Immobilien: Tipps vom Finanzierungsexperten
weekend: Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden steigt, ebenso der Preis. Wann ist hier wohl der Plafond erreicht?
Andreas Luschnig: De facto sehen wir in allen Bereichen Steigerungen, besonders gefragt waren im ersten Halbjahr 2020 Einfamilienhäuser. Durch die Pandemie steigt der Wunsch, den Wohnraum ins Grüne zu verlegen oder mit Grün- oder Außenflächen aufzuwerten. Genaue Zahlen, die dies untermauern, liegen uns aber noch nicht vor. Wir und auch unsere Kooperationspartner merken aufgrund der Pandemie, dass Kunden vermehrt Immobilien mit Freiflächen anfragen.
Der Speckgürtel von Wien wird durch die Sehnsucht vieler Kaufinteressenten nach Natur immer dicker.
Der Speckgürtel von Wien wird durch die Sehnsucht vieler Immobilieninteressenten nach Natur immer dicker. Mittlerweile sind auch Immobilien im Umkreis von 10 bis 20 Kilometer für viele junge Familien kaum noch leistbar, deshalb dehnt sich das Umland mittlerweile auf 30 bis 40 Kilometer um Wien herum aus. Daneben entstehen auch völlig unabhängige Mikrolagen im Süden von Wien beispielsweise bei Wiener Neustadt oder Neunkirchen. Hier sind eine gute Verkehrsanbindung und die schnelle Erreichbarkeit der Bundeshauptstadt entscheidend für eine gute Lage. Wir gehen aufgrund der auslaufenden Baubewilligungen und der hohen Quote an Mietwohnungen in den kommenden Monaten von weiteren moderaten Preissteigerungen aus. Denn die aktuell fertiggestellten Projekte stammen aus Baubewilligungen vorangegangener Jahre, für 2020 gibt es derzeit kaum Bewilligungen, wodurch wir in den nächsten Jahren von einer Verknappung des Angebots ausgehen.
Eine gute Verkehrsanbindung und die schnelle Erreichbarkeit der Bundeshauptstadt sind für eine gute Lage entscheidend.
weekend: Inwieweit ändert Corona die bisherigen Spielregeln am Immo-Markt?
Andreas Luschnig: Auf den ersten Blick sind die Veränderungen nicht so gravierend beziehungsweise offensichtlich. Zum Teil findet man bei Banken jetzt strengere Kreditvergaberichtlinien: Die Rezession und ihre Auswirkungen hinterlassen hier ihre Spuren. Faktoren – wie beispielsweise Kurzarbeit und mögliche Einnahmeneinbußen in nicht-krisensicheren Branchen im selbständigen und unselbständigen Bereich – werden genau durchleuchtet. Auch beobachten wir, dass die Banken wieder zu höheren Eigenmittelquoten tendieren, da die mittel- und längerfristigen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie noch nicht abschätzbar sind.
Wir beobachten, dass die Banken wieder zu höheren Eigenmittelquoten tendieren, da die mittel- und längerfristigen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie noch nicht abschätzbar sind.
Grundsätzlich verlieren eben die meisten Kunden den Überblick, inwiefern sich die Spielregeln der Banken immer wieder anpassen. Wir behalten den Markt im Auge und finden auch in der derzeitigen Phase Lösungen für unsere Kunden. Außerdem verhindert Corona persönliche Termine, aber unsere Videoberatung kann auch mal zwischen zwei Geschäftsterminen eingeschoben werden. Wir gehen davon aus, dass dieser Corona- Effekt anhalten wird und bieten somit den Kunden eine bequeme Alternative zu persönlichen Bankterminen, die man in der Regel 14 Tage vorab vereinbaren muss.
weekend: Kommt jetzt Bewegung in den Zinsmarkt?
Andreas Luschnig: Der Zinsmarkt befindet sich nach wie vor auf einem historischen Tiefststand und wird wohl auch noch länger dortbleiben. Auch wenn die Hoffnung auf den Corona-Impfstoff die Zinsen für Immobilienkredite ein wenig wachsen lassen könnte, bleibt die Situation grundsätzlich und auch für Monate von Unsicherheiten rund um Lockdowns geprägt. Das wirkt sich auf die Nachfrage und Rendite von sicheren Anlagen wie Staatsanleihen und Pfandbriefen und damit auf die Bauzinsen aus. Hier erwarten wir weiterhin niedrige Niveaus.
Stichwort Finanzierung: Welche Fehler machen Käufer im Vorfeld immer wieder?
Andreas Luschnig: Die Suche nach dem eigenen Zuhause ist geprägt von ganz großen Gefühlen. Schließlich werden in den eigenen vier Wänden Familien gegründet und Kinder aufgezogen, da ist das Beste gerade gut genug. Doch die Finanzierung der eigenen Immobilie ist für die meisten Menschen auch die größte finanzielle Herausforderung ihres Lebens und sollte gut durchdacht, strategisch geplant und möglichst frei von Emotionen entschieden werden. Unsere Expertise ist die Finanzierung, und sie hat mehr Auswirkungen auf die Immobilie, als man gemeinhin denkt. Entscheidend ist, sich vor der Suche überhaupt ein Bild von der persönlichen Leistbarkeit zu machen. Wir beraten unsere Kunden bei der Frage, wie teuer darf mein zukünftiges Traumhaus, meine zukünftige Traumwohnung sein. Denn viele Menschen wissen genau, wie hoch die Miete sein darf, die sie sich leisten können. Doch nur wenige kennen die Höhe der Pauschalrate eines Kredits, mit der sie gut und sorgenfrei die nächsten 20 oder 30 Jahre leben können.
Viele Menschen wissen genau, wie hoch die Miete sein darf, die sie sich leisten können. Doch nur wenige kennen die Höhe der Pauschalrate eines Kredits, mit der sie gut und sorgenfrei die nächsten 20 oder 30 Jahre leben können.
Die Hausbank steht bei vielen Österreichern immer noch an erster Stelle, wenn es um einen Wohnkredit geht. Aber die Hausbank hat ein sehr eingeschränktes Portfolio und nicht alle Kunden der Hausbank passen in das Schema ihrer Kreditvergaberichtlinien. Ein zweites Angebot, am besten der Weg zu einem Vermittler, der den Überblick über die Möglichkeiten auf dem Markt hat, kann einen Unterschied von mehreren tausend Euro oder einigen Jahren Schuldenlast bedeuten. Ein Immobilienkredit begleitet unsere Kunden manchmal ein halbes Leben, in dem sich viel ändern kann. Wir beraten unsere Kunden nicht nur hinsichtlich des günstigsten Angebots, wir klären mit ihnen gemeinsam ihre Lebensplanung ab und finden anschließend das Angebot, das am besten zu ihnen passt.
weekend: Welche drei Gründe sind für ein sicheres Investment essenziel?
Andreas Luschnig: Das Eigenkapital ist für ein Immobilieninvestment und vor allem für die Finanzierung wesentlich und bestimmt in vielen Fällen die Rahmenbedingungen für eine Kreditvergabe. Auch die Leistbarkeit während der gesamten Laufzeit muss man im Auge behalten. Im Rahmen einer Immobilienfinanzierung raten wir auch explizit dazu, ein Sicherheitspolster für schwierige Zeiten einzuplanen. Wenn die Immobilie als Investment zur Vermietung gekauft wird, raten wir zu einem höheren Einsatz von Eigenmitteln sowie einer möglichst konservativen Annahme der Mieteinnahmen, damit man nicht auf diese angewiesen ist. Im besten aller Fälle sollte die Bedienung der Kreditrate aus dem monatlichen Einkommen darstellbar sein.
Im Rahmen einer Immobilienfinanzierung raten wir auch explizit dazu, ein Sicherheitspolster für schwierige Zeiten einzuplanen.
weekend: Wem würden Sie derzeit vom Kauf abraten?
Andreas Luschnig: Wir raten niemandem pauschal von einem Immobilienkauf ab. Wer es sich leisten kann, eine Immobilie über die Jahre abzuzahlen, lebt im Alter im Eigenheim, ist unabhängig von der Mietentwicklung, hat Vermögen aufgebaut, lebt meist auf einer größeren Wohnfläche als Mieter und hat mehr Geld zur freien Verfügung. Aber wir raten jedem unabhängig von der Pandemie zu einer schonungslosen und ehrlichen Haushaltsrechnung.
Wir raten jedem unabhängig von der Pandemie zu einer schonungslosen und ehrlichen Haushaltsrechnung.
In unserem Beratungsgespräch klären wir mit den Kunden die Leistbarkeit. Wenn diese unserer Meinung nach gegeben ist, finden wir auch in unserem Portfolio von 40 Banken den Kreditgeber, der zu diesem Kunden passt. Als Vermittler haben wir hier eine große Bandbreite, aus der wir schöpfen können.
weekend: Wo sollte man aktuell besonders aufpassen?
Andreas Luschnig: Aufgrund der Pandemie haben viele Österreicher Urlaub im Inland gemacht und hierbei auch die Liebe zum eigenen Land entdeckt. Bei vielen Urlaubern ist so der Wunsch nach einer Ferienimmobilie aufgekommen. Hier gilt auf jeden Fall: Da man langfristige Effekte noch nicht absehen kann, empfehlen wir solche Investments nur mit einer hohen Quote an Eigenmitteln zu tätigen. Leider sehen wir bei Ferienimmobilien oft, dass übertriebene Preise verlangt werden und manche Kunden zu positive Vorstellungen von möglichen Mieteinnahmen haben. Die Rückführung der Kreditrate für eine Ferienimmobilie sollte aus dem monatlichen Einkommen darstellbar sein und nicht von möglichen Mieteinnahmen abhängig gemacht werden.
weekend: Wer hat gerade besonders gute Karten?
Andreas Luschnig: Kunden, die bereits einen schönen Betrag an Eigenmitteln angespart haben und über stabile monatliche Einnahmen verfügen, können vom historisch niedrigen Zinsniveau profitieren und sollten jetzt den Schritt ins eigene Zuhause wagen. Anstatt sein Leben lang Miete zu zahlen, profitieren sie nicht nur vom günstigen Zinsniveau, sondern auch von den steigenden Immobilienpreisen, weil sie so langfristig Vermögenswerte schaffen.
Kunden, die bereits einen schönen Betrag an Eigenmitteln angespart haben und über stabile monatliche Einnahmen verfügen, können vom historisch niedrigen Zinsniveau profitieren und sollten jetzt den Schritt ins eigene Zuhause wagen.
Wer bereits ein Eigenheim besitzt, sollte die anhaltenden Trends nützen, um in eine Vorsorgeimmobilie zu investieren. Aber auch hier raten wir, das Investment und die Immobilie vorab genau zu prüfen und sich in puncto Renditen, laufende Kosten und Risiken gut beraten zu lassen. Auch das Thema Umschuldungen wird in Österreich immer noch stark unterschätzt. Wer seinen Wohnkredit vor dem 1. Juni 2019 abgeschlossen hat, müsste sich durch die mittlerweile erzielbare Zinsersparnis viel Geld ersparen, wenn er beim jetzigen Zinsniveau zu einer anderen Bank umschuldet.
Im weekend-Talk: Wohnfinanzierungsexperte Andreas Luschnig, Leiter der Interhyp Niederlassung in Wien.