Fit für die digitale Zukunft
Pools online bestellen? Was vor einigen Jahren noch die Ausnahme war, ist für Steinbach International ein Wachstumstreiber. Das Unternehmen mit Sitz in Schwertberg verkauft Aufstellpools für ein tausendfaches Schwimmvergnügen im Garten – ganz ohne Grabungsarbeiten und lange Wartezeiten. Die Bausätze sind verpackt bei stationären Handelspartnern wie Baumärkten oder Diskontern erhältlich oder werden im Auftrag dieser direkt nach Hause geliefert. Als der Einzelhandel während der Pandemie über Monate großteils schließen musste, nahm das Onlinegeschäft an Fahrt auf. Urlaube und Fernreisen waren nicht oder nur in beschränktem Umfang möglich, dafür wurde das Geld in ein schöneres Zuhause investiert. Schwimmbäder zu Hause galten lange als Luxus. „Wir haben diesen Luxus demokratisiert“, sagt Horst Lauß, Geschäftsführer der Steinbach International GmbH. Das Mühlviertler Unternehmen zählt zu den größten Poolerzeugern und -händlern Europas. 280 Mitarbeiter beschäftigt Steinbach an drei Standorten, der Umsatz beträgt aktuell 175 Millionen Euro und steuert auf die 200-Millionen-Grenze zu.
Auf Pool-Journey begleiten
Auch wenn Corona die Nachfrage nach den boomenden Aufstellpools gepusht hat, profitiert Steinbach von einem langfristigen und konstanten Trend, der zuvor bei Grillern oder Terrassenmöbeln zu beobachten war. Laut einer Umfrage, die das market-Institut 2019 im Auftrag des Österreichischen Verbands der Schwimmbad- und Saunawirtschaft durchführte, gehört ein Swimmingpool für mehr als die Hälfte der Österreicher zu ihren Ausstattungsträumen. „Wir stehen daher nicht am Ende, sondern am Anfang dieser Entwicklung“, ist Lauß überzeugt. Das Angebot an Pools wird immer größer und individuellen Bedürfnissen angepasst. Es reicht vom 100-Euro-Pool bis zum großen Aufstellbecken um knapp 2.000 Euro. Weil Baugründe wegen steigender Immobilienpreise immer kleiner werden, sind platzsparende Tiny-Pools im Trend. Vermehrt nachgefragt werden Whirlpools für die Terrasse, die ganzjährig genutzt werden können. In seiner E-Commerce-Strategie setzt Steinbach auf Folgekäufe und will Kunden bei ihrer „Pool-Journey“ begleiten. Mit dem Schwimmbecken ist es wie beim Auto – man startet mit einem Kleinwagen, dann will man mehr: Schöne Felgen, einen Fahrradträger, eine Soundanlage. Was beim Fahrzeug das „Customizing“ ist, heißt bei Steinbach „Pimp my Pool“. Das Zubehörprogramm ist inzwischen beachtlich und umfasst auch Wärmepumpen, Solarkollektoren oder Solarduschen. Ist der Kunde bei Steinbach online aktiv, „wird mit ihm durchgängig auf vielen digitalen Outlets und via unterschiedlichen Touchpoints kommuniziert, so stärkt man nachhaltig die Kundenbindung“, sagt Johannes Knoll, Head of Digital Marketing bei Steinbach.
User Experience auf allen Ebenen
Johannes Knoll muss es wissen. Er ist einer jener Digital Natives, die Lauß um sich schart, um die digitale Transformation im Marketing voranzutreiben und das Unternehmen fit für junge Zielgruppen zu machen – aber auch um etwas Startup-Flair ins Unternehmen zu bringen. Knoll war viele Jahre Marketing-Verantwortlicher von Runtastic. Das oberösterreichische Startup sorgte mit seiner Lauf-App weltweit für Furore und wurde 2015 von Adidas um einen dreistelligen Millionenbetrag übernommen. Seit eineinhalb Jahren ist Knoll in Schwertberg tätig: „Ich war damals bei der ersten Firmenführung überrascht, wie weit fortgeschritten Steinbach bei der Digitalisierung in produzierenden Teilbereichen des Unternehmens ist“, so Johannes Knoll. Das neue Hochregallager mit 90.000 Palettenstellplätzen ist unbemannt und die Kommissionierung erfolgt vollautomatisch über Kuka-Roboter. Alles ist vernetzt mit der Produktionsplanung sowie -steuerung, der Supply Chain und natürlich mit dem Kunden. Dieser soll jetzt noch mehr ins Zentrum rücken. Der Relaunch des Online-Auftritts der Website erfolgt derzeit. Damit soll die Marke Steinbach erlebbarer werden. „Es geht um die ständige Verbesserung der User Experience auf allen Ebenen“, berichtet Knoll. Komplett überarbeitet und digital neu gedacht wurden auch die Karriereseite und der Bewerbungsprozess. Neue Mitarbeiter können die Marke Steinbach bereits vor dem ersten Tag via App kennenlernen, Abteilungen erforschen oder ihr Lieblingsmenü im Mitarbeiterrestaurant vorbestellen. „Wir wollen auch beim Employer-Branding ganz oben mitspielen und digital bei den Bewerbern punkten“, sagt Knoll. Ein oft unterschätzter Faktor in der Digitalisierung.
Die „Black Pearl“ von Schwertberg
Steinbach ersetzte früh das HR-Management durch ein „Human Being Management“. „Kapital ist eine Ressource, Menschen sind es nicht“, sagt Lauß. Um als attraktiver Arbeitgeber am Land High Potentials anzuziehen, lässt Steinbach nichts unversucht. Vor wenigen Wochen zog die Mannschaft in das neue mehrstöckige Headquarter. Aufgrund der schwarzen Verglasung und des dunklen Ambientes wurde das Gebäude, das über 53 Bohrsonden klimaneutral beheizt und gekühlt wird, intern „Black Pearl“ getauft – ein Name, der Cineasten aus dem Disney-Klassiker „Fluch der Karibik“ bekannt ist. Die „Black Pearl“ aus Schwertberg wartet mit ganz besonderen Raffinessen auf: Schwimmbad, Solarium, Fitnessstudio, Hintergrundmusik und eine Raumbeduftung mit einem eigens für Steinbach kreierten Signaturduft. Mehr Hotelatmosphäre für den Arbeitsplatz geht nicht. Besonders stolz ist Lauß auf den neuen Restaurantbereich. Hier kocht Restaurantleiterin Christiane Rückerl auf, die im Wiener Steirereck ihr Handwerk gelernt hat. All diese Benefits seien ein Zeichen der Wertschätzung und sollen die Kreativität unter Mitarbeitern fördern. Und es „ist sehr gut investiertes Geld, das wieder zurückfließt“, ist der Steinbach-Chef überzeugt.
Produktion zurück nach Österreich
Für Lauß sind Digitalisierung und Automatisierung der Schlüssel zum Erfolg. „Wir wollen damit nicht Mitarbeiter einsparen, im Gegenteil: Wir sichern unsere Wettbewerbsfähigkeit und bieten mehr Menschen einen hochwertigen Arbeitsplatz. Ohne Digitalisierungsmaßnahmen können wir in Österreich gegen Billiglohnländer nicht bestehen.“ Steinbach betreibt ein Werk mit einem Joint-Venture-Partner in China, in dem unterschiedliche Produkte rund ums Thema Schwimmbecken produziert werden. Dank des hohen Automatisierungsgrads rechnet es sich für Steinbach, die Produktion Schritt für Schritt zurück nach Österreich zu holen. Das ist nicht nur im Sinne der Nachhaltigkeit, auch die Unberechenbarkeit der Lieferketten ist ein Zeit- und Kostenfaktor geworden. Vor zwei Jahren lagen die Frachtkosten pro Container bei noch 1.500 US-Dollar, heute zahlt man mit 15.000 US-Dollar das Zehnfache. Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Im niederösterreichischen St. Valentin wird in den nächsten Jahren ein Produktionswerk und ein Logistikzentrum errichtet. Damit entfällt beispielsweise der Transport von Gebinden durch halb Europa. „Wir fertigen als Einzige in unserer Branche die Gebinde selbst. Es ist ein völlig neuer Bereich für uns und das Kunststoff-Know-how haben wir vor der Haustür“, sagt Lauß.
Mach es wie Netflix
Mit dem Beschreiten von Neuland hat die Firma Steinbach Erfahrung. Das 1934 gegründete Unternehmen war unter der Marke Steinbach Wolle auf die Produktion von Garnen spezialisiert. Anfang der 90er Jahre begannen die Umsätze im Textilbereich zu sinken und Horst Lauß, der 1994 nach seinem Betriebswirtschaftsstudium beim Traditionsunternehmen beruflich andockte, suchte mit der Eigentümerfamilie Steinbach ein neues Geschäftsfeld. In diesem Fall ein radikal neues Geschäftsfeld. „Als wir 1999 mit dem Poolhandel starteten, war das eine sehr sportliche Herausforderung: Wir hatten keine Ahnung, keine Kunden und keine Beziehung zu Lieferanten. Der Aufbau erfolgte von null weg. Etablierte Mitbewerber haben uns keine Chance gegeben und uns ausgelacht. Heute lachen wir“, sagt Lauß. Er sieht nicht von ungefähr Parallelen seines Unternehmens zu Netflix. Der Bestseller „Keine Regeln: Was Netflix so erfolgreich macht“, den Netflix-Gründer Reed Hastings gemeinsam mit der Management-Professorin Erin Meyer verfasste, hat auch in Lauß’ Bücherregal einen fixen Platz. Der Streamingdienst ist ein Pionier der Digitalisierung. Im Jahr 2000 beherrschte die Videothek-Kette Blockbuster mit ihren 9.000 Filialen das Home-Entertainment und war tausendmal größer als Netflix. Zehn Jahre später musste Blockbuster Konkurs anmelden. Das Unternehmen hatte den Sprung vom DVD-Verleih zum Streaming nicht geschafft. Netflix hat etwas geschafft, was die Kür des digitalen Transformationsprozesses ist: einen Mehrwert für seine Kunden zu generieren.