Kinderbetreuungs-Problematik spitzt sich zu
Einrichtungen schließen, Eltern verzweifeln, das Personal ist mit den Kräften am Ende und insgesamt gibt es zu wenig Betreuungsplätze: Die Problematik um die Kinderbetreuung scheint sich in einer Endlosschleife zu befinden.
Jahrelanges Desinteresse
2014 habe man laut dem steirischen AK-Präsident Josef Pesserl bereits auf die Probleme, die jetzt „überraschend eintreffen“, aufmerksam gemacht und Forderungen gestellt. Die Politik habe dieses Thema mit Ignoranz behandelt und stehe nun vor großen Herausforderungen.
Verhakte Probleme
Im Bundesländer-Vergleich weist die Steiermark das schlechteste Kinderbetreuungs-Angebot auf. Und es spitzt sich an allen Seiten zu, wie Bernadette Pöcheim, Leiterin AK-Referat Frauen und Gleichstellung, im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag erklärte.
Zum einen sind insgesamt zu wenig Elementarpädagogen und Kinderbetreuer vorhanden, da sie meist nicht vollzeitbeschäftigt sind. Die Gründe hierfür sind unter anderem die physische Belastung – beispielsweise aufgrund des hohen Lärmpegels, der mit 25 Kinder in einem Raum entsteht – sowie die Tatsache, dass viele eine eigene Familie haben und nur 20 bis 30 Stunden in der Woche arbeiten können. Rund 1.700 Euro (netto) verdient eine Kindergärtnerin in der Steiermark bei einer Vollzeit-Anstellung. Resultierend daraus also sehr wenig bei einer Teilzeit-Anstellung.
Eltern hilflos, Kinder traurig
Wie Bernadette Pöcheim erläuterte, greifen manche verzweifelte Eltern bei der Suche nach einem Betreuungsplatz zu immer bedenklicheren Mitteln. So sollen manche Kinder beispielsweise bei den Großeltern, die in einer anderen Region wohnen, gemeldet sein, damit sie den dort befindenden Kindergarten besuchen können. Aber auch die Sprösslinge bekommen die Not zu spüren. So berichtete Pöcheim von Kindern, die sich den ganzen Sommer freuen, ihre Freunde wiederzusehen, um mit ihnen spielen zu können, und dann erfahren, dass sie doch nicht in die Einrichtung dürfen – der Platz wurde an ein anderes Kind vergeben. Natürlich können die Nachkommen noch nicht differenzieren, dass die Schuld dafür nicht bei ihnen liegt.
Neue Einblicke
1.500 Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen wurden im Mai und Juni für den 9. steirischen „AK-Kinderbetreuungsatlas“ beleuchtet. Von insgesamt 286 Gemeinden haben sich 26 Gemeinden in ihrer Kategorie verbessert. Beispielsweise konnte das Angebot an Betreuungsplätzen für unter 3-Jährige erheblich ausgeweitet werden. Jede einzelne Gemeinde in der Steiermark bietet mindestens eine Kinderbildungs- und betreuungseinrichtung für Kinder von 3 bis 6 Jahren an. Erwähnenswert ist hier, dass etliche Gemeinden bereit sind, ihre Ferien- und Tages-Öffnungszeiten dem Bedarf anzupassen, sodass Eltern entlastet werden und nicht ihren gesamten Urlaub in den Sommermonaten aufbrauchen müssen.
Generell kann gesagt werden, dass die Anzahl an Kinderkrippen seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2014 stetig zunimmt, wohingegen sich die Anzahl der tätigen Tageseltern sehr stark reduziert hat. Erwähnenswert ist zudem der drastische Mangel an Elementarpädagogen und Kinderbetreuern.
Beurteilung
Allen Hindernissen zum Trotz sind knapp über 25% der Gemeinden in der Steiermark 1A-Gemeinden* und mehr als 50% A-Gemeinden**. Über ein Drittel der Gemeinden hat nicht mehr als fünf Schließwochen im Kindergarten (von insgesamt 13 Wochen Ferienzeiten) und fast 90% der Gemeinden bieten eine VS-Nachmittagsbetreuung an vier oder mehr Tagen pro Woche an. AK-Referatsleiterin Pöchim betonte, dass die Situation nicht in allen Gemeinden und Einrichtungen kritisch ist und es durchaus zufriedene Eltern, Kinder und Angestellte gibt.
Kriterien
- Das Vorhandensein einer Kinderkrippe bzw. die Möglichkeit, Kinder unter drei Jahren betreuen zu lassen.
- Das Vorhandensein eines Ganztagskindergartens, der mindestens acht Stunden täglich an zumindest vier Tagen pro Woche geöffnet ist.
- Das Vorhandensein einer Nachmittagsbetreuung für Volksschulkinder an mindestens vier Tagen pro Woche (Mitbetreuung bei Volksschulkindern, im Kinderhaus, im Hort oder anderen Formen)
Zusätzlich wurde der sogenannte Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf (VIF)*** zur Bewertung herangezogen.
* 1A-Gemeinden sind Gemeinden, die alle drei Kriterien für die Beurteilung der Kinderbetreuungseinrichtungen sowie die VIF-Kriterien erfüllen.
** A-Gemeinden sind Gemeinden, die zwar nicht die VIF-Kriterien***, aber alle drei Kriterien erfüllen.
*** VIF-Kriterien: mindestens 45 Stunden in der Woche geöffnet, an vier Tagen/Woche mindestens 9,5 Stunden geöffnet und maximal fünf Wochen im Jahr geschlossen