Fitnessbranche: Fetten Jahre sind (nicht) vorbei
Die fetten Jahre sind vorbei, so lauten die Vorsätze zu Neujahr oder in der Fastenzeit. Es wird wieder trainiert. Am Anfang eines Jahres sind die Fitnessstudios daher wieder prall gefüllt. Dennoch hat die Pandemie die Branche ordentlich durcheinandergerüttelt oder wie Klaus Wiesmayr, Gründer und Geschäftsführer von Vitadrom, schildert: „Unsere Branche musste als Erste schließen und durfte als Letzte aufsperren. Sogar Bordelle öffneten vor uns.“ Das führte zu einem Mitgliederschwund von 30 Prozent, wie die Branchenvertretung der Wirtschaftskammer vorrechnet. Es sind vorwiegend „Karteileichen“, die ihre Verträge kündigten. Wie ist also die Branche aufgestellt? Der deutsche Arbeitgeberverband für Fitness- und Gesundheitsanlagen – die Zahlen sind auch für Österreich repräsentativ – erhob, dass 64 Prozent der Betreiber mit vielen Standorten einer rosigen Zukunft entgegensehen würden, während es Einzelstudios schlecht ginge. Es sind vor allem Diskonter, die topfit in die Zukunft gehen. 70 Prozent aller Betriebe gehören in diese Kategorie. Platzhirsch ist FitInn. Die Kette wurde 2004 von Wolfgang Sadlo gegründet und hat 200.000 Mitglieder. Die Nummer zwei am Markt ist McFit, Teil der deutschen RSG Group. Weltweit trainieren dort 4,5 Millionen Menschen. Ist Diskont oder Premium die einzige Überlebensstrategie?
Krise selbst verschuldet?
Klaus Wiesmayr, Gründer von Vitadrom, verneint das. Er ist seit 27 Jahren in der Branche und damit am zweitlängsten in Oberösterreich durchgehend am Markt. Vitadrom Studios gibt es in Bad Schallerbach, zweimal in Eferding und einmal in Alkoven. „Wir verstehen uns als Premium-Diskonter. Unsere Mitglieder bekommen viel für ihr Geld. Wir haben alles, was Premium-Studios bieten, zu einem leistbaren Preis.“ Mit 17 dachte der heute 49-Jährige das erste Mal darüber nach, ein Fitnessstudio zu gründen. Mit 21 hat er sich in Bad Schallerbach in viel Eigenarbeit und mit Unterstützung von Familie und Freunden diesen Traum erfüllt. Die Krise, in der einzelne Studios stecken, sieht er selbst verschuldet: „Oft sind Betreiber einfach nur verlogen und faul. Sie wollen nur Abos schreiben, ob die Kunden dann kommen oder nicht, ist ihnen egal.“
Schlüsselfaktor Personal
Wiesmayrs Frau Sigrid, die für Marketing und Controlling im Unternehmen tätig ist, unterstreicht das: „Vielen geht es nur um den kurzfristigen Erfolg. Kunden sind für sie ein Störfaktor. Wir wollen, dass unsere Mitglieder auch wirklich regelmäßig kommen. Wenn sie den Erfolg sehen, bleiben sie uns als Mitglied erhalten. Alles andere ist nicht nachhaltig.“ Der Schlüssel dazu sind gute Mitarbeiter. Wer ein Fitnessstudio aufmachen will, braucht übrigens keine besondere Befähigung, auch gibt es keinen Kollektivvertrag. „Wie bezahlen daher 40 Prozent über dem Durchschnitt und unsere Mitarbeiter bekommen ein 13. und 14. Monatsgehalt. Das sichert uns ein gutes Team, denn ,mit Bananen bekommt man nur Affen‘.“ Die Mitglieder bleiben bei der Stange. Manche sind seit der Stunde null mit dabei. „Unser jüngstes Mitglied ist 14 unser ältestes 90. Erst kürzlich begann eine Dame mit 83 Jahren mit dem Training. Es ist nie zu spät.“
Von Muckibuden zu Gesundheitsdienstleistern
Den Trend zwischen Premium und Diskonter sehen die Wiesmayrs kritisch. „In fast allen Studios – ob teuer oder billig – stehen dieselben Geräte. Das wäre, als würde es fünf Wirtshäuser geben und in jedem gibt es nur Schnitzel.“ Mit einer Kraftbox, die sich an wettkampforientierte Sportler richtet, Leistungsdiagnostik und zahlreichen Kursen will man sich abheben und neue Zielgruppen erreichen. Zielgruppen, die sich stark geändert haben. „Klassisches Bodybuilding gibt es kaum noch. Die alten Muckibuden sind passé. Heute dominiert der Gesundheitsaspekt.“ In dasselbe Horn stößt auch Philipp Kaufmann, Gründer der EMS-Trainingskette M.A.N.D.U.. „Wir sind Gesundheitsdienstleister. Natürlich will man am Samstagabend gut aussehen, doch der Fokus liegt auf dem langfristigen Erhalt der Gesundheit.“ So sehr es den Franchiser mit 50 Studios in Österreich, Deutschland, Frankreich, den USA und Chile auch in der Pandemie durchschüttelte, am Ende profitierte man davon. „Weil die Pandemie Gesundheit in den Fokus gerückt hat, deshalb sind wir gut durch die Krise gekommen, auch wenn wir einige Stores schließen mussten.“
Digitales Training?
Selbst wenn die Konzepte komplett unterschiedlich sind – M.A.N.D.U. setzt auf 15-minütige EMS-Trainings einmal in der Woche – sind sich Kaufmann und Wiesmayr einig: Die Durchdigitalisierung der Branche ist für sie nicht der Stein der Weisen. In einem digitalen Studio bekommt das Mitglied einen QR-Code, den es an den Geräten einscannt. Die Geräte stellen sich dann vollautomatisch ein. Das Mitglied muss nur noch den Anweisungen folgen. Julia Kellner, Premium Coach bei M.A.N.D.U., glaubt, „dass man damit die Menschen nicht abholen kann. Der Kopf spielt beim Training eine entscheidende Rolle. Digitalisierung, der Umgang mit dem Smartphone, Social Media, all das stresst uns. Wenn der Mensch gestresst ist, kann er aber keine Muskeln aufbauen. Bei einem rein digitalen Training dreht sich das Rad im Kopf immer weiter.“ Kaufmann ergänzt: „Für uns zählt der persönliche Kontakt, die persönliche Betreuung. Wir sind daher durch KI nicht zu ersetzen.“ Das sieht auch Wiesmayr so: „Je digitaler die Branche wird, desto mehr erkennen wir den Trend back to the roots.“ Zudem wird die soziale Komponente immer wichtiger, wie seine Frau meint: „Wir haben einige Mitglieder, die einsam sind und im Studio soziale Kontakte pflegen.“ Ihr Mann Klaus geht einen Schritt weiter: „Früher gab es in Eferding zehn Lokale für junge Menschen, heute keines mehr. Die Jungen treffen sich nun im Fitnessstudio und nicht mehr im Wirtshaus.“
Studio statt Wirtshaus
Statt Biergläser zu stemmen, heben junge Menschen heute Gewichte. „Fitness ist kein Trend mehr, sondern längst ein Akt der Gesundheitsvorsorge.“ Das sieht auch Julia Kellner so: „Das Körperbild hat sich geändert. Es geht um das Zusammenspiel aus Kopf, Körper und Ernährung – ist eines davon nicht in Balance, wird es schwierig. Der Kopf sollte verstehen: Ich muss nicht trainieren, ich darf.“ Wiesmayr ist sicher, dass „wir 80 Prozent aller Depressionen wegbekommen könnten, wenn die Leute trainieren gehen würden. Unsere Branche ist der Schlüssel zur Volksgesundheit.“ Dass Unternehmen den Studiobesuch ihrer Mitarbeiter als freiwilligen Sozialaufwand verbuchen müssen und nicht ganz von der Steuer absetzen können, sei ein Fehler. Es „wäre ein großer Hebel, um gesundheitliche Folgeschäden zu vermeiden, die die Allgemeinheit viel Geld kosten“.
Hebel zu mehr Volksgesundheit
M.A.N.D.U. setzt ganz auf das Thema Sarkopenie – Muskelschwund. „Ab 30 nehmen die Muskeln ohne Training pro Jahr um 1 Prozent ab, ab 60 um 2 Prozent. Dafür gibt es kein Medikament, außer richtiges Training“, so Kaufmann. „Eine gute Muskulatur ist eine Lebensversicherung gegen Stress.“ Stress, der in den Studios österreichweit nach Corona gesunken ist. Rund 10 Prozent der Landsleute sind Mitglied in Fitnessstudios. Kaufmann will sich daher an die anderen 90 Prozent wenden und mit EMS-Training abholen. Wiesmayr will die Zahl der Trainierenden mit guten Angeboten heben. Beide wollen etwas gegen schwarze Schafe in der Branche tun, wie etwa die Abzocke einer Linzer Kundin, die für einen Jahresvertrag mehr als 5.000 Euro berappen sollte. Damit auch die Fitnessbranche in Zukunft bleibt.