Mordlust: „Uns alle interessiert das Böse"
Mord und Verbrechen lassen keinen kalt. Autorin Sabine Wolfgang schon gar nicht. Gemeinsam mit Co-Autorin Gabriele Hasman lenkt sie in der True-Crime Sammlung „Verbrecherisches Wien – Kriminalistische Spaziergänge“ (erschienen im Frühjahr 2021 im Ueberreuter Verlag) den Blick auf das Böse. Mit ihrem Romandebut „Wort für Mord“ bleibt sie dem Schauplatz Wien weiter treu. Warum die Donaumetropole ein gutes Pflaster für fatale Verbrechen ist? Wir haben Wolfgang zum freundlichen Verhör geladen.
Wie erklären sie sich das Faible für die dunkle Seite? Ja, die Sehnsucht nach den inneren wie äußeren Dämonen?
Sabine Wolfgang: Menschen sind seit jeher fasziniert von Grenzerfahrungen, und dazu zählt nicht nur der Tod, sondern auch die Beschäftigung mit den Abgründen, die man in so mancher Seele, auch in der eigenen, entdecken kann. Speziell die echten Wiener gelten zudem als morbides Völkchen, wobei hier sicher eher mit einem Klischee gespielt wird.
Ist die Wiener Seele ein Ort voller Abgründe?
Sabine Wolfgang: Schon die Habsburger haben den Tod kultiviert und Begräbnisse zelebriert. Etwa Rudolf IV., der seine Leiche in Rotwein kochen ließ. Das Herrscherhaus war zudem fasziniert von Reliquien, also Andenken an tote Heilige. Sie haben mit Verstorbenen Kontakt aufgenommen: Denken wir nur an Sisi und ihre fast krankhafte Verehrung des verblichenen Heinrich Heine. Dazu kommt das Liebäugeln mit Selbstmord etwa bei Liebeskummer: Dieses Sehnen nach der „Umarmung des ewigen Schlafs“. .. Dieser Umgang mit dem Tod hat sich in Wien bis heute gehalten.
Gibt es einen Kriminalfall, der Sie besonders in seinen Bann gezogen hat?
Sabine Wolfgang: Da gibt es einige, doch besonders furchterregend sind die Verbrechen von Elisabeth Báthory, einer ungarischen Gräfin, die als größte Serienmörderin der Geschichte sogar ins Buch der Rekorde gekommen sind. Auf sie gehen sage und schreibe 650 Morde zurück.
Dass die sadistische Blutgräfin Báthory aus Lust so viele Hunderte Dienstmädchen – angeblich 650 - ermordet hat und jahrelang damit davongekommen ist, scheint absolut surreal. Ein faszinierender, zugleich aber zutiefst abstoßender Fall.
Welche Gewalttaten passen gar nicht in unsere Stadt?
Sabine Wolfgang: Frauenbanden, die Einbrüche oder Überfälle begehen.
Verbrechen faszinieren viele: Was reizt Sie so besonders am Bösen?
Sabine Wolfgang: Wir interessieren uns alle auch für das Böse – das ist zutiefst menschlich. Mir geht es konkret darum, auch hinter die Kulissen zu blicken und nachvollziehen zu können, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Darauf habe ich auch bei „Wort für Mord“ Wert gelegt. Im Zuge von Rückblenden erfährt man viel über die Vergangenheit der Hauptfigur Jakob Primm und kann so sein Handeln in der Gegenwart besser nachvollziehen.
Dieser Fall beschert mir immer wieder Gänsehaut. Der Opernmörder hat wahllos ein Mädchen als Opfer ausgesucht – die Kleine war zur falschen Zeit am falschen Ort. Und während der Sarg bei der Hintertür hinausgetragen wurde, ging die Opernvorstellung regulär über die Bühne.
Also Blut geleckt?
Sabine Wolfgang: Definitiv! Aber nur in Form von Büchern, keinesfalls in Realität (lacht).
Sie leben in Rotterdam und in Wien: Warum spielt ihr Roman nicht in der Hafenstadt, sondern an der Donau?
Sabine Wolfgang: Die Erstversion von „Word für Mord“ ist bereits vor zwölf Jahren entstanden, ist dann aber in der Schublade verschwunden. Erst kurz vor dem ersten Lockdown ist mir im Zuge eines Spaziergangs durch Margareten die Idee gekommen, die Handlung des Buches nach Wien zu verlegen. Vorher war sie in einem fiktiven englischsprachigen Ort angesiedelt: In Wien kenne ich mich einfach am besten aus, deswegen war das für mich plötzlich sehr stimmig.
„Wort für Mord“ passiert in Margareten, Mariahilf und Neubau: Ist Ihr Roman auch ein Grätzl-Krimi?
Sabine Wolfgang: Diese drei Bezirke sind diejenigen, in welchen ich selbst am meisten unterwegs bin. Unter anderem kommt zum Beispiel die Buchhandlung Thalia auf der Mariahilfer Straße vor, wo mir damals die Buchidee zu „Wort für Mord“ gekommen ist. Ja, man könnte natürlich auch Grätzl-Krimi dazu sagen.
Gibt es echte Wiener, die als Vorlage dienten?
Sabine Wolfgang: Tatsächlich ist hier alles reine Fiktion. Einzig die Episode, in der Schriftstellerin Paula Hogitsch ungefragtes negatives Feedback von einem Fan zu ihrem aktuellen Roman erhält, hat sich fast genauso zugetragen. Damals war ICH der Fan, der einem bekannten deutschsprachigen Autor negative Rückmeldung zu seinem Buch gegeben hat.
Nach ihrem Kick-off-Krimi: Ist der nächste Mord schon in Planung?
Sabine Wolfgang: Ich habe immer einige Ideen im Kopf oder schreibe gerade an etwas. Konkrete Pläne für den nächsten Roman gibt es aber noch nicht. Im Frühjahr 2022 erscheint nun erstmal das nächste Sachbuch; wieder gemeinsam mit meiner Co-Autorin Gabriele Hasmann.
Welches Thema schneiden sie darin an?
Es wird wild (grinst). Mehr verraten wir an dieser Stelle aber noch nicht.
Buchtipp
Wort für Mord
336 Seiten
erschienen bei: CW Niemeyer Buchverlage GmbH
ISBN: 978-3827193834