Kurz-Krise: Vier Szenarien für Österreich
Sind Neuwahlen unausweichlich oder schafft Alexander Schallenberg die Wende zum Guten? Das ist die Frage. Sebastian Kurz hat mit einem taktischen Manöver einmal mehr alle überrascht. Die Grünen müssen nun nolens volens in der Koalition weiter machen – und das wird nicht einfach. Wir haben uns überlegt, was die Österreicher in den nächsten Monaten von der Politik zu erwarten haben. Ein Ausblick in vier Szenarien.
Szenario 1: Kurz als Schattenkanzler
Alexander Schallenberg fungiert als Platzhalter für Sebastian Kurz. Der Altkanzler diktiert weiterhin das Spiel, trifft alle Entscheidungen. In dieser Konstellation wird es für die Grünen ganz schwer, an Profil zu gewinnen, geschweige denn eigene Projekte umzusetzen. Sebastian Kurz wird keine Gelegenheit auslassen, um sich an Werner Kogler zu rächen. Am Ende steht eine völlig zerrüttete Regierung, die in Neuwahlen taumelt. Kurz wird sich dann noch einmal zum Kanzlerkandidaten küren lassen.
Wahrscheinlichkeit: hoch
Szenario 2: Schallenberg tritt aus dem Schatten
Die erste Wortmeldung des neuen Bundeskanzlers lässt zwar nicht unbedingt auf eine rasche Abnabelung vom Altkanzler schließen, ganz unmöglich scheint eine solche aber nicht. Mit dem Abgang von Gerald Fleischmann, vormals mächtiger Dirigent der sogenannten Message Control, ist zumindest ein wichtiger Player aus dem Kurz-Universum ausgeschieden. Allerdings reicht das bei weitem nicht aus. Schallenberg müsste einen groß angelegten Umbau seines Kabinetts vornehmen, um den langen Schatten von Sebastian Kurz los zu werden. Entscheiden wird auch die Rolle der Landeshauptleute sein. Lassen sie Kurz fallen oder erinnern sie sich an glorreiche Wahlerfolge – von denen auch sie profitierten.
Wahrscheinlichkeit: mittel
Szenario 3: Langsame Demontage von Kurz
Sebastian Kurz dazu zu bringen, das Kanzleramt zu verlassen, dürfte kein leichtes Unterfangen gewesen sein. Letztlich haben sich die mächtigen ÖVP-Landeshauptleute mit einer Zwischenlösung zufriedengeben müssen. Hört man sich jedoch die Wortmeldungen etwa von Hermann Schützenhöfer oder auch Johanna Mikl-Leitner an, könnte der Rücktritt als Kanzler erst der Anfang einer allmählichen Demontage gewesen sein. Es wird wohl von den Umfragen der nächsten Wochen und Monate abhängen, wie weit man Sebastian Kurz in der Partei noch unterstützt.
Wahrscheinlichkeit: sehr hoch
Szenario 4: Weitere Enthüllungen – endgültiger Rückzug von Kurz
War es das schon oder kommt noch was? Das ist die Frage. Sollten noch mehr Chats auftauchen, könnte das Sebastian Kurz auch den Job als Parteiobmann kosten. Das Fass scheint voll zu sein. Nicht zu vergessen ist die bevorstehende Anklage wegen Falschaussage beim Ibiza-Untersuchungsausschuss. Sollte es tatsächlich dazu kommen, wird es in der ÖVP nur noch wenige geben, die Kurz die Stange halten. Kurz wird sich dann wohl nicht mehr auf die Unschuldsvermutung zurückziehen können.
Wahrscheinlichkeit: mittel