Alles Bio oder was?
Die Äpfel leuchten rot von den Bäumen, die Zwetschken sind schon längst zum Pflücken bereit, die Spätsorten unter den Erdbeeren und Himbeeren lassen großen und kleinen Naschkatzen das Wasser im Munde zusammenlaufen und die Kürbisse im Feld nehmen bedenkliche Dimensionen an. Als Dank für die Früchte der Erde wird schon seit weit mehr als zweitausend Jahren im Herbst ein Fest gefeiert. Im Christentum ist es das Erntedankfest, das am ersten Sonntag nach Michaeli, also Ende September oder Anfang Oktober, gefeiert wird. Meist wird dazu eine große Kornkrone geflochten, die in einer Prozession, gemeinsam mit anderen Gaben, in die Kirche getragen wird. In einer feierlichen Messe wird Gott für die Ernte gedankt, die Gaben werden gesegnet und den Bedürftigen der Gemeinde gespendet. Die Bauern haben in dieser reichen Zeit im wahrsten Sinn des Wortes alle Hände voll zu tun. Welch ein Glück, dass wir sie haben, die Bauern, die uns mit wertvollen Lebensmitteln versorgen und unsere Landschaft pflegen. Das Erntedankfest sollte also auch ihr Fest sein – ein Fest zu Ehren unserer Landwirte.
Bio? Logisch!
Laut der letzten Agrarstrukturerhebung gab es im Jahr 2016 in Österreich 162.018 land- und forstwirtschaftliche Betriebe – Tendenz fallend. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Bioproduzenten verhältnismäßig zu. In Österreich werden mittlerweile immerhin 26,4 Prozent der Flächen biologisch bewirtschaftet, ganze 22,8 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe sind Biobetriebe. Für sie gelten überdurchschnittlich strenge Regeln. In puncto Umweltschutz und Nachhaltigkeit kommt ihnen eine besondere Bedeutung zu. Aber was genau bedeutet BIO überhaupt? Und wo kommt Paradiesische Zustände die Idee von biologischer Landwirtschaft eigentlich her?
Michael Ernst Schmid, Landwirt und Bio-Botschafter:
„Bio“ ist ja fast die gesamte Geschichte der Landwirtschaft. Erst seit gut 100 Jahren werden chemisch hergestellter Dünger und diverse Gifte (Pestizide, Fungizide, Herbizide) eingesetzt und damit wird der Boden, die wichtigste Lebensgrundlage aller Lebewesen des Planeten, nachhaltig zerstört. „Bio“ muss wieder normal und Standard werden und ist die einzige Möglichkeit, wie wir die Weltbevölkerung, aber auch die regionale Bevölkerung nachhaltig ernähren können. Es darf keiner Kennzeichnung, Kontrollen und keiner Siegel bedürfen. Im Gegenteil: Es muss gekennzeichnet werden, wenn etwas unter Einsatz von Pestiziden produziert wurde oder genveränderte Organismen im Spiel sind oder die ethisch korrekten Grundsätze des Zusammenlebens und Haltens von Tieren nicht eingehalten werden. Gemeinsam mit attraktiven landwirtschaftspolitischen Anreizsystemen und einer breiten Information der Bevölkerung über die Qualität unserer Ernährung würde sich das in kürzester Zeit ganz von allein lösen. Auch die EU-Bioverordnung ist ja viel zu komplex, praxisfremd und auch mit Hürden ausgestattet, die von bestimmten Chemie-Lobbys hinein reklamiert wurden. Regionalität, Saisonalität und Nachhaltigkeit müssen genauso eine Rolle spielen.
Die Geburtsstunde.
Es war im Jahre 1924, als der Österreicher Rudolf Steiner auf Gut Koberwitz bei Breslau acht Vorträge hielt, die als „Landwirtschaftlicher Kurs“ in die Geschichte eingingen. In nur zehn Tagen schuf Steiner die Grundlage für den biologisch-dynamischen Landbau. Diese zeichnet sich unter anderem durch die Verwendung von biologisch-dynamischen Präparaten und das Beachten von kosmischen Zyklen aus. Seine Kernidee, den landwirtschaftlichen Betrieb als möglichst geschlossenen Organismus zu betrachten, war ebenso revolutionär wie nachhaltig. Sie bildet bis heute einen wichtigen Grundsatz der biologischen Landwirtschaft. Die biologisch-dynamische Bewegung schloss sich schließlich unter dem Markennamen „Demeter“ zusammen und trägt Steiners Ansätze bis heute weiter. Aber auch in anderen Ländern begann die Idee einer ökologischen Landwirtschaft zu keimen. In der Schweiz setzte man unter der Federführung von Hans und Maria Müller und dem Arzt und Mikrobiologen Hans Peter Rusch zunehmend auf organischbiologische Wirtschaftsweise, bei der ein organischer, wirtschaftseigener Dünger und Mikroorganismen eine wesentliche Rolle spielten. In der Folge gab es einerseits immer mehr Bauern, die auf Bio-Landwirtschaft umstiegen und andererseits Quereinsteiger, die sich für die neuen Ideen begeisterten. Auch die Zahl der Verbände und Vereine, die sich dem „Bio“ verschrieben, stieg. Seit 1989 wird die ökologische Landwirtschaft schließlich auch von der EU offiziell gefördert.
Manfred Huber, Geschäftsleitung Biofleisch Sonnberg:
Bio ist eigentlich das einzige Lebensmittel, das wirklich per Gesetz kontrolliert wird. Bio umfasst ja alles. Tierwohl ist ein wichtiges Thema, aber denken wir auch an unsere Böden: Wie werden unsere Böden behandelt, welche Spritzmittel werden ausgeführt? Denken wir an das Futter: Wie viele Tonnen Futter kommen aus Brasilien, wo der Urwald dafür abgeholzt wird? Im Bio gibt es solche Sachen nicht, da ist alles komplett klar geregelt.
Auf Nummer sicher.
Zum Schutz der Konsumenten, aber auch zum Schutz der Produzenten in einem sich rasch entwickelnden Sektor wird seit 1991 die ökologische Lebensmittelwirtschaft durch die EU-Bio-Verordnung geregelt. Alle Lebensmittel, die dieser Verordnung entsprechen, dürfen das EU-Bio-Siegel tragen. In Österreich steht neben diesem noch ein weiteres staatliches Siegel zur Wahl, nämlich das rotweißrote AMA-Biosiegel. Hier gilt ein strenges Kriterium: Alle wertbestimmenden Rohstoffe des Produktes müssen aus Österreich sein. Darüber hinaus gibt es eine Reihe privater Bio-Zeichen, wie Demeter oder BIO AUSTRIA. Unter der Namen BIO AUSTRIA haben sich beispielsweise 12.500 Biobauern zusammengeschlossen, für die gemeinsame Richtlinien gelten, die sogar über die EU-Verordnung hinausgehen. Zuletzt gibt es noch die allseits bekannten Bio-Handelsmarken wie „Ja! Natürlich.“ oder „Zurück zum Ursprung“. Aber Vorsicht! Nur, wo das EU-Bio-Siegel drauf ist, ist auch mit Sicherheit Bio drinnen. Begriffe wie „natürlich“, „naturnah“ etc. sind nicht geschützt und können somit von jedem findigen Werbeprofi verwendet werden.
Tu Gutes.
Wer Bio kauft, tut nicht nur sich selbst, sondern auch der Nachwelt etwas Gutes. Einer, der das genau weiß, ist Michael Ernst Schmid. Mit seinem Forschungs- und Tierschutzverein „Lebens-Werte-Zukunft“ setzt er sich für die Weiterentwicklung des Bio-Gedankens ein. Zurzeit fungiert er auch als Geschäftsführer von Glashaus BIO AUSTRIA am Linzer Grünmarkt, wo Biobauern ihre Produkte direkt vermarkten können. Damit Bio dorthin kommt, wo es hingehört: Ganz nahe zu den Menschen!