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Faszination True Crime: Was steckt dahinter?

08.02.2021 um 13:32, Teresa Frank
min read
Serienmörder, schreckliche Gewalttaten, Psychoterror – je düsterer, desto spannender. Von Inhalten wie diesen scheinen die Fans von True-Crime-Formaten nicht genug zu bekommen: Woher kommt dieses Interesse eigentlich?

Das Genre True Crime erlebt seit einigen Jahren einen unglaublichen Hype. Egal ob Serien, Podcasts oder Zeitschriften – immer mehr Menschen scheinen von wahren Verbrechen und den betroffenen Schicksalen in den Bann gezogen zu werden. Aber was genau spricht die Fans an diesen Erzählungen so an?

Kein neues Phänomen.

Die große Auswahl an Fernsehserien wie Criminal Minds oder CSI Miami, die bereits in der 15. Staffel laufen, zeigt deutlich, dass das Interesse an Verbrechen und Gewalt nicht gerade neu ist. Egal zu welcher Uhrzeit und auf welchem Sender – wer nach Bluttaten und den Abgründen der menschlichen Psyche sucht, wird definitiv fündig. „Diese Faszination der Menschen für Verbrechen hat es auch früher schon gegeben. Man ging eben zu öffentlichen Hinrichtungen oder Gerichtsprozessen, die eigentlich als Abschreckung dienen sollten, um daran teilzuhaben“, erklärt Katharina Börries vom Podcast „True Crime Austria“. Verbrechen – ob nun fiktional oder wahr – haben also immer schon fasziniert. Was sich verändert hat, sind lediglich die Formate ihrer Darstellung.

Grusel-Faktor.

Ist es also bloß Voyeurismus und Neugier geschuldet, dass gewisse Menschen so sehr an wahren Verbrechen interessiert sind? Katharina Börries meint, dass hinter dem Warum mehrere Theorien stecken. „Prinzipiell kann man das Ganze wahrscheinlich gut mit der Spannung eines Horrorfilms vergleichen. Es passiert etwas Furchtbares und Schockierendes, wovon man als Zuseher aber nicht direkt betroffen ist. Man kann es also mit einem gewissen Abstand in Sicherheit mitverfolgen. Bei True Crime liefert die reale Komponente einen zusätzlichen Kick. Diese Dinge könnten einem tatsächlich auch selber passieren“, meint die Journalistin. Auch Christian Bachhiesl, Leiter des Kriminalmuseums in Graz, glaubt, dass vor allem der Grusel-Faktor im Vordergrund steht: „Natürlich will keiner, dass er selbst von diesen Umständen betroffen ist. Dennoch gibt es einen gewissen Thrill, die Geschichten mitzuverfolgen und auch bei der Aufklärung mitzufiebern.“

Vielfältiger Reiz.

Neben der Liebe zum Gruseln tragen aber noch weitere Komponenten zur Faszination True Crime bei. „Kriminalität spricht viele an, aber nicht jeden fasziniert dasselbe“, weiß Bachhiesl. So gibt es zum einen Menschen, die tief in die Psyche der Täter eintauchen wollen, um zu verstehen, wie es zu den Taten überhaupt kommen kann. Die Frage, ob Mörder und Verbrecher von Geburt an prädestiniert für ihre Taten sind oder erst im Laufe ihres Lebens von ihrer Umwelt zu Monstern gemacht werden, spaltet dabei nach wie vor die Geister. Andere wiederum versuchen, die Taten durch die Augen der Opfer zu betrachten, und lassen sich von deren Schicksalen mitreißen. Auch die wissenschaftliche und kriminaltechnologische Facette der Verbrechensaufklärung stößt auf besonders großes Interesse, wie die Besucherzahlen des Grazer Kriminalmuseums verdeutlichen. „Bei uns im Museum fesselt vor allem die Echtheit der Ausstellungsstücke. Das reicht von Tatwerkzeugen über die Schädelknochen von Opfern bis hin zu den historischen Methoden der Verbrechens­aufklärung. Wie man früher beispielsweise vor allem auf die Aussagen von Zeugen angewiesen war, zu Lügendetektoren griff und heutzutage mit den kleinsten DNA-Spuren gearbeitet werden kann. Diese Entwicklungen und das Wissen, das wir daraus schöpfen können, ist für die Besucher sehr spannend“, erzählt der Kurator.

Frauendomäne.

Allgemein seien die Besucher des Kriminalmuseums ganz bunt gemischt, meint Bachhiesl. Egal ob alt oder jung, weiblich oder männlich – das Thema scheint auf jede Gruppe eine gewisse Anziehung auszuüben. Dennoch bemerkt Bachhiesl besonders im Bereich der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema ein verstärktes weibliches Interesse. „In vielen Lehrveranstaltungen zum Thema Kriminologie und Kriminalpsychologie sitzen zum größten Teil weibliche Zuhörer. Viele schreiben auch ihre Dissertationen zu diesen Themen, setzen sich mit schlimmen Verbrechen, psychologischen Abgründen oder sogar Schusswaffentechnik auseinander“, ergänzt er. Auch was die Konsumenten der True-Crime-Formate betrifft, scheint ein Großteil weiblich zu sein. Podcasterin Katharina Börries erklärt sich das so: „In den Medien werden Frauen häufig als Opfer dargestellt. Ihnen wird von klein auf intensiver eingeredet, dass sie aufpassen und vorsichtig sein sollen, wenn sie zum Beispiel irgendwo alleine unterwegs sind. Sie sehen sich also vielleicht selbst leichter in der Rolle der Betroffenen und interessieren sich daher auch mehr für dieses Genre.“ Möglicherweise erklärt das auch, warum die Formate zumeist von Frauen produziert werden. Besonders im deutschsprachigen Raum sind es nämlich oft Podcasterinnen und Autorinnen, die für ihr Publikum Kriminalgeschichten recherchieren und über spannende Themen informieren.

Interview Christian Bachhiesl, Leiter des Grazer Kriminalmuseums

Welche Art von Verbrechen fasziniert die Besucher des Museums am meisten?
In erster Linie sind es natürlich Gewaltverbrechen, für die sich die Menschen interessieren. Sie sind oft sinnbildlich für die Gesellschaftsstrukturen einer bestimmten Zeit und regen dadurch auch zum Nachdenken an.

Worauf richtet die Ausstellung ihren Fokus?
Wir zeigen die Sammlung des Kriminologen Hans Gross, die vor allem die wissenschaftlichen Aspekte der Verbrechen und deren Aufklärung darstellt. Sie zeigt einerseits die Fortschritte in der Forensik und andererseits auch die Entwicklung in der Wahrheitsfindung. Tatwaffen, Tatortskizzen und Falschspielermaterial - großteils aus dem Zeitraum von 1895 bis 1950 - gehören ebenfalls zur Ausstellung.

Haben Sie das Gefühl, dass viele Krimi-Fans oft ein falsches Verständnis von Verbrechens­aufklärung haben?
Ja, das ist wahrscheinlich dem Fernsehen geschuldet. Dort sehen sie, wie Täter mithilfe kleinster DNA-Spuren überführt werden können. In Wirklichkeit sind diese aber nicht immer zu 100% aussagekräftig. In Deutschland kam es beispielsweise einmal vor, dass an mehreren Tatorten im ganzen Land die DNA einer Frau gefunden wurde. Wie sich herausstellte, arbeitete sie in der Verpackungsfirma der Wattestäbchen, die für die Spurensicherung benutzt wurden.

Interview mit Katharina Börries, Journalistin und Podcasterin von True Crime Austria

Was genau fasziniert dich persönlich an True Crime?
Für mich als Journalistin sind es einerseits natürlich die Recherchen. Man sammelt gewissermaßen viele Teilstücke eines Falles, die sich dann zu einem großen Bild zusammensetzen. Nach und nach werden dann die Zusammenhänge klar. Andererseits sind auch die Beweggründe des Täters, die oft als große Unbekannte im Zentrum stehen, sehr faszinierend. Warum tun Menschen das? Und im Umkehrschluss: Was tun andere, um das zu verhindern?

Wie geht ihr denn bei der Recherche für einen Fall vor?
Wir hatten von Beginn an eine lange Liste mit Fällen, die wir gerne näher beleuchten wollten. Wir achten dabei sehr auf Diversität, deshalb werden abwechselnd Verbrechen mit männlichen und weiblichen Tätern vorgestellt. Zudem behandeln wir Fälle aus verschiedenen Zeiten und versuchen dabei immer, die jeweiligen Umstände miteinzubeziehen. Für die Informationen nutzen wir hauptsächlich Bibliotheken und Archive. Zusätzlich dazu haben wir zum Beispiel u. a. eine Kooperation mit dem Wiener Kriminalmuseum, wodurch wir auf viele verschiedene Materialien zugreifen können. Mit Interviewpartnern, wie beispielsweise den ermittelnden Polizisten, versuchen wir auch, einen Einblick hinter die Kulissen geben.

Kann es nicht auch gefährlich für die Psyche werden, sich tagtäglich mit Mord und Totschlag auseinanderzusetzen? Für euch und auch für die Fans?
Ich persönlich kann das ganz gut von mir wegschieben. Das ist eben meine Arbeit und die lasse ich nicht zu nah an mich ran. Auch den Zuhörern ist bewusst, dass diese Art von Inhalten keine leichte und lustige Unterhaltung ist, sondern ernste Themen beleuchtet. Das ist nicht immer leicht und wir hatten auch schon Folgen, vor denen wir viel diskutiert haben, was wir sagen und was nicht. Oder später auch in Bildern zeigen. Auf jeden Fall geben wir bestmöglich Trigger-Warnungen, sodass gewisse Details gezielt übersprungen werden können.

Mittlerweile gibt es ein sehr großes Angebot an True-Crime-Podcasts. Herrscht auf diesem Markt eine Art Konkurrenzkampf?
Ich empfinde das eigentlich nicht als Konkurrenzkampf. Dass es mittlerweile so viele Formate mit diesem Themenschwerpunkt gibt, bietet eine vielfältige Auswahl, in der für jeden etwas dabei ist. Egal, ob man sich nun eher für die juristischen, forensischen oder historischen Aspekte der Verbrechen interessiert – man findet auf jeden Fall einen Anbieter, der zu den individuellen Vorstellungen passt. Uns ist es allerdings schon wichtig, als eigenes Format wahrgenommen und nicht automatisch in einen Topf mit anderen True-Crime-Podcasts geworfen zu werden, zum Beispiel wenn die sehr ernste Thematik ins Lächerliche gezogen wird. Wir versuchen stets, die Fakten nicht auf eine reißerische Weise, sondern sachlich wiederzugeben. Und ich hoffe, das gelingt uns auch!

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