Gewalt an Frauen: die traurige Realität in Tirol
Die traurige Wahrheit ist: Laut FRA-Studie (Fundamental Rights Agency) holen sich 67 Prozent der von Gewalt betroffenen Frauen auch bei schwerer Gewalt keine Hilfe bei Polizei oder anderen Unterstützungseinrichtungen. Die Dunkelziffer ist also hoch, wie auch Frauenhaus-Geschäftsführerin Gabi Plattner bestätigt: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns, es Frauen und Kindern leichter zu machen, sich Unterstützung zu holen.“ 2020 hat das Tiroler Frauenhaus 150 Personen aufgenommen und gut 4.000 Beratungsgespräche geführt.
Corona als Trigger?
Corona sieht die Expertin nicht als Auslöser von Gewalt, sondern vielmehr als Verstärker sozialer Ungleichverhältnisse: „Je größer die Abhängigkeit ist, umso größer auch das Risiko, Gewalt zu erleben. Hier hat sich vieles verschlimmert.“ Auch Eva Pawlata, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Tirol, bestätigt, dass Corona oft das Fass angestauter Gewaltbereitschaft zum Überlaufen gebracht hat. Aber auch die mediale Berichterstatung zu den heurigen Femiziden (11!) habe dazu beigetragen, dass sich mehr Frauen melden bzw. die Exekutive und das Umfeld noch aufmerksamer sind. So viel wie heuer hatte das Gewaltschutzzentrum nämlich noch nie zu tun: „Alleine heuer hatten wir bis jetzt 755 Aufnahmen und verzeichnen 375 Betretungsverbote. 2020 waren es im gleichen Zeitraum insgesamt 665 Fälle und 312 Betretungsverbote. Eine weitere dramatische Entwicklung: „Wir verzeichnen sehr viele Bedrohungen mit Schusswaffen“, so Pawlata, die sich im gleichen Atemzug strengere Waffengesetze wünscht.
Gut vernetzt.
Die Opferschutzeinrichtungen sind untereinander übrigens bestens vernetzt, damit die Frauen genau die Hilfe bekommen, die sie benötigen. Und auch wenn mehr denn je zu tun ist, wird jeder Frau schnell und unbürokratisch geholfen (bitte jederzeit melden unter: Tel. 0512/571313, office@gewaltschutzzentrum-tirol.at, rund um die Uhr unter Tel. 0512/342112, wohnen@frauenhaus-tirol.at). Die Hilfe reicht von Rechtsberatung über Empowerment, Hilfe bei der Antragsstellung, Begleitung zum Gericht bis hin zu Wohnungs- und Arbeitssuche. „Frauen und ihre Kinder können bis zu einem Jahr bei uns bleiben. Das Frauenhaus ist zudem auch Schutzraum mit Fachpersonal für Kinder und Jugendliche, die oft selbst direkte Gewalterfahrungen gemacht haben bzw. immer Zeugen von Gewalt waren. das hat oft schwere traumatische Folgen“, erzählt Gabi Plattner.
Was tun?
Häusliche Gewalt ist also nach wie vor sehr real. Umso wichtiger, dass das Umfeld aufmerksam ist – auch wenn man eine Vermutung hat und nicht selbst betroffen ist, kann man sich an die Opferorganisationen wenden. Denn nicht wegzuschauen ist das wichtigste. Im Idealfall sollte aber Gewalt an Frauen irgendwann einmal überhaupt kein Thema mehr sein. „Dafür müssten aber auch Themen wie gleicher Lohn, eine faire Verteilung von Care-Aufgaben und viele weitere Dinge in Sachen Geschlechtergerechtigkeit thematisiert werden“, bringt es Gabi Plattner auf den Punkt. Und Pawlata ergänzt: „Gewaltschutz funktioniert vielschichtig, es braucht ein differenziertes Angebot, in das auch das Wissen der Opferschutzeinrichtungen einfließt.“