Fußballklubs sind digitaler als viele Unternehmen
CHEFINFO: Was kann man aus der Fußballwelt für die Wirtschaftswelt lernen?
Lukas Kragl: Fußball ist eine perfekte Schule fürs Leben. Man arbeitet mit den verschiedensten Charakteren zusammen. Man muss den Zeugwart richtig packen, um mit ihm gut auszukommen, mit der Physiotherapeutin, dem Präsidenten, den Trainern und vor allem den unterschiedlichsten Spielern. Man lernt den Umgang mit anderen Sprachen und Kulturen. Ich hatte Mitspieler aus Spanien, Italien, Afrika, Brasilien und anderen Regionen. Man nimmt sich aus jeder Kultur das Positive für sich heraus. So wie jedes Unternehmen eine andere Kultur hat, so unterschiedlich ist auch die Vereinskultur. Im Fußball, wie in der Wirtschaft, braucht es einen kreativen Freiraum und man muss gleichzeitig als Team funktionieren. Außerdem sind in den Klubs viele Alphatiere unterwegs und man lernt, wie man mit ihnen richtig umgeht. Dazu kommen Disziplin, Zielstrebigkeit, Struktur und eine intrinsische Motivation. Sportler wollen weiterkommen, egal in welcher Sportart, egal ob im Spitzen- oder Breitensport. Dieses Mindset tragen sie auch in ihren Beruf hinein. Oft werden Fußballer belächelt. Sie werden nicht gerade mit Raketenwissenschaftlern gleichgesetzt. Dabei ist es in ihrer DNA, dass sie sich weiterentwickeln wollen. In meinen beruflichen Stationen war immer Führungsqualität gefragt. Die Firmen sahen, dass ich aus dem Spitzensport komme, und erkannten die Chance dahinter.
Was ist der gravierendste Unterschied zwischen dem Profifußball und dem Unternehmertum?
Kragl: Die Fußballwelt dreht sich um ein Hauseck schneller als die Wirtschaftswelt. Jede Saison ist wie ein Neustart. Wie ist die finanzielle und wirtschaftliche Lage im Verein? Dazu kommen Faktoren, die man nicht beeinflussen kann. Fußballvereine brauchen ein anderes Krisenmanagement. Ein Verein muss schon gut aufgestellt sein, wenn jeder gut schlafen will. Der Druck auf Spieler und Funktionäre ist enorm. Zurücklehnen und sich ausrasten geht fast nicht. Jedes Jahr kämpfen viele Klubs um den Auf- und Abstieg und damit indirekt auch ums Überleben. Die Wirtschaftswelt ist da um einiges berechenbarer.
Sie zeigen mit ProcessONE Unternehmen Chancen und Potenziale der Digitalisierung und von KI auf. Der Fußball hat sich in den letzten Jahren extrem digitalisiert. Sind da die Klubs vielleicht sogar weiter als die Unternehmen?
Kragl: Das würde ich zu 100 Prozent unterschreiben. Der Fußball ist tatsächlich digitaler als ein Großteil der Unternehmen. Jeder Spieler hat einen Tracker, der Daten sammelt und so alles sichtbar macht. Ein Unternehmen hat keine Heat Maps. Damit kann sich jeder Spieler ein paar Minuten nach dem Match auf Knopfdruck seine Daten am Handy ansehen. Die Heat Map zeigt, wo sich ein Spieler bewegt. Ich kann mir Laufwege, Abschlüsse, Flanken und Zweikämpfe ansehen und so das Spiel optimieren. Schon im Unterhaus gibt es KI-Kameras, die automatisch den Ball erkennen und ihm folgen. Damit kann man selbst unterklassige Partien aufzeichnen und sogar streamen. Am nächsten Tag gibt es schon die Videoanalyse. Schon in der 5. und sogar in der 6. Liga wird heute mit Hüfttracker und Pulsuhr trainiert.