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Mann drückt Zigarette in einem Aschenbecher aus
Österreich ist im europäischen Vergleich nach wie vor ein Land der Raucher*innen.
Österreich ist im europäischen Vergleich nach wie vor ein Land der Raucher*innen.
iStock/Smeilov

Süchtig: So schaffen Sie es mit dem Rauchen aufzuhören

01.06.2023 um 09:47, Brigitte Biedermann
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Zum Weltnichtrauchertag erklärt die auf Sucht spezialisierte Psychotherapeutin Monika Spiegel, wie es gelingen kann, mit dem Rauchen aufzuhören.

weekend.at: Viele Menschen wollen mit dem Rauchen aufhören, wie sollte man am besten starten? Mit Reduktion oder sofortigem Stopp?
Monika Spiegel: Als allererstes empfehle ich, den Exit aus der Sucht zu planen und sich zu überlegen, in welcher Situation es am sinnvollsten wäre, das Laster aufzugeben: Im Urlaub oder im Alltag? Jeder Mensch tickt anders, Beides hat seine Vorteile. Im Alltag ist man tendenziell abgelenkter und läuft nicht Gefahr, nach dem Urlaub direkt wieder in alte Muster zu verfallen. Als zweites gilt die Politik der kleinen Schritte, sich erstmal kleine Etappenziele zu setzen – wie zum Beispiel, die Zigaretten vorerst für einen einzigen Tag wegzulassen.

weekend.at: Der körperliche Entzug dauert nur ein paar Tage, doch das Schwierige ist die Psyche: Haben Sie Tipps zur neuen Programmierung bestimmter Handlungen wie Rauchen beim Kaffee, Telefonieren, Autofahren etc.?
Monika Spiegel: Unbedingt sollte man jene Rituale meiden, die an die Sucht erinnern. Statt Kaffee könnte man einen Tee trinken, wenn man sonst zum Kaffee eine Zigarette raucht. Meistens hilft es über den temporären Sucht-Druck hinweg, wenn man sich durch alternative Tätigkeiten ablenkt und damit selbst austrickst. Denken Sie immer daran, das sogenannte Craving – der Sucht-Druck – dauert nur 15 bis 20 Minuten.

Monika Spiegel
Die PsychotherapeutinDr. Monika Spiegel ist spezialisiert auf die Themenbereiche Sucht, Persönlichkeitsstörungen sowie Angst und Depression.

weekend.at: Was sollte man tun, wenn man das Bedürfnis verspürt zu rauchen?
Monika Spiegel: Für den Weg zum Nichtraucher-Dasein ist es wichtig, sich selbst und seine Gewohnheiten und individuellen Herausforderungen zu kennen. Wenn das Rauch-Verlangen kommt, ist das erste, aufzuschreiben, in welcher Situation man sich gerade befindet. Bin ich im Stress, habe ich Zwist oder gehe ich einer speziellen Gewohnheit nach? Das zu wissen hilft in Zukunft dabei, genau diesen Triggern aus dem Weg zu gehen. Nun heißt es ablenken, raus an die frische Luft, Sport. Wenn man sich auspowert, schüttet man Endorphine aus und es geht einem besser. Es hilft, sich immer wieder an den eigenen Entschluss zu erinnern, unabhängig zu sein.

Denken Sie immer daran, das sogenannte Craving – der Sucht-Druck – dauert nur 15 bis 20 Minuten.

Monika Spiegel

weekend.at: Viele Menschen haben Angst es nicht zu schaffen. Wie sollte man mit dieser Angst oder Rückschlägen umgehen?
Monika Spiegel: Angst und Druck sind keine guten Begleiter auf dem Weg in ein zigarettenfreies Leben. Da sollte man die Perspektive ändern: Man muss nicht aufhören zu rauchen, viel mehr muss man ab sofort nicht mehr ständig überlegen, wann und wo man der Sucht nachgehen darf. Wer will schon ständig den Tisch verlassen und zum Rauchen vor die Tür gehen, wenn man mit Freunden im Restaurant ist? Sich die ganz individuellen Vorteile des Nicht-Rauchens vor Augen zu halten, kann Wunder im Mindset wirken.

weekend.at: Sollte man sich Hilfsmittel wie Pflaster, Akkupunktur etc. holen?
Monika Spiegel: Das Beste, was man tun kann, ist das Suchtverhalten komplett sein zu lassen – das ist aber nicht so einfach und für manche Menschen schlichtweg nicht möglich. Dann kann es ein sinnvoller Schritt sein, das Laster zumindest durch weniger schädliche Alternativen zu ersetzen. Beim Trinken wären das Mocktails oder alkoholfreier Wein, beim Rauchen Rauch-freie Produkte wie Pflaster, Nikotinbeutel, Tabakerhitzer & Co – die sogenannte Schadensminderung also. In der Suchttherapie ist man vom Ansatz des Komplettverzichts weggegangen – heißt, wir können durchaus wieder lernen, mit dem Suchtmittel umzugehen und es zu reduzieren. Die Gefahr ist nur, wieder in die alten Verhaltensmuster zurückzufallen.

weekend.at: Soll man sich eine Belohnung als Ziel setzen?
Monika Spiegel: Das kann gefährlich sein, denn es ist eine Suchtverlagerung. Bedeutet: Ich bin immer noch auf der Suche nach dem Dopaminausstoß im Gehirn – und hier kann der Griff zu einer anderen Substanz gefährlich sein. Dennoch gilt immer: Die Dosis macht das Gift.

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