Grünen-Chefin Sandra Krautwaschl im Exklusiv-Interview
weekend: Sie sind Politikerin und werden aber auch als Öko-Aktivistin bezeichnet. Würden Sie diese Bezeichnung für sich selbst wählen?
Sandra Krautwaschl: Ich komme aus einer bestimmten Form des Aktivismus. Ich verzichte seit vielen Jahren mit meiner Familie so gut es geht auf Plastikprodukte. Aber mein Wirken daran festzumachen ist nur die halbe Wahrheit. Natürlich bin ich in erster Linie Politikerin, um auch über de Aktivismus hinaus Dinge zu verändern und mitzubestimmen. Aktivismus stößt nämlich manchmal an seine Grenzen und dann ist die Politik gefordert.
weekend: Aktivismus wird derzeit hauptsächlich mit den sogenannten „Klima-Klebern“ assoziiert. Hilft diese Form des Protests oder schadet sie der Sache?
Sandra Krautwaschl: Das diskutiere ich oft mit meinen Kindern, die sehr politisch sind. Ich glaube, es bringt Aufmerksamkeit und es ist ein friedlicher Protest ohne Gewalt. Hier sehe ich die Politik gefordert, endlich Lösungen zu präsentieren und den Umweltschutz ernst zu nehmen. Aber, wenn diese Menschen diese Form des Aktivismus wählen, ist es ihr gutes Recht.
weekend: Passiert hier in der Steiermark genug Umweltschutz?
Sandra Krautwaschl: Nein! Natürlich nicht. Wir sind gerade intensiv am Thema Bodenschutz dran, denn auf dieser Ebene kann das Land tatsächlich etwas positiv verändern. Bodenverbrauch ist nämlich ein extremer Treiber für Klimaemissionen. Österreich ist europaweit Spitzenreiter bei der Bodenversiegelung und die Steiermark ist in Österreich ganz vorne. Das zu ändern, haben wir als Land in der Hand.
weekend: Sind andere Bundesländer hier weiter?
Sandra Krautwaschl: Salzburg ist für mich ein positives Beispiel. Da ist einiges gelungen, aber es gibt generell Verbesserungsbedarf in Österreich.
weekend: Stichwort Salzburg, dort hat die KPÖ alle überrascht. 2024 sind in der Steiermark Landtagswahlen, zittern Sie schon vor den Kommunisten?
Sandra Krautwaschl: Auf keinen Fall. Wir sind ja in Graz in einer Koalition mit der KPÖ und wir arbeiten gut zusammen. Grüne Themen und Anliegen sind in Graz sehr präsent und Vizebürgermeisterin Judith Schwentner macht einen tollen Job.
weekend: Aber gerade auf Landtagsebene könnte die KPÖ mit dem Thema Wohnen stark punkten und die Grünen sogar überholen: Macht Ihnen das keine Sorgen?
Sandra Krautwaschl: Also, ich mache mir nicht so viele Gedanken, wo andere landen –mit einer Ausnahme, der FPÖ unter Kickl, der mit seinen Aussagen polarisiert. Ansonsten ist es mir wichtig, unsere Anliegen den Menschen nahezubringen und nah bei den Bürgern zu sein. Das will ich vor der Wahl noch verstärken. Das Thema Wohnen ist eines davon und da wollen wir lösungsorientiert punkten und nach der Wahl im besten Fall als Regierungspartei im Land Dinge ändern und verbessern.
weekend: In letzter Zeit hat man das Gefühl, die Grünen sind schon im Wahlkampfmodus für die Nationalratswahlen 2024: Hält die Koalition überhaupt bis dahin?
Sandra Krautwaschl: Der Bundeskanzler gibt in letzter Zeit viele PR-Floskeln von sich, das meiste davon ist aber Humbug. Man braucht nur mit der Industrie zu reden und das tun wir in der Steiermark. Zum Beispiel beim Thema E-Fuels. Da schütteln unsere Wirtschaftskapitäne nur den Kopf. Das bisschen, was es an E-Fuels in den nächsten 20 Jahren geben wird, brauchen die Industrie, die Schifffahrt und die Luftfahrt. Den „grünen Verbrenner“ zu propagieren ist Augenauswischerei-Politik.
weekend: Österreich wird eine gewisse Wissenschaftsfeindlichkeit nachgesagt, aber sind die Klima-Auswirkungen nicht übertrieben dargestellt?
Sandra Krautwaschl: Nein, zumindest von Seiten der Grünen nicht. Wir arbeiten lösungsorientiert, ohne Panikmache. Und was das bringt, sieht man an der grünen Regierungsbeteiligung. Aber auch als Oppositionspartei in der Steiermark haben wir einen konstruktiven Ansatz und wollen Lösungen vorantreiben, statt Angst zu machen.
weekend: Sind die Menschen generell ängstlicher als noch vor der Pandemie?
Sandra Krautwaschl: Ja absolut. Eines der größten Probleme ist der Pessimismus in unserer Gesellschaft. Der demotiviert die junge Generation und belastet sie enorm. Und ja, wenn wir nicht aktiv etwas verändern im Bezug auf die Umwelt, werden die Veränderungen über uns hereinbrechen. Unser Ansatz bleibt aber eine lösungsorientierte Politik.
weekend: Und trotzdem gelten die Grünen als Verbotspartei schlechthin!
Sandra Krautwaschl: Ich hoffentlich nicht! Ich lasse mir auch selbst ungern was verbieten. Aber da hat es vielleicht in früheren Zeiten selbstverschuldete Imageprobleme gegeben und das klebt jetzt an uns und wird von den politischen Gegnern gerne genutzt. Wir wollen, anders als Herr Nehammer, tiefgreifende Veränderungen und die spürt man als Bevölkerung stärker als reine Symbolpolitik.