Krise oder Chance: Ist Österreichs Wirtschaft noch zu retten?
Der Patient braucht dringend Aufmerksamkeit: Überbordende Bürokratisierung und exorbitante Lohnnebenkosten, die Anforderungen an die Digitalisierung und nicht zuletzt der eklatante Mangel an Arbeitskräften setzen neben Stagflation und Multikrisen der Wirtschaft zu.
Auf Einladung von Weekend Style setzten sich drei Top-Führungskräfte der heimischen Wirtschaft zusammen, um die Frage zu diskutieren: Was tun?
Arbeitsmarkt Österreich: Neue Herausforderungen
Und wo anfangen? Beim Klima, und zwar dem zwischen Arbeitgebern und Arbeitskräften. Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin der Leitbetriebe Austria, konstatiert hier eine „Polarisierung. Die öffentliche Auseinandersetzung der Sozialpartner, auch in den Medien, bringt uns jetzt gar nichts.“ Mit Gleichgesinnten hat Rintersbacher die Initiative „Neue Welt der Arbeit“ ins Leben gerufen. Kooperationspartner: die WU. Rintersbacher: „Wir wollen mit Fundiertheit sagen können: Das sind die Themen am Arbeitsmarkt, so ticken die Generationen, und bitte tun wir gemeinsam etwas!“
Werte: Arbeitsmotivation im Wandel
Das aktuell „schlechte Image von Arbeit“ beschäftigt die Vorstandsvorsitzende von Admiral Casinos und Entertainment, Monika Racek. „Meine Ziele damals waren, voranzukommen, meinen Horizont zu erweitern, zu lernen, und eines Tages Personalverantwortung zu haben. Ich höre oft: Das ist mir zu anstrengend. Erfüllung und Befriedigung auch im Beruf finden: Ich versteh nicht, wo diese Werte heute hingegangen sind.“ Sind Mitarbeiter heute also weniger leistungsbereit? Bei ihren eigenen Angestellten können sich die Diskussionsteilnehmerinnen über mangelndes Engagement nicht beschweren, die Motivation passt.
Zukunft der Arbeit: Flexibilität als Schlüssel
„Bei uns ist vieles möglich: Homeoffice, Viertagewoche, Gleitzeit,“ berichtet Maria Wedenig, Managing Partner von ikp Wien, eine der großen PR-Agenturen des Landes. Sie sieht große Veränderungen auf die Arbeitswelt zukommen.
Moderne Arbeitszeitmodelle
Bei ikp hat man erst vor Kurzem neue Arbeitszeitmodelle eingeführt: „In Wirklichkeit geht es um die Flexibilität: früher kommen, später gehen, dazwischen etwas erledigen, einfach flexibler arbeiten. Die Jungen sagen, dass sie das motiviert.“ Wedenig fügt hinzu: „Das Tolle ist, dass sie da sind, wenn es drauf ankommt.“
Aber kommt es für Unternehmen nicht stärker „drauf an“ denn je? Und damit auch für Österreich?
32-Stunden-Woche
Die Vorstandsvorsitzende macht sich auch so ihre Gedanken über die Forderung nach der 32-Stunden-Woche: „Okay, man hätte dann zwar mehr Freizeit. Aber man verdient auch weniger und bringt weniger Geld in den Wirtschaftskreislauf ein, das hat Auswirkungen auf Pensionen, Krankenversicherungen und so weiter.“
Teilzeit vs. Vollzeit
Das Gleiche gilt auch für Teilzeit, ein Arbeitsmodell, das in Österreich weit verbreitet ist und - wie Erhebungen zeigen - nicht etwa ausschließlich mit Kinderbetreuungspflichten verbunden ist. Raceks Vorschlag: „Die Politik sollte Anreize für Fulltime schaffen, Goodies, wenn ich bereit bin, nach einer Teilzeitphase wieder Vollzeit zu arbeiten.“
Potenzial der Pensionisten und Generation 50+
Eine weitere potenzielle Zielgruppe zur Behebung des Arbeitskräftemangels: Menschen 50 plus und jene in Pension. Leitbetriebe-Chefin Monica Rintersbacher: „Ich habe einige Mitarbeiterinnen Ende 50, Anfang 60. Die bringen einen Spirit rein! Und sie signalisieren mir: Ich bleib die fünf, sechs Jahre bis zur Pension. Im Gegensatz zur 23-Jährigen, die verständlicherweise Erfahrungen sammeln will.“
Wedenig: „Da schließe ich mich an! Auch hier ist die Politik gefragt. Arbeitsmodelle und Bedingungen müssen dringend flexibilisiert werden. Es muss für Unternehmen attraktiv sein, ältere Arbeitnehmer einzustellen und ihr Know How zu nutzen. Und man muss es steuerlich attraktiver machen, in der Pension weiterzuarbeiten.“
„Wenn du als Pensionist in Teilzeit dazuverdienst, ist in vielen Fällen das halbe Gehalt weg. Das darf nicht passieren,“ pflichtet Monica Rintersbacher bei.
Wien zieht Fachkräfte an
Rintersbacher warnt vor einer weiteren Entwicklung: „Die Betriebe aus den Bundesländern – z. B. Oberösterreich, Vorarlberg, Tirol – errichten Dependancen in Wien, weil sie nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch Entwickler, kluge Köpfe aus dem Ausland brauchen. Und die sagen, wenn ich überhaupt nach Österreich komme – dann nach Wien.“ Fachkräfte aus dem Ausland würden hierzulande auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen.
Konsequenzen für die Wirtschaft
Die fatalen Konsequenzen: „Die Leute, die wir brauchen, kommen nicht mehr zu uns, sondern unsere Betriebe zu ihnen. Das Problem für Österreichs Wirtschaft: Diese Abteilungen kehren zum Teil nicht mehr zurück.“
Packen wir's an!
Die Hände angesichts dieser Herausforderungen resigniert in den Schoß legen? Kommt für Rintersbacher nicht infrage. „Die Botschaft muss lauten: Wir kümmern uns jetzt darum."