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Die Flagge der Europäischen Union vor blauem Himmel
Das Plenum des EU-Parlaments hat die Reform des EU-Migrationspakts abgesegnet.
Das Plenum des EU-Parlaments hat die Reform des EU-Migrationspakts abgesegnet.
Christian Lue/Unsplash

EU-Migrationspakt: So streng sind die neuen Asylregeln

11.04.2024 um 10:50, Stefanie Hermann
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Auffanglager, Schnellverfahren und beschleunigte Abschiebungen: Der neue EU-Migrationspakt sieht deutlich härtere Regeln für den Umgang mit Flüchtlingen vor.

Laut aktuellen Statistiken steigt die Zahl der Asylanträge nach einem Rückgang 2020 wieder massiv an. 2023 erreichte fast Höchstwerte der Ausnahmejahre 2015 und 2016. Nach langen Diskussionen hat das Plenum des EU-Parlaments nun die Reform des neuen EU-Asyl- und Migrationspakt abgesegnet. Die Europäische Union legt künftig eine deutlich verschärfte Gangart an den Tag, stark überarbeitet wurde die viel umstrittene Dublin-Regelung. Irreguläre Migration soll mit den strafferen Regelungen eingedämmt werden.

Asyl- und Migrationspakt

Die Reform sieht neben einer Stärkung der Außengrenzen schnellere Verfahren, leichtere Abschiebungen und Auffanglager für Schutzsuchende vor. Die Eckpunkte im Überblick:

Verfahren an Außengrenzen

An den EU-Außengrenzen sollen standardisierte Verfahren eingeführt werden. Erste Prüfungen beschleunigen die weitere Bearbeitung von Asylanträgen. Für Migranten mit geringen Aufnahmechancen (etwa aus Tunesien oder Marokko) wird es eigene Schnellverfahren geben. Personen, die die Voraussetzungen für eine Einreise in die EU nicht erfüllen, werden bereits vor der Einreise in einem bis zu sieben Tage andauernden Verfahren überprüft. Dabei werden sie identifiziert, ihre biometrischen Daten werden erfasst und sie werden Gesundheits- und Sicherheitskontrollen unterzogen.

Grenzen sichern: Nachgekommen wird einer langjährigen Forderung; der Schutz an den EU-Außengrenzen wird verschärft. Dies umfasst sowohl physische Maßnahmen wie Zäune und Überwachungstechnologie als auch administrative Maßnahmen zur effektiveren Kontrolle der Einreisen.
 

Lagerhaft: Personen, die aus Ländern kommen, die von der EU als sicher eingestuft werden, werden unter strengeren Bedingungen behandelt. Bis zu zwölf Wochen können sie unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden. Fix in solche Lager müssen Personen, die aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent kommen, so wie jene, die als mögliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit gesehen werden. Die Regeln für Inhaftierung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit sollen Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, davon abhalten, sich innerhalb der EU zu bewegen.

Erleichterte Abschiebung: Abgelehnte Asylbewerber sollen schneller und effizienter in sichere Drittstaaten abgeschoben werden können. Die Rückführung von Personen, die kein Bleiberecht in der EU haben, soll damit erleichtert werden. Die Rückführungsquote soll von aktuell 22 auf 44 Prozent verdoppelt werden.

Solidaritätsmechanismus: Die Lastenverteilung von Flüchtlingen über Europa wird via "Solidaritätsmechanismus" stärker reguliert. EU-Staaten, die keine Schutzsuchenden aufnehmen wollen, müssen andere Formen der Unterstützung leisten. Angedacht sind beispielsweise finanzielle Beiträge von bis zu 20.000 Euro pro abgelehntem Flüchtling. Die Mitgliedstaaten können dadurch wählen, ob sie Verantwortung für Asylbewerber übernehmen, finanzielle Beiträge leisten oder operative Unterstützung bieten wollen.

Krisenverordnung: Bei einem besonders hohen Zustrom von Geflüchteten in einem EU-Land kann eine Krisenverordnung in Kraft treten. Sie erlaubt es, Migranten länger festzuhalten und beschleunigte Verfahren anzuwenden.

Erfassung: Die Daten von Personen, die irregulär in die EU kommen, werden in der überarbeiteten Eurodac-Datenbank gespeichert. Dazu zähen Fingerabdrücke und Gesichtsbilder von Menschen ab sechs Jahren. Die Behörden sind künftig auch in der Lage, zu erfassen, ob jemand ein Sicherheitsrisiko darstellen könnte oder gewalttätig bzw. bewaffnet war. Der Abgleich von Fingerabdrücken soll verbessert werden, um illegale Aufenthalte effektiver zu identifizieren und zu verfolgen.

Kritik an den Regeln

Die Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten ist noch ausstehend. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola lobt die Lösung unterdessen als "fair gegenüber denjenigen, die schutzbedürftig sind, und hart gegenüber denjenigen, die es nicht sind". Kritik hagelt es unter anderem von NGOs. Karl Kopp, Vertreter der deutschen Organisation Pro Asyl im Europäischen Flüchtlingsrat ECRE (European Council on Refugees and Exiles) bezeichnete den Pakt als "historischen Rückschritt". Durch ihn werde eine Norm geschaffen, die Asylverfahren und haftähnliche Bedingungen normalisiert, sagte Kopp diese Woche vor Journalisten in Wien. Illegale Praktiken an den EU-Außengrenzen würden dadurch beibehalten und sogar weiter verschärft.

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