmen aufgebaut.
Dort haben sie Wertschätzung erlebt und ihre Fähigkeiten einsetzen können – das war schon immer ein großer Gewinn für sie.“ Auch die Jugendlichen, die von der Caritas auf ihrem Weg in den ersten Arbeitsmarkt begleitet werden, hatten mit dem Wegfall der gewohnten Strukturen zu kämpfen, wie Edgar Gratzer, Caritas-Bereichsleiter für Arbeit und Ausbildung, berichtet: „Es geht darum, gebraucht zu werden. Jemand zu sein, Teil einer Gesellschaft oder größeren Einheit zu sein. Viele haben jetzt das Gefühl, dass sie Zeit verlieren – die Jugendlichen sind bei uns nur drei Jahre in Betreuung. Die Krise dauert aber jetzt schon ein Jahr. Aber es ist ein wesentlicher Teil, rauszugehen und einem Unternehmen zu zeigen, was man kann.“ Diese Chance, sich zu beweisen, erhalten viele der Jugendlichen derzeit aufgrund der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen nicht.
Kreative Lösungen
Umso kreativer hat man bei der Caritas im vergangenen Jahr daran gearbeitet, die Menschen mit Beeinträchtigungen durch diese schwere Zeit zu begleiten. „Wir haben aus der Krise gelernt, noch innovativer zu denken“, stellt Freydorfer fest. Einerseits hat man neue (elektronische) Kommunikationswege beschritten, um die Klienten zu erreichen, andererseits hat man auch Lösungen gefunden, die externen Aufträge auch im Lockdown weiter erfüllen zu können. Die Aufgaben werden nun so aufbereitet, dass sie von den Menschen mit Beeinträchtigungen selbstständig zu Hause abgearbeitet werden können. Und auch was die weggefallenen Aufträge betrifft, so gibt es auch hier schon ein paar spannende, neue Alternativen: „Wir haben am Froschberg ein Café übernommen, das wir führen werden, sobald wir wieder aufsperren dürfen. Das wird dann auch von Menschen mit Beeinträchtigungen betrieben. Und wir gehen auch eine Kooperation mit einer kleinen Brauerei ein.“ So gesehen ist die Krise vielleicht auch für Menschen mit Beeinträchtigung eine Chance.