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In Ermangelung praktikabler Fahrzeuge stieg Amazon beim E-Laster-Startup Rivian ein. Der Rivian EDV-500 wird vorerst exklusiv für den Hauptaktionär produziert.
In Ermangelung praktikabler Fahrzeuge stieg Amazon beim E-Laster-Startup Rivian ein. Der Rivian EDV-500 wird vorerst exklusiv für den Hauptaktionär produziert.
Culligan

E-Mobilität: Stille Post

28.10.2024 um 12:42, Jürgen Philipp
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E-Mobilität ist mittlerweile mehr als ein „nice to have“. Elektrifizierte Nutzfahrzeuge hätten sogar das Potenzial, die Logistik zu revolutionieren.

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Die letzte Meile verbringen wir immer in einem schwarzen Kombi, könnte man ein altbekanntes Zitat adaptieren. Und wie wir die verbringen werden, kann man schon prognostizieren – höchstwahrscheinlich elektrisch. Tatsächlich bringt der auf Bestattungswagen -spezialisierte Karosseur Hentschke aus dem deutschen Lüneburg seit einigen Jahren Leichenwagen auf Basis des Tesla Model 3 auf den Markt. Auch der vollelektrische VW Buzz oder der Mercedes EQV dienen als Basisfahrzeug für den letzten, emissionsfreien Weg. Warum das relevant ist? Weil selbst solche Spezialtransporter in der Nische nicht um das Thema Elektrifizierung herumkommen.

Kostenintensive letzte Meile 

Weit wichtiger für den Massenmarkt sind Zustellfahrzeuge für die logistisch letzte Meile. Es ist der kostenintensivste Abschnitt der Fulfillment-Kette. Sie verursacht bis zu 53 Prozent der Transportkosten – je nachdem, woher die Ware kommt. Damit ist die letzte Meile die größtmögliche Schraube, an der man -drehen kann. Und sie ist die energieinten-sivste pro Einheit, weshalb vor allem -urbane Konsumenten sensibel auf die Zustellung reagieren. Green Logistics wird nirgendwo mehr sichtbar als bei der Lieferung vor die eigene Haus- oder Bürotür. Die Lösungen gibt es bereits und sie setzen sich immer mehr durch. Um nach wie vor bestehende Vorbehalte abzubauen, gibt es immer mehr Initiativen. So rief die Wirtschaftskammer Wien das Pilotprojekt „Zero Emission Transport“ ins Leben. 32 Unternehmen, darunter die Post und die Stadt Wien, nehmen daran teil. Der Hebel ist gigantisch, allein in den nächsten Jahren muss die Stadt 56 Millionen Euro in den Fuhrpark investieren. Das Ziel ist ambitioniert. Die Projektteilnehmer wollen bis 2040 klimaneutral werden. „Zero -Emission Transport“-Partner „Hel-Wacht“, ein Sicherheits- und Wachdienst, hat bereits 95 Prozent seines Fuhrparks umgestellt. „Hel-Wacht“-Fahrzeuge sind viel in der Nacht unterwegs – Stromer sind da doppelt wirksam.

Hersteller und Zulieferer (im Bild Bosch Mobility Solutions) investierten massiv in die Praktikabilität von E-Mobilität im Transportbereich.

Nachtruhe trotz Verkehr? 

Emissionsfreie Zustelldienste, die auf einen elektrifizierten Fuhrpark setzen, erzielen damit nicht nur einen Gewinn für die Umwelt und des Images, sondern es gibt einen weiteren Faktor, der von unschätzbarem Vorteil ist. Das Fraunhofer IML Institut untersuchte dabei das Thema Lärm. „Die Verlagerung von Transporten in die Tagesrand- und Nachtzeiten bietet logistische Vorteile und entlastet den -städtischen Verkehr am Tag. Somit schaffen wir An-reize, die Nutzfahrzeuge mit batterieelektrischen oder Wasserstoffantrieben vermehrt einzusetzen, um den Güterverkehr in Städten geräuschärmer zu gestalten“, zieht Uwe Clausen, Institutsleiter am Fraunhofer IML, ein Fazit. Ein Faktor, der die gesamte Logistikbranche verändern könnte. -Verkehrsströme könnten entkoppelt, Innenstädte und Autobahnen entlastet werden. Eine Aufhebung des Nachtfahrverbots für elektrifizierte Transport- und Zustellfahrzeuge hätte das Potenzial, die Warenströme zu revolutionieren.

Vom E-Lkw über Kombis, wie den Citroën eJumpy (Bild), bis zum E-Lastenfahrrad: Culligan deckt alle Aspekte der E-Mobilität in der Logistikkette ab.

Zweite Generation unterwegs 

Die einstigen Kinderkrankheiten der ersten Generation an Zustellfahrzeugen – geringe Reichweite und vor allem hohe Kosten – sind ausgemerzt. Waren die -erste Generation der elektrifizierten Zustellfahrzeuge meistens noch Derivate von Pkw-Modellen, hat sich die Branche zusehends auf die Anforderungen der Kunden fokussiert. Bosch Mobility Solutions etwa hat mehr als fünf Milliarden Euro in die Entwicklung von E-Mobilitätslösungen im Transporteinsatz investiert. Eine neue Generation an integrierten Invertern – die den E-Motor steuern und die Verbindung zur HV-Batterie herstellen – sorgt für Effizienzsteigerungen bei gleichzeitig höherer Reichweite. Die großen Hersteller nehmen das Thema ernst. Fast alle haben mittlerweile elektrifizierte Transportermodelle der zweiten Generation im Programm. Damit will man vor allem das Kleingewerbe und das Handwerk locken. Preislich schrumpft der Unterschied zur Dieselvariante. Förderungen schließen diesen Gap mittlerweile fast vollständig. 

DHL und Amazon crashten

Große Paketzusteller wie Amazon in den USA oder DHL in Europa mussten sich in Ermangelung praktikabler Serienfahrzeuge lange Zeit selbst helfen. DHL -stellte den „Streetscooter“ her. Ein wagemutiges Abenteuer mit einem Totalcrash am Ende. DHL verkaufte Streetscooter, um dort weiterhin E-Laster für die -letzte -Meile zu ordern. Der neue Besitzer geriet aber in Schwierigkeiten. Amazon hingegen setzt auf das US-Startup Rivian. 2021 stieg der Tech-Gigant mit 700 Millionen USD bei Rivian ein und designte das Fahrzeug nach seinen eigenen Anforderungen mit. Doch auch Rivian ist aktuell in Schwierigkeiten – die Aktie -stürzte ins Tal der Tränen – Grund dafür sind Lieferkettenprobleme. Der größte Kernaktionär – Amazon hält noch rund 15 Prozent – dürfte dem Start-up aber treu bleiben. Das Scheitern von Rivian und Streetscooter zeigt deutlich auf, dass -konventionelle Hersteller mittler-weile die Anforderungen der Lieferdienste verstanden haben.

Elektrisch unterstützte Lastenfahrräder werden immer beliebter. Die Gebrüder Weiss bedienen damit die letzte Meile in Vorarlberg.

Teure E-Lkw

Erfüllte Anforderungen, die auch Culligan, weltweit führender Anbieter für Wasseraufbereitung, auf seinem Weg zu „Zero Emission“ nutzt. Weltweit sparen Culligan-Produkte 40 Milliarden Plastikflaschen ein. Damit wird der CO2-Fußabdruck im Vergleich zu Einwegflaschen um 91 Prozent reduziert. Der Faktor Nachhaltigkeit ist für die rund 11.000 Unternehmenskunden in Österreich daher ein zentrales Argument. Das Unternehmen hat hierzulande bereits 80 Prozent der Technikerfahrzeuge und 30 Prozent der Lkw umgestellt. Ein -neuer 40-Tonner-E-Lkw folgt. Die Mehrkosten liegen bei Schwerlastfahrzeugen deutlich über jenen von Pkw und Kombis. Ein E-Lkw kostet im Schnitt noch das 2,5-Fache im Vergleich zu einem Dieselmodell. Für Culligan bedeutete der Schritt auch eine Optimierung der Routenplanung. Die Software berücksichtigt nun auch die Reichweite des elektrifizierten Fuhrparks. Die Techniker sind innerstädtisch mit elektrisch unterstützten Lastenfahrrädern unterwegs. 

Uwe Clausen Institutsleiter Fraunhofer IML

Die Verlagerung von Transporten in die Tagesrand- und Nachtzeiten bieten logistische Vorteile und entlastet den städtischen Verkehr am Tag.

Last„E“nfahrräder

Ein Trend, der sich immer mehr durchsetzt. Auch die Gebrüder Weiss nutzen solche Transportvehikel für die Zustellung auf der letzten -Meile. Die E-Bikes können 200 Kilogramm transportieren. Die Akkuladung reicht für 80 Kilometer. E-Mobilität in der letzten Meile ist eben längst kein „nice to have“ mehr, sondern bietet eine Vielfalt an Vorteilen. Und sie könnte zum großen Umsatzbringer der Autohersteller in den nächsten Jahren werden. Das Potenzial ist gigantisch. Das werden wir an der Haustüre, im Zubringerdienst und wahrscheinlich auch auf unserer letzten Fahrt – im schwarzen Kombi – sehen.

 

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