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Schauspieler Ben Becker im Rahmen eines Presseevents in Berlin
Ben Becker ist mit "Im Exil" zu Gast in der Grazer Oper.
Ben Becker ist mit "Im Exil" zu Gast in der Grazer Oper.
Jens Kalaene / dpa / picturedesk.com

"Theater muss beseelen": Ben Becker im Interview

30.04.2024 um 10:17, Patrick Deutsch
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Die Performance-Lesungen des Schauspielers werden von den Kritikern gefeiert. Ben Becker über sein Erfolgsrezept, Trash-TV und sein Image als "Enfant terrible".

Sie haben schon die Bibel, Kafka-Texte und zuletzt "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad auf die Bühne gebracht - die Kritiken sind überwältigend. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Becker: Ich verlasse mich auf mein Bauchgefühl und folge den Themen, die mich interessieren. Wenn ich mich an einem Text festgebissen habe und finde, dass dieser Text oder diese Art von Lyrik es wert ist vorgelesen zu werden, bringe ich es auf die Bühne. Es geht darum, diese Werke einem Publikum näher zu bringen, und das mache ich mit großer Leidenschaft.

Warum fiel die Wahl auf Joseph Roths "Im Exil"? Wäre ein Kafka-Text im Kafka-Jahr nicht naheliegender gewesen?
Becker:
Kafkas "Ein Bericht für eine Akademie" habe ich auch noch auf Halde. Da gab es vor Corona schon drei Aufführungen im Berliner Admiralspalast. Es gibt auch Gespräche, das nächstes Jahr wieder auf die Bühne zu bringen. Ich möchte es aber gerne neu inszenieren und dazu braucht es ein bisschen Abstand. Deshalb ist es dann der Roth-Text geworden, den ich sehr ins Herz geschlossen habe. Ich glaube, es ist ein Abend, wie man sich Theater vorstellt.

Pressebild zu Ben Beckers Programm "Im Exil"
In seinem Programm "Im Exil" liest Ben Becker Texte von und über Joseph Roth.

Ein rundum schöner Abend

Inwieweit sehen Sie Parallelen zwischen der Zeit Joseph Roths und der heutigen politischen und gesellschaftlichen Situation in Europa?
Becker: "Im Exil" ist damals auch Corona-bedingt, wo man mehr oder weniger Arbeitsverbot bekommen hat, entstanden. Das kann man auch mehr oder weniger auf alle Schriftsteller übertragen, die in Deutschland Schreibverbot hatten. Darüber hinaus gibt es auch heute weltweit viele Menschen, die gezwungen sind, im Exil zu leben. Aber ich will den Abend nicht politisieren. Es ist nur so, dass ich mich mit dem großen Schriftsteller Josef Roth beschäftige und sozusagen das Bedürfnis habe, diesen Mann auf die Bühne zu bringen und seine Worte zu Gehör zu bringen. Der zweite Teil von Regisseur Géza von Cziffra beschäftigt sich mit dem Leben von Josef Roth, was auch viel Freude bereitet und spannend ist.

Warum haben Sie gerade "Die Legende vom heiligen Trinker" ausgewählt?
Becker: Es bot sich an, wenn auch widerwillig, den Text etwas zu kürzen. Damit das Publikum bis zur Pause durchhält, ohne nervös zu werden. Und "Hiob" öffentlich aufzuführen, ist seit Walter Schmidinger verboten, weil er so gut war, das sollte man besser so stehen lassen.

Was soll das Publikum aus einer Becker-Lesung mitnehmen?
Becker: "Apokalypse", also "Herz der Finsternis", war vielleicht doch etwas verstörend. Das ist dieser Abend keinesfalls. Ich denke, dass man hier auf eine Art und Weise wirklich beseelt nach Hause geht. Ich kann es auch gar nicht anders erklären, als zu sagen, dass es ein rundum schöner Abend mit wunderbarer Musik von Wolfgang Ambros sein wird.

Ben Becker gemeinsam im Studio mit Wolfgang Ambros
Wolfgang Ambros hat für "Im Exil" zwei seiner Songs neu eingesungen.

Hassliebe zum Trash-TV

Die Themen, die Sie in ihren Performances behandeln, sind nicht gerade leichte Kost. Lassen Sie sich auch einfach mal mit seichter Unterhaltung "berieseln"?
Becker: Das ist ein Laster von mir. Leider muss ich gestehen, dass ich Anhänger von Trash-TV bin. Ich genieße es, mich fremdzuschämen. Aber auch nicht zu viel. Ich bin in dem Beruf des Schauspielers ja angetreten, weil ich etwas zu sagen habe und die ernsthafte Auseinandersetzung suche. Wenn man die nicht sucht, dann braucht man sich mit Shakespeare, Göthe oder Schiller gar nicht auseinanderzusetzen. Wenn man das Feld solcher Größen betritt, dann ist das schon recht existenziell und ernst zu nehmen. Deshalb suche ich mir in der Literatur durchaus nicht leicht zu verdauende Kost oder die schwierigen Themen aus.

Sind solche Formate wirklich nur "Volksverdummung" oder haben sie Ihre Berechtigung?
Becker: Es ist schon ein bisschen Volksverdummung. Da ist natürlich viel Geld drin, mit dem man aber viel schönere Geschichten erzählen könnte – oder Kindern eine Suppe kaufen, macht auch mehr Sinn. Wer braucht so einen depperten Reality-Star, der bis unters Kinn tätowiert ist? Das kann eigentlich nicht gesund sein.

Werden solche Persönlichkeiten von unserer Gesellschaft zu sehr gehypt?
Becker: Ich denke, ja. Ich glaube, dass diese Konsumgesellschaft – so viel Spaß sie mir hier und da macht – gegen die Wand fährt.

Ich glaube, dass diese Konsumgesellschaft – so viel Spaß sie mir hier und da macht – gegen die Wand fährt.

Ben Becker über den Hype um Reality-Stars

Tarzan im Lendenschurz

Stimmt es, dass Ihnen für eine Teilnahme am Dschungelcamp 1 Million Euro angeboten wurden?
Becker: Das ist Jahre her. Die Geschichte habe ich einer Reporterin beim Pressetag für mein nächstes Programm erzählt. Man kommt ja an diesem Reality-Thema nicht mehr vorbei und da habe ich ihr diese Anekdote erzählt. Das hat sich tatsächlich so zugetragen, aber sie werden mich in einem solchen Format keinesfalls finden.

Tut man sich schwer, ein solches Angebot auszuschlagen?
Becker: Nein. Ich bin nicht käuflich. Danach könnte ich ja keine Theaterbühne mehr betreten, weil mich alle nur mehr als Tarzan im Lendenschurz sehen wollen.

In den Medien werden Sie oft als "Enfant terrible" beschrieben. Sind Sie mit diesem Label glücklich?
Becker: Damit kann ich leben. Übersetzt heißt das "das schreckliche Kind", was eigentlich ganz lieb gemeint ist. Manchmal haben es die Leute ja auch ganz gerne unterhalten zu werden, und wenn ich das mache, dann auf höherem Niveau. Wie ich immer sage: 'Nichts kaputt machen, nur verändern'.

Spielt man mit diesem Image?
Becker: Ja, das habe ich gemacht. Aber mittlerweile interessiert mich das nicht mehr so. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit als Künstler und das, was ich zu sagen habe. Ich mache lieber schöne Theatershows, als irgendwo Blödsinn zu erzählen oder zu machen.

Weltpremiere im Berliner Dom

Können Sie uns etwas über zukünftige Projekte verraten? Welcher Autor beziehungsweise welcher Text würde Sie noch reizen?
Becker: Jetzt arbeite ich gerade an einem Text eines englischen Predigers. Der zweite Teil wird ein Text von Nobelpreisträger Joseph Brodsky. Daraus bastle ich einen Abend, der auch wieder in erster Linie in Kirchen stattfinden wird. Die Weltpremiere wird im Berliner Dom über die Bühne gehen. Wir verhandeln gerade auch mit St. Paul's Cathedral in London, die eine Partnerkirche des Hamburger Michel und des Berliner Doms ist, wo ich mit den beiden Texten zu Gast bin.

Ben Becker ist mit "Im Exil" am 21. Mai zu Gast in der Grazer Oper. Tickets unter ticketzentrum.buehnen-graz.com

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