Karriere ist jetzt weiblich
Im Vorfeld des Internationalen Frauentages am 8. März lud Weekend Magazin Top-Managerinnen ein, sich über ihre Erfahrungen im geschäftlichen Umfeld auszutauschen. Stereotype Aussagen? Fehlanzeige!
Auftanken, austauschen und gestärkt in den Tag starten: Anfang März kamen Frauen aus dem oberösterreichischen Top-Management auf Einladung von Weekend in der "Börserie" zusammen. Beim Frühstück in der Linzer City lautete das Motto: Gemeinsam sind wir stärker! Mit ihrem kurzen Vortrag zu "Fünf Karriereboosts für Frauen" setzte Doris Schulz erste Impulse, dann ging es schon in die Diskussion.
weekend: Wahr oder falsch: Frauen übernehmen nicht oft genug Verantwortung.
Michaela Keplinger-Mitterlehner: Der Unterschied zwischen Männern und Frauen liegt oft in der Selbsteinschätzung. Männer agieren lockerer. Weiterentwicklung ist aber nur dann möglich, wenn ich hin und wieder Ja sage. Mein Rat wäre, die angebotene Position zu hinterfragen, allerdings dann Nein zu sagen, wenn man mit der neuen Aufgabe unterfordert wäre. An Frauen werden oft jene Aufgaben herangetragen, die einen Mann nicht interessieren.
Anette Klinger: An Frauen wurden gerade in der Corona-Krise auch gern Hiobsjobs vergeben, die mit großen Chancen, aber ebenso enormen Risiken verbunden sind. Ein Mann sagt, jetzt ist es mir zu heiß, und die Frau wittert die lang erhoffte Chance.
weekend: Welche Rolle spielen Mentor:innen oder Vorbilder in Ihrer Laufbahn?
Iris Schmidt: Ich hatte das Glück, immer wieder Menschen – Frauen wie Männer – zu treffen, die mich weitergebracht haben. Übrigens auch durch negative Zugänge und Herangehensweisen, bei denen ich mir gedacht habe, so willst du das nicht machen!
Julia Kretz: Mein persönliches Vorbild ist meine Großmutter, die einen Betrieb gegründet und in schwierigsten Zeiten Durchhaltevermögen an den Tag gelegt hat.
Michaela Keplinger-Mitterlehner: Meine Mentoren waren sehr häufig Männer, ohne deren Vertrauen in meine Leistungen ich es nicht so weit gebracht hätte.
weekend: Haben Sie Ihre Erfahrungen schon genutzt, um andere Frauen zu unterstützen?
Michaela Keplinger-Mitterlehner: Natürlich. Aber ehrlich gesagt viel zu wenig. Ein paar konkrete Erfolgserlebnisse habe ich, darüber freue ich mich auch. Oft ist es mir auch nicht gelungen, zum Beispiel, wenn es um das Thema Aufstockung der Teilzeit geht. Wenn ich eine Frau motivieren kann, Stunden aufzustocken, winkt in einer Bank ein attraktiver Job - auch mit nur 30 Stunden. Mit 20 Stunden geht sich das nicht aus. Dennoch gibt es leider nicht die Nachfrage, die ich mir wünschen würde.
Iris Schmidt: Habe ich auch bereits erlebt: Die unterstützte Person fühlt sich in der Rolle überfordert, die man für sie vorgesehen hat. Man kann auch jemanden bis zur Unfähigkeit fördern. Unterstützen ja, und zwar als Angebot, Verantwortung zu übernehmen.
weekend: Stichwort Personalmangel: Der Stellenwert von Arbeit scheint derzeit geradezu im Sinkflug begriffen. Wo sind die Mitarbeiter geblieben?
Doris Schulz: Es geht um die Grundeinstellung zur Arbeit, sie muss als etwas Sinnstiftendes wahrgenommen werden. Man muss ein attraktives Arbeitsumfeld für qualifizierte Mitarbeiter schaffen. Mangelnde Wertschätzung ist übrigens einer der Hauptgründe für Kündigungen.
Iris Schmidt: Ein großes Problem: Viele Frauen scheiden fünf Jahre vor Pensionsantritt freiwillig aus oder bleiben in Teilzeit, auch wenn die Kinder groß sind. Die Rede von Work-Life-Balance erzeugt leider ein falsches Bild, nämlich das einer Trennung, obwohl Arbeiten einfach zum Leben gehört.
Anette Klinger: Es sollte keine Jobs mehr geben, in denen der Mitarbeiter sein Hirn nicht einschalten muss, weil er oder sie keine Gestaltungsmöglichkeiten hat. In der Produktion lässt sich das etwa durch rotierende Arbeitsplätze erreichen. Die Rahmenbedingungen machen es den Arbeitgebern aber auch schwer. Viele Mitarbeiter:innen würden gern mit 60 oder 65 Jahren weiter projektbezogen arbeiten, um den Kontakt zu den Kollegen und Kunden zu erhalten. Das muss sich aber auch lohnen, ebenso die Aufstockung von Teilzeit.
weekend: Stellt der demografische Wandel gerade für Frauen eine Chance dar?
Anette Klinger: Auf jeden Fall. Das Angebot ist knapp, in qualifizierten Bereichen ist das nachkommende Potential von Frauen größer als das von Männern.
Doris Schulz: Frauenkarrieren haben auch viel mit verschiedenen Lebensphasen zu tun. Mit 40, 45 Jahren ist für Frauen wieder alles möglich.
Julia Kretz: Ich habe im Oktober ein berufsbegleitendes Studium abgeschlossen. Mir zum Beispiel hilft es, dass das Pensionsalter für Frauen auf 65 Jahre angehoben wurde. Viele Frauen sehen leider die Vorteile nicht, die mit einem späteren Pensionsantritt verbunden sind.
Anette Klinger: Das höhere Pensionsalter ist eine Riesenchance für Frauen, nochmal Karriere zu machen und das Gehalt nochmal zu steigern.
weekend: Führen Frauen anders als Männer?
Iris Schmidt: Der Führungsstil meines Vorgängers und meiner unterscheiden sich stark, das liegt aber an unseren Persönlichkeiten. Aber einen Unterschied sehe ich schon: Dort, wo Frauen Führungspositionen innehaben, kommen mehr Frauen zum Zug.
Julia Kretz: Ich würde sagen, Frauen sehen stärker das große Ganze. Männer sind stärker auf ihren persönlichen Vorteil fokussiert.
Anette Klinger: Führung ist eine sehr individuelle Sache und vor allem ein Thema der Unternehmenskultur. Es ist schön, dass Frauen Empathie zugestanden wird, möglicherweise durch die Erziehung der Kinder.
weekend: Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich raten?
Anette Klinger: Habe Mut, Chancen zu ergreifen! Sag zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort Ja. Und ganz wichtig: Humor hilft ungemein. Kränkungen belasten und erschweren dagegen das Leben. Auf Rache kann man übrigens ohne weiteres verzichten.
Julia Kretz: Achte auf deine rechtliche Situation im Unternehmen, wenn du einen Vertrag unterschreibst! Ich war sehr naiv.
Iris Schmidt: Selbst bei Dingen, die sehr unangenehm erscheinen, stellt sich im Rückblick heraus: So schlimm war es gar nicht.
Anette Klinger: Ganz richtig: Vom Mond aus gesehen ist das alles eh kein Problem (alle lachen).