VW Polo mit 75 PS im Test: Was hat das Facelift gebracht?
Ein spindeldürres Lenkrad. Ein langer Schalthebel im Boden. Weder Mittelkonsole noch Radio. So konnte ein VW Polo im Jahr 1983 aussehen. Zwischen 730 und 830 Kilogramm brachte der Stadtflitzer auf die Waage, sie verteilten sich auf 3,65 Meter Länge. Die damalige Spitzenmotorisierung: 75 PS. Über dreißig Jahre später gibt es keinen Polo mehr unter einer Tonne Gewicht, während 75 PS mittlerweile eher den Einstieg darstellen. Zur Lebensmitte hat die aktuelle Generation eine umfassende Überarbeitung erhalten. Wird der Polo damit zum sprichwörtlichen "Mini-Golf"?
Aufgebügeltes Polo-Hemd
VW selbst bläst das Facelift zum "neuen Polo" auf, rein optisch wurde trotzdem nur ein zarter Pinsel benutzt. Mit Recht, denn das seit 2009 eingesetzte Design kann sich noch immer sehen lassen. Ich hole beinahe den Filzstift heraus, um wie auf einem Suchbild die Unterschiede einzukringeln. Als da wären: Eine Chromleiste zwischen den Scheinwerfern für alle Modelle, bei den höheren Ausstattungen kommt Chrom im unteren Lufteinlass dazu. Nur echte Profis werden die modifizierten Heckleuchten wahrnehmen. Als erstes Auto seiner Klasse bekommt der Polo übrigens ab Herbst 2014 aufpreispflichtige LED-Scheinwerfer.
Stets in Verbindung
Im Innenraum fallen die Änderungen schon eher auf: Vom Golf VII kommen die Dreispeichen-Lenkräder, die Instrumente stecken in Tuben. Weil bei VW inzwischen nur noch mit Baukästen gespielt wird, lautet das Zauberwort beim Polo "modularer Infotainmentbaukasten". Bedeutet im Klartext: Radio- und Navigationsgeräte mit Touchscreen. Deren König ist "Discover Media", ein Navi mit 6,5-Zoll-Farbbildschirm für deftige 1.445 Euro. Wer mag, bekommt auch eine Rückfahrkamera (zur Erinnerung: der Polo ist 3,97 Meter lang) und im Laufe des Jahres ein so genanntes Mirror-Link-System, bei dem ausgewählte Smartphone-Apps auf dem Touchscreen gespiegelt werden. Ob nun Mutti bei der Einkaufstour zum Edeka twittern wird, sei dahingestellt, aber VW will eben auch den jungen Leuten etwas bieten.
Nackte Fakten
Nur wird der Nachwuchs wohl eher zum Polo-Basismodell namens Trendline greifen. Und nicht nur er: Gerade bei Kleinwagen wird oft genau auf den Cent geachtet. Also mal hineingesetzt und angefasst. Schwarz ist die dominierende Farbe, aber die Kunststoffe fassen sich gut an. Das Lenkrad muss ohne Knöpfe auskommen, immerhin werten schwarz glänzende Rahmen um die Lüftungsgitter das Ambiente etwas auf. An die karge Mönchszelle des 1983er-Modells erinnert dieser Innenraum nicht mehr, vielmehr lautet die Devise: Arm, aber anständig. Wer es wie ich nicht ganz so trist mag, sollte zur nächsthöheren Comfortline-Ausstattung greifen. Viel Chrom und geschäumte Kunststoffe steigern den Wohlfühlfaktor deutlich. Ohne Fehl und Tadel sind die bequemen Sitze jedes Polo, wenngleich sich zwei Erwachsene vorne schon recht nahe kommen. Nicht allzu üppig ist zudem das Platzangebot im Fond und auch die 280 Liter Kofferraumvolumen ragen nicht über das klassenübliche Maß hinaus.
Viel aus wenig
Nur beim Polo Comfortline stehen übrigens alle Motorvarianten zur Auswahl. Neu ist unter anderem das Basisaggregat mit drei Zylindern. Es handelt sich um den Einliter-Benziner aus dem Up mit 60 oder 75 PS. Statt einer Steuerkette wie im bisherigen 1,2-Liter-Aggregat kommt hier ein Zahnriemen zum Einsatz. Etwas überraschend stoße ich in der Armada der Polo-Testwagen auf die 60-PS-Ausführung. Das kann ja heiter werden! Andererseits: Versuch macht kluch. Und tatsächlich: In der Stadt schlägt sich der Einstiegsmotor weit besser als erwartet. Er hängt gut am Gas und zieht flott auf 50 km/h. Dabei fällt besonders die gute Dämmung auf, die Maschine verrichtet ihren Dienst deutlich diskreter als im Up. Ebenfalls gut: Bei Tempo 50 kann der fünfte Gang (einen sechsten gibt es nicht) bereits drin bleiben. An seine Grenzen kommt der Basis-Polo bei Steigungen, auf der Ebene braucht es ab etwa 80 Sachen mehr Geduld. Trotzdem: Wer mehrheitlich in der Stadt unterwegs ist und am Wochenende die Verwandtschaft im Landkreis besucht, ist mit den 60 PS ausreichend versorgt.
Eine Schippe mehr
Als bessere Wahl kristallisiert sich der 800 Euro teurere 75-PS-Motor heraus. Auch er ist gut gedämmt und spritzig, bietet aber eine bessere Elastizität. Speziell auf der Autobahn macht sich das Leistungsplus positiv bemerkbar: Der Wagen zieht unangestrengt auf Tempo 130, wo das Laufgeräusch bei über 4.000 Touren zwar präsent, aber nicht störend ist. Oberhalb dieser Geschwindigkeit sollte man das Gaspedal nur durchdrücken, wenn die Spur frei ist. Dann arbeitet sich der Polo etwas zäh bis 170 km/h empor. Ein Lob verdienen sich die VW-Ingenieure für die gelungene Getriebeabstufung: Flott in der Stadt, hinreichend leise auf der Autobahn. Zudem gleitet der Schalthebel exakt durch die Gassen. Noch einige Worte zum Fahrwerk: Es ist um Ausgewogenheit bemüht, verdaut aber Querfugen teilweise nur mühsam.
Urteil: Ausreichend
Festzuhalten bleibt: Der 75-PS-Polo ist ein guter Allrounder für alle, die es auch mal auf die Autobahn zieht, ohne brutale Kilometerfresser zu sein. Für weitere 875 Euro Aufpreis gibt es zwar den 1.2 TSI mit 90 PS. Aber auch er weist nur ein Fünfgang-Schaltgetriebe auf, zudem ist sein auf dem Papier deutlich besserer Durchzug erst bei höherem Tempo auf der Autobahn spürbar. Und auch das "50-km-h-im-Fünften"-Spiel mag er nicht wirklich, kurz vor dem Abwürgen rumpelt er dann vor sich hin. Sinnvoll ist dieser Motor deshalb nur für jene, die eine Automatik respektive ein DSG wollen oder den Sound des Dreizylinders nicht mögen.
Taschen leer, Polo voll
Entscheidend ist, was hinten rauskommt: Und zwar nicht die Tatsache, dass alle Polo-Motoren jetzt die EU-6-Abgasnorm schaffen. Vielmehr dürften sich einige Polo-Kunden als Goldesel fühlen. Den auch wenn VW gebetsmühlenartig sagt, dass der Einstiegspreis trotz besserer Ausstattung (unter anderem Zentralverriegelung mit Fernbedienung und Multifunktionsanzeige, falls Sie jubeln möchten) gleich geblieben ist: Los geht es erst bei satten 12.450 Euro. Unser 75-PS-Favorit kostet mit Start-Stopp-System bereits 13.500 Euro. Ideal ist die Comfortline-Version für 15.200 Euro. Sie ist günstiger als ein vergleichbar aufgemöbelter Basis-Polo. Inklusive sind der schon erwähnte schickere Innenraum, 15-Zoll-Alufelgen, eine Klimaanlage, ein Radio, Parkpiepser vorne wie hinten und eine Mittelarmlehne vorne. Damit lässt sich gut leben, braucht es noch mehr? Sinnvoll sind die hinteren Türen inklusive elektrischer Fensterheber für 800 Euro, ebenso das Winterpaket mit Sitzheizung für 415 Euro. Mit an Bord wären bei mir noch der in der Klasse ungewöhnliche Tempomat mit Abstandsregelung (ACC, 500 Euro), das Multifunktionslenkrad (325 Euro) und der 240 Euro teure Farbtupfer "Cornflower Blue" für die Lackierung. Unter dem Strich stehen so 17.480 Euro. Es gibt VW-Händler, die dafür schon einen Basis-Golf herausrücken.
Durch das Lifting schafft es der VW Polo, auch weiterhin bei den Kleinwagen vorne mitzuspielen. Leider gilt das ebenso für den Preis. Als Gegenwert bekommt man einiges an modernen Extras und ein sehr gut austariertes Fahrzeug. Mehr denn je wird der Polo zum Golf-Gegner. Wer maximal zu zweit fährt und die Abmessungen eines Golf nicht braucht, kann unbesorgt zu dessen kleinem Bruder greifen. Auch der mit dem Polo verwandte Audi A1 wird nachziehen müssen, um nicht ins Abseits zu geraten. Trotzdem: Ein VW Polo für 25.000 Euro, an dessen Heck nicht GTI steht, lässt uns schlucken.
.hochwertige Verarbeitung, harmonischer Antrieb
.teuer in der Anschaffung, mäßiges Platzangebot
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