Kurze Werbepause
Inhalt
- Schlägt Effizienz die Idee?
- Allrounder statt Fachleute
- Werbung als Handwerk
- Maßschneider statt Fast Fashion
- KI muss wissen, was man will
- Das große Thema der Plagiate
Die Werbebranche ließ sich feiern: Der Caesar 2024 wurde am 17. Oktober im Linzer Brucknerhaus verliehen, Preisträger jubelten, Leer-Ausgegangene spendeten anerkennend Applaus. Ein Symptom für eine Werbewelt, die sich in den letzten Jahren massiv geändert hat. Man freut sich mit den anderen und respektiert sie. Das war nicht immer so, kann sich Harry Kriegner, Werber seit 27 Jahren und Managing Partner von Lunik2 erinnern. „Die Marketingbranche wurde von ihrem hohen Thron gestoßen. Ich habe mich 1997 selbstständig gemacht. Das war die Zeit der Goldgräberstimmung. Die Agenturen waren versnobt, hatten Marmorpaläste und entsprachen allen Klischees. Das war für mich als Mühlviertler Bauernbub eine komplett andere Welt.“ Die Goldgräberstimmung ist lange vorbei und „damit ist man demütiger geworden“. Gab es früher hohe Einstiegshürden: „Ein Apple und die Software kosteten ein Vermögen“, so hat man es heute mit einer Vielzahl an kleineren Mitbewerbern zu tun: „Jeder will heute ein Influencer sein, jeder, der ein Smartphone bedienen kann, denkt, er ist ein Fotokünstler. Mit dem Fallen der Einstiegsbarrieren wurde der Mitbewerb extrem mannigfaltig – und es fielen damit auch die Preise in der Branche.“
Schlägt Effizienz die Idee?
Die Medienlandschaft war lange Zeit wenig komplex, Technologie spielte keine große Rolle, „Kreativität war daher lange Zeit die Hauptwährung von Agenturen“. Das sei heute nicht mehr so. „Für zielgerichtetes Targeting steigt der Stellenwert der Technologie.“ Der Werber hat daher eine Idee, wie man Werbepreise in Zukunft bewerten sollte: „Man müsste die Performancezahlen einblenden.“ Gerade die angespannte wirtschaftliche Lage verlange nach Effizienz: „Wir waren vor einigen Jahren noch in einem Verteilungsmarkt. Baufirmen etwa konnten sich ihre Kunden aussuchen. Das ist nun ein Verdrängungsmarkt geworden. Viele Unternehmer sagen: ,Ich brauche nichts Geiles, sondern etwas was mir Kunden bringt.‘ Das rückt etwa den grafischen Anspruch in den Hintergrund“, so der gelernte Grafiker. „Wir sehen, dass authentische, rotzige, Kampagnen oft besser funktionieren. Früher gab es weniger Hebel, deshalb wurde ewig an einem Key Visual herumgedoktert. Ich komme aus der kreativen Ecke und ich liebe schöne Designs, aber sie dürfen nicht Selbstzweck werden.“ Kriegners Credo: „Form follows Content.“
Allrounder statt Fachleute
Agenturen müssen heute jene Technologien beherrschen, die wiederum von Quasi-Monopolisten wie Meta, Google oder TikTok beherrscht werden. Diese bieten Tools für Do-it-yourself-Werbung an. Es könnte zu einer Bevorzugung dieser Art von „Werbung“ durch die jeweiligen Algorithmen kommen, wie Kriegner befürchtet. Das Geschäftsmodell klassischer Agenturen wäre damit stark bedroht. Für den Werber sollte daher das Augenmerk der Agenturen auf dem Verständnis des Geschäftsmodells der Kunden liegen. Sie müssten es voll und ganz verinnerlichen. „Agenturen brauchen heute in etwa ein Drittel Kreativität, ein Drittel Technologie- und ein Drittel Strategieverständnis.“ Das verlange nach einem neuen Typus von Werber – dem Allrounder. „Früher schrieb der Konzeptionist das Konzept, der Grafiker hat die Grafik aufbereitet, der Texter den Text verfasst usw. Heute ist die Halbwertszeit der Kommunikationsmittel kürzer. Nur bei großen Kampagnen brauche ich diese Tiefe. Tiefe, die zum Teil nicht mehr leistbar ist, deshalb braucht es Kundenversteher, die schon die Grundzüge der Kampagne im Kopf haben.“
Werbung als Handwerk
Die beiden Caesar-Preisträger in der Kategorie Audio, Jürgen Steyer und Markus Reiter von der Sky Music Group, haben einen etwas anderen Zugang. „Egal aus welcher Ecke der Werbung man kommt, es ist immer ein beinhartes Handwerk“, so Steyer. Die beiden gründeten die Sky Music Group 2007 und konzentrierten sich anfänglich auf Radiospots. Mittlerweile bietet das Duo ein Komplettpaket von Werbe- und Filmmusik über Kompositionen bis zur Mischung von Dokus und Kinodokus. Im Laufe der Zeit produzierten sie über 3.000 Radiospots. Reiter: „Natürlich hat man viele Ideen und ist kreativ, aber bei jedem fertigen Produkt sind am Ende 60 Prozent aller Ideen weggefallen.“ Steyer und Reiter studierten beide Jazz- und Popularmusik, doch Musiklehrer zu werden war „nicht so sexy“. So kam es zur Spezialisierung.
Maßschneider statt Fast Fashion
Reiter: „Audio ist subtiler als das Bewegtbild. Es ist von der Wertigkeit und Wirkung aber nicht weniger stark als das Bild. Ändere ich bei denselben Bildern den Sound von aggressiv auf lieblich, erziele ich eine ganz andere Wirkung.“ Auch im Audiobereich dominieren Stockmusik und mittlerweile KI-generierte Sounds den „billigen“ Werbemarkt. Für die Steyregger ist das aber keine Konkurrenz. „Das ist, wie wenn man Fast Fashion mit einem Maßschneider vergleichen würde. Wir haben wenige Kompositionsaufträge, aber jene, die kommen, sind sehr hochwertig“, so Reiter. Wie bei anderen Marketingmaßnahmen auch, steht bei einer Audioproduktion eine gute Geschichte im Vordergrund: „Wir machen Storytelling ohne Worte. Ein guter Song alleine erzählt schon eine Geschichte. Der Sprecher zeichnet die Bilder im Kopf.“
KI muss wissen, was man will
Musik sei dabei nicht so konkret wie eine Grafik, wie Reiter meint. „Ein Logo wird vom persönlichen Geschmack viel weniger beeinflusst.“ Das bringt oft Herausforderungen mit sich. Zum einen, weil die Kunden ihre auditiven Vorstellungen schwer beschreiben können, zum anderen, weil sie von ihrem eigenen Musikgeschmack beeinflusst sind. Steyer: „Die Kunden müssen uns vertrauen. Wenn ich einen Hirnchirurgen brauche, sage ich ihm auch nicht, was er zu tun hat.“ Die Schwierigkeit, seine Vorstellungen auszudrücken, macht die Sky Music Group auch gewissermaßen immun gegen KI-Tools. „KI kann einiges ganz gut, so lange sie genau weiß, was man will. Mit Prompts erklärt man ihr, was zu tun ist. Doch wie soll sie das wissen, wenn der Kunde seine Wünsche nicht ausdrücken kann? Man muss also sehr gut zuhören können.“ Das – und vieles andere auch – kann die KI nicht. „Wir haben noch kein KI-Tool gefunden, das unsere Arbeit irgendwie verbessern kann. KI wird also keine Konkurrenz für die Komposition werden, sondern eher eine für die Stockmusik.“
Das große Thema der Plagiate
Und doch gibt es eine echte Herausforderung für die beiden Soundtüftler: Plagiate. „Das ist tatsächlich ein großes Thema. Die Gesetzgebung ist ziemlich tricky. Meist ist man dem Richter komplett ausgeliefert. Nach 1.600 Jahren Musikgeschichte ist es schwierig, etwas nicht zu plagiieren.“ Gerade bei Corporate-Audio-Logos, die oft nur aus wenigen Tönen bestehen, heißt es, viel zu recherchieren. Reiter: „Wenn wir ein solches produzieren, gehen wir in das Markenregister und müssen oft bis zu 800 Logos checken. Man findet fast immer eines von einer großen Firma.“ Wie in fast allen Bereichen der Werbebranche muss man sich daher absichern. „Bis auf einen Fall ist uns noch nichts passiert, aber man braucht auf jeden Fall eine gute Haftpflichtversicherung.“