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Das Herzstück des Amazon-Logistikzentrums in Augsburg ist die 30.000 Quadratmeter große Robotikhalle.
Das Herzstück des Amazon-Logistikzentrums in Augsburg ist die 30.000 Quadratmeter große Robotikhalle. Hier kommen die Regale zu den Mitarbeitern.
Das Herzstück des Amazon-Logistikzentrums in Augsburg ist die 30.000 Quadratmeter große Robotikhalle. Hier kommen die Regale zu den Mitarbeitern.
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Paketlogistik: Warum Amazon so schnell ist

11.12.2024 um 15:06, Klaus Schobesberger
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Geschenke am laufenden Band – und sie kommen bis zur Bescherung trotz kurzfristiger Bestellung noch rechtzeitig an. Ein Blick hinter die Amazon-Kulissen.

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In wenigen Tagen ist Weihnachten und man ist nur noch einen Klick vom passenden Geschenk entfernt. “Die schnellste Lieferung erfolgt innerhalb 15 Stunden und 18 Minuten”, steht in dicken farbigen Lettern unterhalb des Produktfotos auf der Homepage. Also nichts wie ab in den Online-Einkaufswagen und Bestellung abschicken. Aber wie schafft der Online-Versandhandel diese immer kürzer werdenden Lieferversprechen einzuhalten? CHEFINFO hat sich das vor Ort beim Platzhirsch Amazon im Logistikzentrum Graben bei Augsburg angesehen. Innerhalb von zwei Stunden ist das Paket nach Bestelleingang versandfertig, rund um die Uhr verlassen LKWs die riesige Logistikdrehscheibe in Richtung Sortier- sowie Verteilzentren – auch nach Österreich. Amazon denke nicht in Ländergrenzen, sondern in Entfernungen, erklärt Standortleiter Ernst Schäffler. Das System eruiert nach dem Kaufvorgang, in welchen Logistikzentren das Produkt lagernd ist und welche Lieferprozesse am effizientesten und kostengünstigsten sind. Der vor 30 Jahren von Jeff Bezos gegründete Internetgigant hat weltweit 300 Millionen Kunden, davon haben zwei Drittel inzwischen eine Prime-Mitgliedschaft, die eine kostenlose und schnelle Lieferung beinhaltet. Um das zu gewährleisten hat das US-Unternehmen geschätzte 27 Milliarden Euro in sein “European Fulfillment Network” investiert. Allein in Deutschland beschäftigt Amazon rund 40.000 Mitarbeiter. In Österreich flossen seit 2016 etwa 715 Millionen Euro an Investitionen, davon 205 Millionen Euro im Vorjahr. Erst im Oktober wurde mit dem neuen Verteilzentrum in Premstätten bei Graz der fünfte Logistikstandort in Österreich in Betrieb genommen. Die sogenannte “letzte Meile” zum Kunden bewältigt Amazon durch eigene Lieferpartner aus dem KMU-Bereich, Schließfächer an Tankstellen (Amazon Locker) und nicht zu vergessen auch durch die Österreichische Post AG, die Millionen in  moderne Logistikzentren wie Allhaming in Oberösterreich oder in Wals-Siezenheim bei Salzburg investiert hat.

Der Standort in Augsburg ist eines von zwölf Logistikzentren in Deutschland, in denen Roboter zum Einsatz kommt. 150 Millionen Euro kostete der Umbau und die Modernisierung zum robotergestützten Lagersystem.
In Augsburg ist das erste Amazon-Logistikzentrum in Deutschland, an dem die Robotik-Technologie nachgerüstet wurde. Kostenpunkt: 150 Millionen Euro.

Wenn das Regal zum Mitarbeiter kommt

Die Investitionen in den Ausbau der Supply Chain, in leistungsfähige IT-Systeme, in den Kundenservice oder in Technologien im Bereich Automatisierung und Robotik sind dem globalen Höhenflug des E-Commerce geschuldet. Dass der Marktführer auch seine Konkurrenten wie die chinesischen Billiganbieter Temu und Shein auf Distanz halten will, wird von Amazon bestritten. "Wir konzentrieren uns auf unsere Kundinnen und Kunden und nicht auf den Mitbewerber. Und die Kunden wollen neben einer großen Auswahl zu niedrigen Preisen eine schnell und zuverlässige Lieferung. Das können wir durch kontinuierliche Investitionen und Innovationen in unsere Logistik gewährleisten", sagt Unternehmenssprechern Franziska Helmetsberger. Vor allem am 2011 eröffneten Logistikzentrum Graben wird der Fortschritt in diese Richtung sichtbar. Mehr als zehn Kilometer lang ist die Förderanlage, auf der Pakete und Waren vollautomatisiert rollen. Know-how kommt auch aus Österreich wie vom Intralogistik-Spezialisten TGW mit Sitz in Marchtrenk. Der Standort bei Augsburg ist eines von zwölf Logistikzentren in Deutschland, in denen Roboter zum Einsatz kommen. Aber der erste bestehende Standort in Deutschland, an dem diese Technologie nachgerüstet wurde. Amazon investierte rund 150 Millionen Euro in den Umbau und die Modernisierung seines Logistikzentrums. Das Herzstück dieser Investition ist eine riesige, dreistöckige Robotik-Halle, die die Fläche mehrerer Fußballfelder umfasst. In einem abgesicherten Bereich sind tausende Transportroboter mit mobilen Regalen unterwegs. Anstatt dass die Mitarbeiter in engen Regalschluchten die Waren ein- und auslagern, kommen die Regale zu den Mitarbeitern. Die Waren werden bei der Anlieferung nach einem unstrukturierten ("chaotischen") System eingelagert. Wenn eine Bestellung eingeht, holen die Mitarbeiter die benötigten Produkte direkt aus den beweglichen Regalen. Mehrfachbestellungen von Kunden werden automatisch berücksichtigt und Verpackungsgröße berechnet. Standortleiter Schäffler ist seit 2011 bei Amazon beschäftigt. Damals gab es noch ein Lieferversprechen von zwei Tagen, heute ist “Same Day Delivery” üblich. Die Durchlaufzeit der einzelnen Bestellungen hat sich dank der selbstfahrenden Regale deutlich verkürzt. Die Technologie kommt von Amazon Robotics, ein US-Unternehmen, das 2012 von Amazon gekauft wurde. Trotz des steigenden Automatisierungsgrads beschäftigt Amazon am Standort Augsburg 2.300 Mitarbeiter aus 90 Nationen. Zu einem Einstiegslohn von brutto 15,91 Euro für Logistikmitarbeiter ohne Vorqualifikation, wie Schäffler betont. Das sind 40.400 Euro brutto pro Jahr. Neben den jährlichen Lohnanpassungen steigen die Löhne noch nach 12 bzw. 24 Betriebszugehörigkeit automatisch.

Stefan Steiner gründete das Startup "Don't Call It Deo", das seit 2013 den Amazon-Marketplace nutzt. Damit sind sie eines von rund 350 Unternehmen.
Stefan Steiner gründete das Startup "Don't Call It Deo", das seit 2013 den Amazon-Marketplace nutzt. Damit ist es eines von rund 350 Unternehmen.

Don’t Call It Deo: Amazon als Marketplace

Nach eigenen Angaben nutzen mehr als 2.500 Klein- und Mittelbetriebe (KMU) aus Österreich den Online-Marketplace für ihre Geschäfte. Aus Oberösterreich sind es 350 Unternehmen, die mit Amazon als Plattform profitieren. 35 Produkte werden im Schnitt pro Minute von österreichischen KMUs über Amazon verkauft, insgesamt 20 Millionen Produkte bisher, wovon 95 Prozent über die Landesgrenze gehen. 80 Millionen Euro betrugen die Exportumsätze der oberösterreichischen KMU im Vorjahr. Ein Unternehmen, das seit 2023 den Marketplace für seine Antitranspirant Fluid-Produkte nutzt, ist das Salzburger Startup “Don’t Call It Deo”. “Das Fluid wird mit einem Tropfen abends, bevor man ins Bett geht, im Achselbereich aufgetragen und stoppt zu hundert Prozent die Geruchs. und Schweißbildung”, sagt Gründer Stefan Steiner. Der Unternehmer kommt aus dem medizinischen Bereich und ist selbst von starkem Schwitzen betroffen, was ihn schließlich neben dem Job als diplomierter Krankenpfleger zur Produktentwicklung und Firmengründung motivierte. Steiner betreibt seit der Unternehmensgründung im Jänner des Vorjahres einen eigenen Onlineshop samt Versand und ist auch bei Shop Apotheke und in den Drogeriefilialen bei DM gelistet. 60 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet das Startup inzwischen mit Amazon. “Für uns ist das im Vergleich zu anderen Vertriebskanälen das günstigste beziehungsweise das lukrativste Modell”, erklärt Steiner. Einen Grund ortet er darin, dass viele Menschen statt auf Google gleich auf Amazon nach Produkten suchen würden. Damit gewinne er Kunden, die er über seinen eigenen Shop kaum erreichen würde. 80 Prozent seiner Lieferungen gehen nach Deutschland. Amazon hebt je nach Produktkategorie eine Provision zwischen 7 und 15 Prozent ein.

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