Gebremster Bauboom
Selten zuvor war in der oberösterreichischen Landeshauptstadt mehr Stadtentwicklung angesagt als heute. Am sichtbarsten findet Veränderung der Donau entlang Richtung Hafen statt. Dort ist auch aktuell eine der größten Baustellen der Stadt zu finden: Am Gelände der Tabakfabrik Linz entsteht mit dem vierteiligen Gebäudeensemble ein „neuer offener Stadtteil“, der ein Hotel (Arcotel), Büro- und Handelsflächen sowie Gastronomie beinhaltet. Mit dem 109 Meter hohen Quadrill-Tower wächst das höchste Gebäude von Linz im Wochenschritt in den Himmel. Auf einer Bruttogeschoßfläche von 85.000 Quadratmetern sollen am Areal neben den ausvermieteten Flächen in den denkmalgeschützten Gebäuden der historischen Tabakfabrik zusätzlich 1.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Die Fertigstellung des 190-Millionen-Investments ist laut der ausführenden Bodner-Gruppe Ende 2025 geplant.
Fußball, Möbel und Büros
Einige Gehminuten entfernt befindet sich das Hofmann Personal Stadion des FC Blau Weiß Linz. Es wurde im Juni mit einem Match gegen den PSV Eindhoven eröffnet – nur wenige Monate nach der Fertigstellung der Raiffeisen Arena auf der Linzer Gugl. Der Baukomplex im Nahbereich der Eisenbahnbrücke ist ein architektonisches Schmankerl. Die Arena befindet sich am Dach des neuen Möbellagers, das Teil des angrenzenden XXXLutz-Neubaus ist. „Das Projekt ist ein Meilenstein. Alle Bereiche unserer Firma geben Vollgas und es wird mit Sicherheit das modernste, schönste und beste Möbelhaus Europas werden“, geizt Unternehmenssprecher Thomas Saliger nicht mit Superlativen. Die Eröffnung des mit 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche fast doppelt so großen Stores wie jenem am aktuellen XXXLutz-Standort in der Goethestraße ist im Sommer 2024 geplant. Nach der Übersiedelung startet am alten Standort der Bau Raiffeisen Campus der RLB Oberösterreich. Eine Sanierung des rund 45 Jahre alten Stammhauses am Linzer Südbahnhofmarkt „lohnt sich aus baulicher Sicht“ nicht, heißt es aus der Bank. Fertigstellung ist 2025 geplant. In der neuen Konzernzentrale der Bank sollen ebenfalls 1.000 eigene Mitarbeiter Platz finden.
Boulevard der Innovationen
Zurück zur sogenannten „digitalen Meile“ an der Donau, wo 110 IT-Unternehmen mit rund 3.000 Mitarbeitern ihren Sitz haben. Eines davon ist das neue MIC Headquarter, das in der Lederergasse/Ecke Köglgasse auf fünf Etagen rund 500 Bediensteten mit Hybrid Working, Kreativräumen mit Wohnzimmeratmosphäre und einem Gastronomiebereich ein neues Arbeitsfeeling bieten will. MIC ist ein weltweit führender Anbieter für globale Zoll- und Exportkontroll-Softwarelösungen. Rund 1.000 Spitzenkräfte aus aller Welt sollen sich im siebenstöckigen Erweiterungsgebäude des Engineering-Headquarters von Dynatrace wohlfühlen, das von Neuson Real umgesetzt wird. „Unsere städtebauliche Kommission sieht im Dynatrace-Areal einen Boulevard der Innovationen, der hier entstehen kann. Auch in der Petzoldstraße entlang dem Schlachthofareal bis zur Tabakfabrik wird ein hohes Entwicklungspotenzial für die IT-Branche gesehen“, sagt Planungsstadtrat Dietmar Prammer. Befeuert wird diese Entwicklung mit der Gründung und dem Bau der neuen Digitaluniversität, die jetzt offiziell den Namen IT:U trägt. Auf sieben Hektar Fläche in räumlicher Nähe zur Universität am nordöstlichen Stadtrand in Urfahr soll die Digitaluni nicht nur ein eigenes Gebäude erhalten, es wird auch eine gemeinsame Vision für das Univiertel angedacht – mit „Bildung/Forschung, neuen Arbeitswelten und viel Grünraum“.
„Manhattan“ an der Donau
Technikaffin ist die ebenfalls von Neuson Real um 100 Millionen Euro errichtete Techbase in direkter Nachbarschaft zum WIFI Oberösterreich und zur ÖAMTC-Zentrale. Die als großzügiger Campus angelegte Gewerbeimmobilie bietet Raum für rund 2.800 Arbeitsplätze. In unmittelbarer Nähe baut die Linz AG um 58 Millionen Euro am Areal des 2020 Pleite gegangenen Fensterherstellers Wick & Söhne die neue Zentrale der Linz Netz GmbH. Inkludiert sind ein Umspannwerk, Serverräume, eine Fernkältezentrale und ein Bürogebäude für rund 340 Mitarbeiter. Fertigstellung: 2024. In Sichtweite ragen am Bulgariplatz Baukräne in die Höhe, wo bis Herbst 2025 der 66 Meter hohe Wohnturm High Five mit 328 Wohneinheiten gebaut wird. Die schwierige Planungs- und Genehmigungsphase des ehemaligen „Bulgari-Tower“ zog sich mehr als zehn Jahre hin. Hinter dem Projekt stehen die Entwickler STC Development und Roombuus im Auftrag der deutschen ZBI Gruppe. Investitionsvolumen: 50 Millionen Euro. Grünes Licht gibt es auch für die Swietelsky Firmenzentrale im Industriegebiet der Stadt zwischen Boschweg und Sankt-Peter-Straße. Architekt des 20-stöckigen „Leuchtturms“ ist der in Paris lebende Österreicher Dietmar Feichtinger. Gebaut wird der 75 Meter hohe Büroturm in Holz-Beton-Hybridbauweise. In puncto erneuerbare Energien und New Work soll das Gebäude alle Stückerl spielen. Eine Einreichung für die finale Baubewilligung ist im Frühjahr 2024 geplant.
Ende der ungetrübten Baulaune
Zu den Stadtentwicklungsprojekten mit sichtbaren Baufortschritten zählt das Projekt Neuland im Hafengebiet. Es umfasst die Expansion des Hafens in Richtung Logistik und Dienstleistung, eine städtebauliche Aufwertung des Stadtteils und die Schaffung von Raum für die öffentliche Nutzung. Im Herbst wurde der Hafenpark mit dem Aussichtsturm eröffnet. Insgesamt investiert die Linz AG in das Projekt 116 Millionen Euro. Für das Hotel Hafenturm, ein 60 Meter hoher Koloss an der Industriezeile und wichtige Landmark im Hafenprojekt, sollte heuer noch der Spatenstich stattfinden. Doch das 2020 präsentierte Hotelprojekt von Pichler & Traupmann Architekten bleibt weiter in der Warteschleife. Es fehlt ein Investor.
Ruhig geworden ist es auch um den Trinity Park am Nestlé-Gelände im Franckviertel beim Design Center und ORF-Landesstudio. Der Wiener Immobilienentwickler Vermehrt hat das Areal erworben und den öffentlich zugänglichen Campus mit den drei markanten Türmen im Vorjahr präsentiert. Auf Anfrage der Redaktion zum aktuellen Projektstatus gab es keine Antwort. „Wir sehen aufgrund der gestiegenen Zinsen und der Baukosten ein gewisses Abwarten bei Projekten. Aus der Sicht der Stadtplanung gäbe es grünes Licht, aber aufgrund der Marktsituation stehen die Projektentwickler auf der Bremse“, sagt Stadtrat Prammer. So könnte beim Prestigeprojekt Post City Gardens beim Hauptbahnhof bereits nächstes Jahr mit dem Abbruch des Altbestands begonnen werden. „Das Interesse von potenziellen Investoren ist nach wie vor groß. Leider lässt es die derzeit schlechte Immobilienkonjunktur nicht zu, dass wir für dieses hochattraktive innerstädtische Quartier auch Investitionsangebote in angemessener Höhe bekommen“, sagt Michael Ullrich, Leiter Konzernimmobilien der Österreichischen Post AG, auf Anfrage. Vor dem Hintergrund der äußerst schwierigen Rahmenbedingungen geht Ullrich dennoch davon aus, voraussichtlich 2025 mit den Abbrucharbeiten starten zu können. Der riesige Pluspunkt der Post City ist die unmittelbare Nähe des Bahnhofs. Gutes öffentliches Verkehrsnetz mit optimalen Anschlussmöglichkeiten sucht man an der digitalen Meile mit seinen „High Potentials“ aus aller Welt vergeblich. Dass man mit dem Bau der neuen Eisenbahnbrücke nicht gleich die Stadtbahn mitgebaut hat, ist ein großes Manko. „Stadtentwicklung ist nie perfekt, sondern immer ein Lernprozess. Zurückblicken im Zorn bringt keinem etwas. Jetzt gilt es, die Chancen der Stadtbahn zu nützen und umzusetzen“, sagt Stadtentwickler Andreas Kleboth.