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Martin Kocher im Gespräch mit Robert Eichenauer und Stefanie Hermann
Martin Kocher im Gespräch mit den Weekend-Redakteuren Robert Eichenauer und Stefanie Hermann.
Martin Kocher im Gespräch mit den Weekend-Redakteuren Robert Eichenauer und Stefanie Hermann.
Alex Felten/Weekend Magazin

Martin Kocher: „Im Nachhinein ist es immer leichter“

23.11.2021 um 11:07, Robert Eichenauer
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Minister Martin Kocher erzählt im Weekend-Interview über sein Verhältnis zu Sebastian Kurz, die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt und warum wir Impfmuffel sind.

weekend: Herr Minister, Sie sind gelernter Volkswirt, haben eine beachtliche wissenschaftliche Karriere in diesem Fach hingelegt. Sollten Sie nicht eigentlich Finanzminister sein?
Martin Kocher: Als Volkswirt habe ich mich natürlich auch mit dem Arbeitsmarkt beschäftigt. Insofern bin ich durchaus am richtigen Platz.

weekend: Aber reizvoll wäre das Finanzministerium schon, oder?
Martin Kocher: Wir hatten zu Jahresbeginn die höchste Arbeitslosigkeit seit dem 2. Weltkrieg. Das war für jemanden, der neu in der Politik ist, herausfordernd genug. Das Finanzministerium ist noch einmal eine andere Nummer.

weekend: Haben Sie sich den Job so vorgestellt?
Martin Kocher: Ja, ehrlich gesagt, ziemlich genau so. Ich kannte ja die Jobbeschreibung. Das liegt auch daran, dass das IHS, wo ich vorher tätig war, jahrelang Studien für Institutionen im Umfeld der Politik gemacht hat. Außerdem war ich ja auch in Gremien wie dem Fiskalrat oder dem Statistikrat.

weekend: Sie wurden von Sebastian Kurz geholt. Wie ist ihr Verhältnis zu ihm?
Martin Kocher: Ich habe mit Sebastian Kurz immer einen sehr guten Austausch gehabt und wir haben vertrauensvoll zusammengearbeitet. Mir war, als jemand, der von außen kommt, wichtig, dass ich mich um mein Portfolio, also um den Arbeitsmarkt kümmere. Aber man kann sich natürlich auch nicht Scheuklappen aufsetzen und sagen, was da passiert, ist mir völlig egal.

Schwer zu sagen. Ich glaube schon, weil letztlich geht es mir nicht um politische Dinge. – Martin Kocher hätte trotz der Chats „Ja“ gesagt.

weekend: Hätten Sie auch Ja gesagt, wenn Sie die aufgetauchten Chats vorher gekannt hätten?
Martin Kocher: Schwer zu sagen. Ich glaube schon, weil letzten Endes geht es mir nicht um die politischen Aspekte, sondern darum, Dinge, die für die Verbesserung der Arbeitsmarktlage in Österreich wichtig sind, umsetzen zu können.

weekend: Wird es für Kurz ein Comeback als Kanzler geben?
Martin Kocher: Ich denke, jetzt müssen zunächst die rechtlichen Aspekte abgeklärt werden. Dann wird man sehen. Ich habe jedenfalls großen Respekt vor dem Schritt, den er gesetzt hat.

weekend: Aktuell gehen die Corona-Zahlen ja durch die Decke. Wie wird sich das auf die Arbeitslosenzahlen auswirken?
Martin Kocher: Es gibt eine relativ starke Koppelung zwischen der Entwicklung der Infektionszahlen und der Wirtschaft – selbst wenn es keinen Lockdown oder Einschränkungen gibt. Ich hoffe sehr, dass wir uns durch die Impfung davon entkoppeln können. Ein Winter wie letztes Jahr wäre sehr schwer zu verkraften. Die Impfung ist einfach der entscheidende Schritt aus der Pandemie heraus.

weekend: Hätte man, um die Impfquote nach oben zu bringen, 2G schon früher einführen sollen?
Martin Kocher: Im Nachhinein ist es immer leichter, Einschätzungen abzugeben.

Arbeitsminister Martin Kocher.
Arbeitsminister Martin Kocher.

weekend: Als Mann der Zahlen und Fakten muss die aktuell vorherrschende Wissenschaftsfeindlichkeit ein Gräuel sein. Woher kommt das?
Martin Kocher: Im Moment leben wir in einer Welt, in der man für jede Meinung auch die passende Information findet. Meinung und Fakten werden leider häufig vermischt. Die Ablehnung der Impfung hat wohl auch mit einer überdurchschnittlichen Technologiefeindlichkeit im deutschsprachigen Raum zu tun.

Im Moment leben wir in einer Welt, in der man für jede Meinung auch die passende Information findet. – Martin Kocher über Wissenschaftsfeindlichkeit

weekend: Kommen wir am Ende zum Arbeitsmarkt zurück. Sie arbeiten an einer Reform. Warum eigentlich, wenn die Zahlen eh gut sind?
Martin Kocher: Die Reform hat nichts mit der aktuellen Arbeitsmarktlage zu tun. Da geht es um Herausforderungen, die wir schon vor der Pandemie hatten, wie etwa Langzeitarbeitslosigkeit, den Fachkräftemangel oder auch eine zu geringe Anzahl an Frauen, die Vollzeit arbeiten.

weekend: Es soll für Arbeitslose härter werden, wird gemunkelt?
Martin Kocher: Es wird vielleicht manches anders. Grundsätzlich verfolgen wir zwei Ziele: Einerseits sollen Menschen rascher in Beschäftigung gebracht werden, andererseits die Einkommen besser abgesichert.

Zur Person:

Der studierte Volkswirt legte eine wissenschaftliche Bilderbuchkarriere hin. 2010 wurde er Professor an der Universität von East Anglia, die er jedoch bald verließ, um an die Ludwig-Maximilians-Universität in München zu wechseln. Es folgten Stationen an der Universität Göteborg und an der Queensland University of Technology. Kocher ist verheiratet und verbringt seine Freizeit vorwiegend in den Bergen.

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