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Julian Jäger und Günther Ofner im gläsernen Büro
Die Flughafen Wien-Vorstände Julian Jäger und Günther Ofner
Die Flughafen Wien-Vorstände Julian Jäger und Günther Ofner
Flughafen Wien AG/Odabei Danny Kaveh

Flughafen-Chefs: "Wir sind ständig in Bewegung"

17.06.2024 um 10:46, Rudolf Grüner
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Seit 70 Jahren ist Schwechat Österreichs Tor zur Welt. Wie sich die Drehscheibe weiterentwickeln wird? Wir haben mit Julian Jäger und Günther Ofner gesprochen.

Nah dran am Passagier-Rekord, Wachstumsschub bei der Fracht und der Aufbau eines neuen Kompetenzzentrums für die Raumfahrtindustrie: Im Talk sprechen die Vorstände der Flughafen Wien AG über „die Stadt, die niemals schläft“.

Wiener Flughafen aus der Vogelperspektive

Immer mehr Menschen fliegen buchstäblich auf Wien. Wird es ein Rekordjahr?

Jäger: Vermutlich nicht ganz! Ich schätze, wir werden irgendwo zwischen dem Vorjahr mit 29,5 Millionen Passagieren und dem Rekordjahr 2019 mit 31,7 Millionen Fluggästen landen. Der letzte Sommer war schon ausgezeichnet. Wir sind daher sehr optimistisch, wieder in die Reichweite des Top-Ergebnisses zu kommen.

Was könnte die Bilanz noch versalzen?­

Ofner: Die Krisenherde liegen wie ein Damoklesschwert über dem Luftverkehr …

Jäger: Und trotzdem sind wir auf Kurs: Obwohl wir derzeit keine Passagiere aus Russland, Weißrussland und der Ukraine haben. Auch der Verkehrsstrom aus Tel Aviv leidet.

Manche Flughäfen haben mit aggressiven Passagieren zu kämpfen. Wie aufgeladen ist die Situation in Wien?

Jäger: Vor allem während der Pandemie kam es häufiger zu Übergriffen. Damals war die Spannung insgesamt sehr hoch. Es kommt aber auch jetzt noch vor. Es ist leider ein internationaler Trend, dass immer mehr Passagiere, ihre Probleme – oft ganz unabhängig vom Flug –  am Bodenpersonal auslassen. Dann ist es für unsere Mitarbeiter natürlich herausfordernd, im Auftrag der Airlines einfache Dinge zu exekutieren, etwa fehlende Gepäckbuchungen. 

Ofner: Die Toleranz der Gäste sinkt, aber es sind immer noch Einzelfälle, die Schwierigkeiten machen. Grundsätzlich sind wir weiterhin ein sehr entspannter Airport. 

Stress droht auch von anderer Seite: Klimakleber haben heuer den Flugverkehr am Münchner Airport behindert. Könnte das auch hier passieren?

Jäger: Wir haben zuletzt die Bestreifung deutlich erhöht und glauben schon, dass es uns gelingen würde, rechtzeitig solche Aktionen zu unterbinden. 

Ofner: Ich würde es mir gut überlegen. Was viele nicht wissen ist, dass in Österreich die Strafen im Vergleich zu Deutschland deutlich schärfer wären. Wer Menschenleben gefährdet, muss mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen. Kommen Personen tatsächlich zu Schaden, steigt das Strafmaß auf bis zu 20 Jahre, bei Todesfolgen droht lebenslänglich. Es handelt sich also wahrlich um kein Kavaliersdelikt. Passagiere können sich aber sicher sein, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, um ein sicheres Starten und Landen garantieren zu können. 

Süderweiterung des Terminal 3 am Flughafen Wien
Blick in die Zukunft: So wird sich der Terminal 3 künftig präsentieren.

Welche Märkte boomen?

Ofner: Alles, was der Sonne entgegenfliegt: Saudi-Ara­bien, die Vereinigten Ara­bischen Emirate. Auch die Türkei wächst überpropor­tional stark. Investiert wird gerade in den Terminal 3.

Jäger: Und dort vor allem in die Qualität. Hier fehlt uns gerade noch eine gewisse Großzügigkeit in puncto ­Flächen: bei den Warte­zonen, in der Gastronomie, beim Shopping und in den Lounges. Ziel ist es, die Aufenthaltsqualität massiv zu ­erhöhen. Pünktlich sind wir schon.

Mehr Platz für Gastronomie und Shopping: Wir wollen den Aufenthalt so angenehm wie möglich gestalten.

Julian Jäger über den Ausbau am Terminal 3

Was schätzen Gäste noch?

Ofner: Ich erlaube mir zu behaupten, dass wir im Flughafenvergleich die freundlichere und motiviertere Mannschaft haben. Dafür werden wir auch laufend ausgezeichnet. Beliebt ist auch unsere Airport-Tour, die Blicke hinter die Kulissen der Stadt, die niemals schläft, erlaubt. Allein im letzten Jahr waren über 100.000 Wissbegierige an Bord unserer Besucherwelt, um etwa die Arbeit der Feuerwehr unter die Lupe zu nehmen. Auch der A380 lockt viele Flugtechnik-Fans nach Schwechat.

Familie auf der Besucherterrasse am Wiener Flughafen
Wissen was passiert: Besucher auf der Terrasse am Wiener Flughafen

Der Airport entwickelt sich ja zum Big Player am Arbeitsmarkt.

Ofner: Wir haben derzeit rund 23.000 Beschäftigte und über 250 Firmen am Standort, an denen weitere 70.000 Arbeitsplätze hängen. Über den Flughafen laufen in Summe zwei Prozent des Brutto­inlandsprodukts. Der Hightech-Sektor wächst besonders stark: Unsere neueste Erwerbung ist die European Space Agency, die hier das „ESA Phi-Lab Austria“ aufbaut. Damit wird die lokale Raumfahrtindustrie massiv unterstützt. Schon zu Jahresbeginn hat Enpulsion (Anm. d. Red.: ein Spezialist für Mikro- und Nano-Satellitenantriebe) seine Zelte bei uns aufgeschlagen.

Auch die Frachtindustrie setzt auf das Flugzeug.

Jäger: Das liegt auch daran, dass im Seeverkehr große ­Unsicherheiten herrschen – Stichwort: Rotes Meer. Was darüber hinaus stark wächst, ist der Bereich der Autoelektronik und der medizinische Sektor, unterstützt mit unserem Pharma Handling Center.

Arbeiter bei der Flugzeug-Ladeklappe

Auch die Langstrecke mit der Beifracht ist zurück.

Ofner: Wir werden heuer die Milliardengrenze beim Umsatz überschreiten. Das kann man schon mit einiger Gewissheit voraussagen.

Wir zeigen Muskeln: Rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts laufen über den Flughafen Wien.

Günther Ofner über die wirtschaftliche Power

Fix ist auch der Bau eines neuen Flughafenhotels.

Ofner: Die bestehenden zwei Häuser sind permanent ausgebucht. Daher wird ein ­neues 510-Zimmer-Hotel ­gebaut, es soll Ende 2025 eröffnen. Nicht nur für Rei­sende, sondern auch für die ­Gäste im Business Park.

Wie entwickelt sich die Office-Sparte in Schwechat?

Ofner: Wir haben im Office Park 4 sehr attraktive Büro­räumlichkeiten und viel Platz für Tagungen und Events, die inzwischen sehr gut gebucht sind. Zuletzt hat sich das Wifi mit einer Außenstelle für den östlichen Teil Niederösterreichs angesiedelt. Auch die Zoll-Akademie ist vor Ort. Wie es sich für einen Flugplatz gehört, herrscht ständig Bewegung und ­Entwicklung – bei uns ganz konstant seit mittlerweile 70 Jahren.

Büro und Tower am Wiener Flughfen

Zurück zu den Passagieren: Wo liegt in Wien die Kapazitätsgrenze?

Jäger: Irgendwo zwischen 40 und 45 Millionen Passagieren. Natürlich hängt es davon ab, wie sich der Flugverkehr über den Tag verteilt. Wir wissen auch nicht, wie groß die Maschinen künftig sein werden. In den letzten 20 Jahren sind sie deutlich gewachsen und voller geworden. Das wird uns auch künftig helfen.

Duo am Schalthebel

Julian Jäger und Günther Ofner leiten das Drehkreuz in Wien Schwechat. Das Thema Fliegen hat für beide nichts an Faszina­tion verloren. „Auf einem Langstreckenflug beginnt der Urlaub schon am Flugzeug“, sagt Jäger. Auch für Ofner ist es immer noch reizvoll, einzusteigen. „Dass diese tonnenschweren Kolosse abheben, ist und bleibt für mich ein großes Wunder.“

Flugzeug am Rollfeld des Wiener Flughafens

Besuchermagnet

Mittlerweile 70 Jahre hat der Wiener Flughafen auf dem Buckel – und viele Geschichten zu erzählen. Neben der Klassik-Tour, inklusive Besucherwelt-Terminal und Erlebnisraum, können Erwachsende und Kinder das rege Treiben von der Besucherterrasse aus verfolgen. Flugfans können auch Spezialtouren zu folgen Themen buchen: A380 Premium, AUA-Werft Kombi Tour XL, Austrian Werftführung, Feuerwehr-Tour, Night Tour und Qatar Airways Tour

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