Projekt Kettensäge
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Deutschland würde eine „Prise Milei und Musk durchaus guttun“, sagte der deutsche FDP-Chef Christian Lindner – und löste damit eine heftig geführte Mediendebatte aus. Vor einem Jahr wurde der Ökonom Javier Milei als Präsident von Argentinien angelobt, seither hat er dem lateinamerikanischen Land einen knallharten Reformkurs verpasst. Sein medienwirksames Symbol für diese Politik ist die Kettensäge. Als überzeugter Anhänger des Libertarismus will Milei damit die sozialistische Wirtschaftspolitik der bisherigen Regierungen „abholzen“. Die Pläne zur Deregulierung, Privatisierung und Stärkung des freien Marktes finden weltweit Anhänger. Sein eifrigster Schüler: Milliardär Elon Musk. Gemeinsam mit Ex-Präsidentschaftskandidat Vivek Ramaswamy soll er als außenstehender Berater Donald Trump helfen, den US-Behördenapparat zu verschlanken.
Zu schwerfällig, zu langsam
Beobachter rechnen mit einer radikalen Entbürokratisierung in den USA, die auch auf Europa ausstrahlen wird, „wo sich Unternehmen geduldig mit babylonischen Berichtspflichten drangsalieren lassen“, wie es Christoph Kletzer, Professor für Recht und Rechtsphilosophie am King‘s College London, unlängst formulierte. Auch in Österreich wird die Forderung, den Gesetzes-Dschungel endlich zu lichten, von Interessenvertretern seit einer gefühlten Ewigkeit wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Mit bescheidenem Erfolg: In der voestalpine sind inzwischen 50 Mitarbeiter nur dafür abgestellt, um Berichte vom CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) bis zum Lieferkettengesetz zu bearbeiten. Warum bei seinen Küchenfenstern, die ohnehin nie geöffnet werden, ein Fliegengitter vorgeschrieben ist, aber bei McDonald’s nicht, ärgert den Wirt und Neos-Abgeordneten Sepp Schellhorn. In Oberösterreich wiederum wurde mehr als 20 Jahre über das Jahrhundertprojekt „Regionalstadtbahn“ verhandelt. Jetzt sind sich Bund, Land und Stadt Linz endlich einig, die Finanzierung steht – trotzdem ist der Baustart frühestens in vier Jahren. „Das ist alles viel zu schwerfällig und zu langsam“, sagt Landeshauptmann Thomas Stelzer.
Ressourcen sinnvoll einsetzen
Das Land Oberösterreich hat sich selbst ein „Schlankmacherprogramm“ für seine Genehmigungen, Vorschriften und Paragrafen verordnet. Der ehemalige steirische Landesrat Herbert Paierl schlägt einen kompletten Reset vor: Alle Gesetze bis auf die Verfassung außer Kraft zu setzen, um einen „wirtschaftlichen Boost“ zu erzeugen. Deregulieren und Entbürokratisieren verbunden mit Steuersenkungen, um den Arbeits- und Wirtschaftsstandort in Österreich und ganz Europa wieder voranzubringen, ist auch das Credo von Barbara Kolm. Die FPÖ-Abgeordnete ist Präsidentin des Friedrich A. v. Hayek Instituts in Wien. Der Nobelpreisträger Hayek (1899 – 1992) ist ein Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und hatte maßgeblichen Einfluss auf Ökonomen wie Milton Friedman, die Politik Margaret Thatchers … und Javier Mileis. Kolm erwähnt, dass die bürokratischen Auflagen und regulatorischen Hürden in Handel, Dienstleistung, Gewerbe und Handwerk 6,6 Prozent der Personalkapazität pro Jahr binden, „das sind 70 Millionen Arbeitsstunden pro Jahr. Stellen Sie sich vor, wir würden diese Ressourcen sinnvoll einsetzen, wie sich das auf den Wirtschaftsstandort auswirken würde“. Die Bürokratielast für Unternehmen wird in Österreich mit 15 Milliarden Euro beziffert. Dem „Department for Government Efficiency“ (DOGE) von Elon Musk kann Kolm daher für Österreich und vor allem für Europa einiges abgewinnen. „Das Ziel sind die Rücknahme von Vorschriften, ein Verwaltungsabbau und Kosteneinsparungen.“ Zudem plädiert die Abgeordnete für die Einführung von „Sunset Clauses“ (Gesetzen mit Ablaufdatum). „Was kostet eine neue Verordnung die Unternehmen? Das muss endlich transparent werden. Wirkungsorientierung und Folgeschätzung von Gesetzen werden noch viel zu wenig berücksichtigt. Wenn man kein Gesetz braucht, dann lohnt es sich auch nicht, eines zu machen“, sagt Kolm.