Bringt Emissionshandel den Wandel?
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Am 27.10.2004 trat die Richtlinie „2004/101/EG“, besser bekannt als EU-ETS (EU Emission Trading System) oder EU-Emissionshandel, in Kraft. Nach 20 Jahren lässt sich eine blitzsaubere Bilanz ziehen: Zwischen 2005 und 2024 sanken die Emissionen von schädlichen Klimagasen um 41 Prozent. Doch wie kommt es, dass ein Zertifikat für eine Tonne CO2 in Schweden 118,33 Euro kostet, in Polen aber nur 13,27 Euro? Neben dem EU-ETS gibt es auch nationale Besteuerungen. Schweden führte diese bereits 1991 ein. Das Land ist nicht zuletzt deshalb CO2-Musterschüler. Schweden hat mit Malta (4,3 Tonnen/Kopf) den geringsten Ausstoß innerhalb der EU. Österreich liegt mit knapp acht Tonnen über dem EU-Schnitt (ca. 7,5). Spitzenreiter ist Luxemburg mit über zwölf Tonnen pro Kopf. Die positiven Auswirkungen von Bepreisung bzw. Besteuerung von CO2 sind also evident.
Bepreisung wirkt
Das unterstreicht auch die OECD. Sie untersucht in ihren „Effective Carbon Rates“-Berichten regelmäßig die CO2-Emissionen der G20-Staaten. Dabei berücksichtigt sie die „Effective Carbon Rate“ (ECR) eines Staates, etwa die Kraftstoffbesteuerung, CO2-Steuern sowie die EU-ETS-Zertifikate. Pro zehn Euro an höherem ECR pro Tonne CO2 sinken die Emissionen um 7,3 Prozent. Als Musterschüler galt Großbritannien. Von 2012 stieg der ECR von sieben Euro pro Tonne auf 36 Euro 2018. Das brachte Emissionsreduktionen in der Energiewirtschaft um 73 Prozent. Großbritannien schied übrigens 2020 aus dem EU-ETS aus und etablierte ein eigenes System. In der EU stiegen die Preise für Emissionszertifikate von 2018 auf 2019 im Schnitt um 56 Prozent. Der Effekt: 8,9 Prozent weniger Emissionen. Bepreisung wirkt also.
Preistreiber auf Rekordjagd
Doch sie wirkt sich auch auf die Energie- und Kraftstoffrechnungen aus, weshalb vor allem seit der Pandemie der Preis extrem volatil war. Das lag an mehreren korrelierenden Faktoren. 2021 führten wie erwähnt das Vereinigte Königreich und auch China eigene nationale CO2--Märkte ein. Einer der zahlreichen Preistreiber. Der Preis für eine Tonne CO2 in der EU stieg von 2013 (niedrigster Preis von ca. drei Euro) in nur zehn Jahren auf knapp 100 Euro. Dazu erreichte der Energieverbrauch in Europa 2022 wieder das Vor-Pandemie-Niveau während gleichzeitig der Ukrainekrieg ausbrach. Die Nachfrage an Zertifikaten explodierte ebenso wie der Gaspreis. Als Alternative für russisches Gas stiegen einige EU-Staaten wieder auf -Kohlekraftwerke um. Bei der Verstromung von Kohle fällt doppelt so viel Kohlenstoff an wie bei der Verstromung von Gas. Ein weiterer Zertifikatspreistreiber.
Droht Abwanderungswelle?
Die hohen Kosten verursachten europaweit erste -Fälle von „Carbon Leakage“, sprich die Abwanderung von energieintensiven Industrien in Länder mit keiner oder niedriger CO2-Bepreisung. Die EU zog daher Versteigerungen von EU-Emissionshandelszertifikaten vor. Der Plan, die Zertifikate schrittweise künstlich zu verknappen, um die Anreize in klimafreundliche Technologien zu forcieren, wurde kurzfristig ausgesetzt. Um künftig -größere Abwanderungswellen von Unternehmen zu verhindern, -reagierte die EU mit dem CBAM („Carbon Border Adjustment Mechanism“). Diese Verordnung trat am 1. Oktober 2023 in Kraft. Damit müssen EU-Importeure die Differenz zwischen dem europäischen CO2-Preis und jenem des Produktionslandes bezahlen bzw. ausgleichen. Betroffen sind Industrien der Eisen- und Stahlerzeugung, Zement, Düngemittel, Aluminium sowie elektrische Energie und H2. Seit 1. Oktober 2023 sind Importeure verpflichtet, Berichte zu veröffentlichen, ab 1. Jänner 2026 beginnt die Bepreisungsphase.
Rekordeinnahmen für den Staat
Und was bringt das alles monetär? Während Industrie und privater Konsum unter hohen Kosten zu keuchen hatten, freute sich der Staat. 2022 nahm Österreich mit Zertifikatsversteigerungen einen Rekordwert von 381,7 Millionen Euro ein – eine Versiebenfachung im Vergleich zu 2013. Die Kritik daran: Das Geld fließt ins Budget und ist nicht zweckgebunden. Das wird sich nun ändern. Eine Reform der EU-ETS-Richtlinie sieht nun eine Zweckwidmung für Investitionen in klimapolitische Maßnahmen vor. Ebenso gibt es eine Einigung, dass die kostenlose Zertifikatszuteilung 2034 beendet werden soll und bis dahin 75 Prozent aller EU-Emissionen vom CO2-Handel umfasst sein sollen. Ambitionierte Ziele, an denen die EU weiter festhält. Gleichzeitig wird es auf dem Weg zur Klimaneutralität der Union bis 2050 noch einiges an Flexibilität benötigen um die volatile Diva der europäischen Ökonomie bei Laune zu halten.